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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Wolf, August: VII. internationale Kunstausstellung in Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0015

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VII. Internationale Kunstausstellung in Venedig

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ist er Architekturmaler. — Maggi und Mucchi sind
diesmal die einzigen Nachahmer Segantinis. — Ca-
valieri ist hocherfreulich in einem überaus anziehen-
den, meisterhaft behandelten Bilde: Nach einem im
Abendgolde in der Höhe strahlenden prächtigen Lust-
schlosse steigt ein Rudel junger Institutsdamen empor.
Alle in Schwarz gekleidet, mit blauem Besätze und
ebensolchen im Winde flatternden Schleiern. Ihnen
folgen eine Menge kleinerer Mädchen in weißen Häub-
chen, von ihren Lehrerinnen geführt. Sämtliche Fi-
guren im Halbschatten des Vordergrundes mit ihrem
weichen Blau bilden einen reizenden Gegensatz zu
den Goldtönen des Hintergrundes. Diese ganze hier
in wenigen Exemplaren gegebene vortreffliche Kunst
Piemonts weist nur eine einzige Extravaganz auf:
eine unbeschreiblich häßliche alleinstehende allegorische
Figur von Reviglione, im Stile der alten Florentiner,
in giftigem Grün und grellstem Zinnoberrot. — Auch
die Lombarden haben einem ihrer Besten, leider zu
früh Verstorbenen, dem Landschafter E. Qignous,
ein ganzes Zimmer eingeräumt. Kräftigste Farbe
und glänzende Technik sind seinen Landschaften eigen.
— Pompeyo Mariani glänzt in seinen wundervollen
eleganten Monotypien. — Unter vielen Guten sind
hervorzuheben: Cavalieri, Heimkehrende Schafherde
im Mondschein, Mentessi mit einer Trauernden, einen
Friedhof durchschreitend, Balestrieri, Baziaro, Ca-
rozzi usw.

In dem nicht zum Besseren umgestalteten Saale
der Bolognesen macht die tiefe Kraft, das Gespenstige
des Lichtes bei tiefster Stimmung in zwei Bildern
des Miti-Zanetti wieder staunen, wahrhaft erschreckend
durch seine extravagante Häßlichkeit zweier nackter Ge-
stalten, Mann und Weib in verzweifeltem Ringkampfe,
fast lebensgroß, von G. Grandi; »Vampir« hat er
dieses Bild genannt. Von demselben das Porträt
einer schreckhaft bleichen Dame, »Die Bleiche« ge-
nannt. — Diese Künstlervereinigung bietet überhaupt
gar manches des Absonderlichsten. Bei Mario de
Maria (Marius pictor) tritt dies Phantastische jedoch
in der geistreichsten und farbenprächtigsten Weise
auf. Er hat jedoch im Saale der Träumer (Sagnatori)
ausgestellt. — Sonderbarerweise ist Toskana wie
immer freudlos. Die stumpfe Farbe, eine gewisse
Zurückhaltung in der Wirkung, wie z. B. in dem
großen Bilde von Gioli, welcher einige spindeldürre
Backfische am Meeresstrand »Ringelreihen« tanzen
läßt, wo die Nacktheit der fast kranken Wesen un-
angenehm wirkt. Nur Nomellini macht eine Aus-
nahme, dessen feuerwerksprühende Farbenglut bereits
ganz Manier geworden ist. Ebenso Tito Lessi, der
in anderer Weise aus dem Rahmen fällt. In edelster
Feinmalerei stellt er die erste Druckerwerkstätte in
Florenz dar, wo eben Bernardo Cennini 1471 sich
eines gelungenen Druckbogens erfreut. — Es ist un-
begreiflich, daß Toskana, ein wahres Paradies in land-
schaftlicher üppiger Schönheit, nur grau in grau
erzeugen sollte!

