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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Freise, Kurt: Ausstellung holländischer Gemälde aus Rotterdamer Privatbesitz in Rotterdam
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Wolf, August: VII. internationale Kunstausstellung in Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0014

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VII. Internationale Kunstausstellung in Venedig

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Historie, mag vielleicht interessant als Dokument für
die Geschichte des Geschmackes und der Geschmacks-
verirrung sein, bietet künstlerisch aber gar nichts.
Das sind dieselben technischen Kniffe, mit denen —
mir noch weit raffinierter — der Ritter A. v. d. Werff
und seinesgleichen die »Connoisseurs«, denen nur
das mit der Lupe bewaffnete Auge noch die wahre
Kunst zu vermitteln vermag, düpieren. Von v. d. Werffs
süßlichen Genrebildern ist glücklicherweise nichts vor-
handen. Dafür ein bis auf die rechte, ganz schwammig
wirkende Hand, leidliches Porträt. Gleich kühl lassen
uns die beiden »guten«, in Gold gefaßten Bildnisse
G. Schalckens. Wie anders spricht uns dagegen die
schlichte Porträtkunst eines Miereveit an, der mit einem
bezeichneten und 1631 datierten, aber leider im
Hintergrund stark zerstörten Porträt des bekannten
Predigers Joh. Wittenbogaert vertreten ist. Auch ein
kleines von H. O. Pot gemaltes Bildnis des Admirals
Tromp sieht man gern wegen der guten und doch
anspruchslosen Charakteristik. (Das Bild lag dem im
Museum Boymans ausgestellten Stich von Suyderhoef
zugrunde.) Die Höhe der Nurwiedergabe des Mo-
delles erreichen zwei kleine Bildnisse von H. M, Sorgh,
von dem außerdem noch zwei Genrestücke ausgestellt
sind. Bildnisse des Terborchschülers Pieter van An-
raedt — besonders so große wie die beiden hier ge-
zeigten — kommen nicht häufig vor, ebenso wie
solche von Maerten van Heemskerck, dem wohl richtig
Nr. 24, das Porträt von Com. Musius, zugeschrieben
wird. Sehr interessant ist dann noch ein lebensgroßes
Kinderbildnis vom Jahre 1605, etwas im Stil des alten
Cuyp Es vereinigt buntes, frisches Kolorit mit guter
Charakteristik, namentlich was die Beobachtung und
Wiedergabe des kindlichen Dreinschauens und Drein-
fassens betrifft. Schließlich sei an dieser Stelle noch
des großen Porträts eines Falkeniers von JeanleDucq,
dem angeblichen Schüler Paulus Potters, Erwähnung
getan. In einem Park mit einem Schloß im Hinter-
grund hockt der junge Mann neben seinen großen
Hunden und der Jagdbeute.

Als nicht rein holländisch dokumentieren sich auf
den ersten Blick zwei Porträts von Antonie Schoon-
jans und dem bekannten Schabkünstler Wallerant
Vaillant. Jener ist aus Antwerpen gebürtig, dieser
war wie Schoonjans in Antwerpen Schüler des Eras-
mus Quellinus.

Wir versagen uns ein Eingehen auf den Rest der
ausgestellten 95 Gemälde. Hoffentlich ist die Aus-
stellung von recht gutem Erfolg gekrönt und er-
mutigt zu anderen, ähnlichen Veranstaltungen. Gerade
für die Kunstgeschichte sind diese Vorführungen sonst
schwer zugänglicher und nur Wenigen bekannter
Werke von großer Wichtigkeit. Von dem erzieherischen
Einfluß, den sie auf den Geschmack des Publikums
haben, sprachen wir bereits oben.

Endlich sei aber noch des hübschen und brauch-
baren Kataloges gedacht, der neben den üblichen An-
gaben auch ausreichende Bilderbeschreibungen ent-
hält und die wichtigsten Gemälde in Abbildungen
wiedergibt. KURT FREISE.

VII. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG
IN VENEDIG

(Schluß)

A.Zorn nimmt wieder gefangen durch seine weib-
lichen Aktstudien, erregt aber diesmal auch gerechten
Anstoß; denn nicht alles, was einen Künstler und
seinen Kollegen in dieser Beziehung interessieren
kann, gehört in eine öffentliche Ausstellung; besonders
wenn die Typen von ausgesuchtester Häßlichkeit sind.
Die Mache selbst ist das Wunderbarste, was sich
denken läßt. — Hocherfreulich wie immer der liebens-
würdige Larsson, diesmal mit zwei großen Ölgemälden.
Auf dem einen liest ein älteres Schwesterchen, vom
Rücken gesehen, seinem gegenübersitzenden Brüder-
chen Märchen vor. Die Märchengestalten werden
visionär für das Kind auf dem Tische sichtbar. —
Im zweiten Bild ist in lebensgroßer ganzer Figur
ein allerliebst frisches Zimmermädchen mit Abräumen
eines Tisches im Eßzimmer beschäftigt. Der Lokal-
charakter ist in beiden Bildern wunderbar anziehend
gegeben. — Holland glänzt diesmal besonders durch
eine reiche Sammlung vorzüglicher Aquarelle, welche
zum feinsten gehören, was man hier noch gesehen
hat. Das größte, eine alte Dame in der Bibel lesend
und durch den Reflex des Buches beleuchtet von
Bisschop. — Rußland interessiert diesmal durch eine
große Anzahl bisher hier unbekannter Maler, die alle,
oft mit den aller unzureichendsten technischen Mitteln
Außergewöhnliches zu geben suchen, im kühlsten
Abschreiben der Natur, welche sie umgibt. Maliavin
gehört nicht zu diesen Primitiven. Bei ihm ist schon
die äußerste Routine eingerissen. — In seinen drei
großen Bildern, »Russische Bäuerinnen«, kann er sich
nicht genug tun in einem wahren Feuerwerk des
Allerglühendsten, was die Palette bieten kann. Keiner
vor ihm hat dergleichen gewagt!

Eine weitere Ausnahme bildet der akademisch an-
mutende Karovin mit dem Porträt des Zaren und
eines jungen russischen Grafen. — In anderer Weise
steht, ganz außerhalb des Visionären, was diese rus-
sische Ausstellung kennzeichnet, der herrliche Tannen-
wald von Kalisienius. — Am sonderbarsten ist eine
große Seeschlacht in Braun und Blau, gleich einer
farbigen Intarsia, von Röhrig, endlich ein »Blitz«
von Stabrowsky. — Nun zu den Italienern als den
letzten! Sie sind wahrlich nicht die Letzten und
machen diesmal mehr als je ihrem Lande, dem Lande
der Kunst, alle Ehre. — Piemontesen und Lombarden
sind die Konservativsten. Einer großen Anzahl fein-
ster Naturstudien älteren Stils von Delleani ist ein
ganzes Zimmer eingeräumt. Inmitten sein vortreff-
liches Porträt von G. Grosso. Delleani beweist, was
erreichbar ist an Stimmung und Respekt vor der
landschaftlichen Natur auch ohne jedes Zugeständnis
an modern-technische Experimente. Von G. Grosso
sehen wir in acht Gemälden Beweise seiner Vielseitig-
keit: zwei große Damenporträts, eine große Nackte,
welche zum Bade schreitet. In letzterem Bilde opfert
er seine einfach brillante Vortragsweise und ist halb
und halb Divisionist in Darstellung des den Körper
streichenden Sonnenlichtes. In den übrigen Bildern
 
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