Unter den Neapolitanern erfreuen Balestrieri,
Campriani, de Maria Bergler; Tqfuris singende
Bauernmädchen im Grünen wären ein ganz hübsches

Bild, wenn diese nicht so riesengroß dargestellt
wären, besonders wäre die Ausdehnung des Wiesen-
vordergrundes zu entbehren. In seinen übrigen klei-
neren Darstellungen ist er interessanter. — Die glän-
zendste Räumlichkeit haben sich Roms Künstler ge-
schaffen. Die Mitte nimmt die große Fontäne von
Appoloni ein. Auf großer weißmarmorner Schale
halten drei lebensgroße vergoldete nackte Gestalten
einen mit Trauben gefüllten Korb empor, aus wel-
chem — Wasser herabrieselt. — Eine ganze Wand
dieses Saales ist Mancini gegönnt, der im Beiwerk
seiner höchst merkwürdigen Figurenbilder, meist Por-
träts, das Glitzern von Metall, Vergoldung, die Far-
benpracht der Blumen in verschwenderischer Über-
füllung wie kein anderer zu geben weiß. — De
Carotis bleibt seiner stilistisch-klassischen Weise auch
diesmal getreu. Die Pferde des Helios in einem
dreiteiligen Bilde zeigen seine bekannten Vorzüge.
Auch das schöne Velario dieses Saales ist von ihm.
Coleman, Carlandi und Sartorio sind die einzigen
der hier erscheinenden Römer, denen es wert scheint,
die unvergleichliche Umgebung Roms im Bilde zu
verherrlichen. — Die große Masse dessen, was die
Venezianer ausgestellt haben, würde allein schon
eine eingehende Besprechung verdienen. Es scheint,
daß die Venezianer nun die Krankheit der Nach-
ahmung nordischer Malerei einigermaßen überwunden
und sich wieder auf sich selbst besonnen haben. Ihr
großer Saal ist einer der stolzesten der Ausstellung
durch den tiefroten Sammet, welcher die Wände be-
deckt, die schönen, von Cadorin geschnitzten Por-
tale mit den in Goldleder gepreßten Portieren. —
Ein kleiner Raum ist ganz und gar Laurenti gewid-
met, wo er mit einer großen Anzahl seiner durch
Stimmungsgehalt ergreifenden, durch seine elegisch
düsteren Visionen uns in hohem Grade zu denken
gibt. Von diesem äußerst produktiven bedeutenden
Künstler ist auch eine Statue ausgestellt: Petrus als
Fischer. Dieses Bildwerk schmückt die Ecke der
nach Laurentis Entwurf von Rupolo ausgeführten
und soeben enthüllten neuen Fischverkaufshalle am
Canal grande. Dieser Ferrarese, jedoch ganz Ve-
nezianer gewordene Maler, ist jedenfalls zurzeit
die bedeutendste Erscheinung unter Venedigs Künst-
lern. (E. Tito hat diesmal nicht ausgestellt.) Fra-
giaccomo Bezzi, Sartorelli, Scatola, Costantini,
De Stefani, Nono, Mazzetti, die beiden Selvatiro,
Paoletti usw. Sie alle müßten mit ihren meist vor-
trefflichen Bildern angeführt werden. Unter ihnen
nimmt besonders Sartorelli (einst Musiker) eine hervor-
ragende Stelle ein. Milesi hat diesmal das Porträt
des Advokaten Franco, dasjenige Carduccis und eine
reizende Szene aus Goldonis »Locandiera« ausgestellt.
Scatola brachte eine große staubig-heiße, aber inter-
essante Ansicht des an den Felsen geklebten Assisi.
Selvatico eines seiner geisterhaften Damenporträts. Vor
allem gesund, frisch und farbenfreudig erscheinen
Guglielmo Ciardi, sein Sohn Beppe, seine Tochter
Emma. Ersterer ist der einzige ältere Künstler Venedigs,
der sich stets erneuernd, seiner Richtung treu bleibend
doch alle Errungenschaften der Modernen in sich
 
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