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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Graul, Richard: Ein neuer Vorschlag zur Förderung der Dresdener Kunstsammlungen
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Kühnel, Ernst: Kunstausstellungen in Madrid
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0069

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115 Kunstausstellungen in Madrid ll6

weitgehenden Auswahl des Besten und für den Zweck
eines Fürstenmuseums Geeigneten, die jetzt getrennten
Sammlungen ohne erhebliche Verminderung ihrer
Bestände nebeneinander weiter bestehen bleiben können.
Und das hat gewiß sein Gutes. Die Dresdener Ge-
mäldegalerie wird in den Augen der Welt nicht ver-
lieren, wenn sie zugunsten des Fürstenmuseums die
Bildnisse der sächsischen Fürsten, einige Schlachten-
bilder und dekorative Bilder, selbst einige Canaletto
zur einheitlicheren Stimmung der Zimmer abgibt.
Ebensowenig wird es im Grünen Gewölbe auffallen,
wenn daraus gerade diejenigen Stücke deutscher
Goldschmiedekunst entfernt werden, die an ihrem
bisherigen Aufstellungsort nicht recht betrachtet werden
konnten, weil sie als Dekorationsstücke dienen mußten.
Und die Porzellansammlung ist so reich, daß die
Herausnahme von vielen Hunderten von Stücken kaum
bemerkt werden wird. Und ähnlich verhält es sich
mit den anderen Sammlungen, die noch in Frage
kommen: die Bibliothek, der mathematische Salon,
die Gewehrsammlung.

Es ist kein Zweifel, daß mit diesem Material ein
sehr stattliches Museum vorwiegend höfischer Kunst
montiert werden kann. Am meisten Not würde man
mit der Beschaffung von authentischen Mobilien haben,
wenn man an eine annähernd stilgerechte Einrichtung
der in historischer Reihenfolge aneinandergelegten
Fürstenzimmer gehen wollte. Seidlitz denkt sich diese
Ausstattung der Räume aber ohne jede Pedanterie.
Er will ein Dutzend Räume »in den allgemeinen
Verhältnissen, nicht auch in den Einzelheiten der
Formengebung«, so einrichten, daß die verschiedenen
Objekte ein und derselben Kulturphase ohne zu
empfindliche ästhetische Reibung miteinander aus-
kommen. Historischer Takt und viel Geschmack
werden diese schwierige Aufgabe lösen, am besten
vielleicht, wenn zu malerische und zu historisch treue
Wirkungen vermieden werden.

Der Verfasser ist sich der Schwierigkeit dieser
Aufgabe wohl bewußt und hat zur Orientierung einen
sehr beachtenswerten Abschnitt seiner Schrift der
Inneneinrichtung von 1500 bis 1800 gewidmet. Aus
der Betrachtung der in Bildern und graphischen
Blättern erhaltenen Zimmerausstattungen sucht er für
die Einrichtung gewisse Typen festzulegen. Mit Recht
beklagt er bei diesem Unterfangen, wie wenig »von
den zahlreichen Vertretern der Geschichte des Kunst-
gewerbes« den Wandlungen der Innendekoration in
Deutschland nachgegangen worden sei. Allerdings, denn
sonst hätten sie sich bei der Einrichtung ihrer »Stuben«
in den Museen nicht so oft vergriffen. Noch immer
kann man in manchen Gewerbe- und historischen
Museen auf Beispiele malerisch-kulturhistorischer Ta-
bleaux hinweisen, die einem ingeniösen Regisseur
höchst willkommen wären, die aber im dekorativen
Zusammenspiel von ganz-, halb- oder viertel falschem
Mobiliar mit echtem Urväterhausrat schon dem naiven
Kunstfreund bedenklich geworden sind. Ich fürchte,
daß auch ein wesentlich vertiefteres Studium der
alten Inneneinrichtungskunst dem Installateur eines
neuen Fürstenmuseums bei der Gruppierung kultur-

geschichtlich zusammengehörender aber ästhetisch oft
sehr verschiedenartiger Dinge nicht viel helfen wird.
Er wird wohl am besten tun, wenn er handelt wie ein
vornehmer, kenntnisreicher und sehr geschmackvoller
Sammler handeln würde, der vor allem den Wert der
einzelnen Objekte ins rechte Licht setzen will, und es
vermeidet, zuviel um seine Schätze herumzudekorieren.
Geplant ist doch ein vorwiegend repräsentatives
Museum bester alter Kunst, die doch an sich ein-
drucksvoll genug wirkt, um auch bei stark »moderner«
Aufmachung den fortschreitenden Wandel der Stile
klar hervortreten zu lassen. Da bedarf es nach meiner
Ansicht doch wirklich nur geringerer dekorativer Er-
innerungen, wie sie durch Gobelins, Bilder gegeben
werden können, um die gewünschte Zeitstimmung im
Beschauer zu erwecken.

Im dritten Teil seiner Schrift stellt nun Seidlitz
das ganze Material zusammen und verteilt es unter
die verschiedenen Fürsten, die zu einer Art kunst-
geschichtlicher Notfcelfer werden, so daß die stil-
geschichtliche Entwickelung der dreizehn Museums-
räume mit Albrecht dem Beherzten beginnt und mit
Friedrich August dem Gerechten schließt. Die Nach-
weisung des Materials ist so eingehend, daß auf dem
Papier das Fürstenmuseum schon fertig aufgebaut
erscheint! In der Tat wäre es ein prächtiges Werk,
das mit diesen Mitteln ins Leben treten könnte, ein
Museum bester bodenständiger deutscher Kunst, ein
herrliches Denkmal, das neben den großen Samm-
lungen in Wien und München den Ruhm deutscher
Kunst in der Pflege sächsischer Fürsten für alle Zeit
künden wird. RICHARD GRAUL.

KUNSTAUSSTELLUNGEN IN MADRID.

Die »Saiso'n«, das heißt der Beginn der unsympathi-
schen Regen- und Kälteperiode, wurde hier mit eini-
gen kleineren Kunstausstellungen und der mit so viel
Spannung erwarteten »Internationalen Hygiene-, Kunst-,
Industrie- und Gewerbeaussteilung« eröffnet, die, um
es gleich vorweg zu nehmen, in jeder Hinsicht als
durchaus kläglich zu bezeichnen ist. Die Aufstellung
ist natürlich noch nicht fertig; das war ja voraus-
zusehen, selbst nachdem der Termin für die Eröffnung
um einen Monat hinausgeschoben war. Aber auch
das Anwesende ist so konfus hingestellt, ohne jede
Anordnung, daß man sich fragt, worin denn nun die
Arbeit der Kommission, die bereits mehrere Festban-
kette hinter sich hat, eigentlich bestanden habe. Nestles
Kindermehl, Automobile, Wohnungseinrichtungen,
Damenroben und Liköre stehen da friedlich nebenein-
ander. Eigentlich handelt es sich überhaupt nur um
industrielle Erzeugnisse, Hygiene verschwindend wenig,
und von Kunst keine Spur. Ich habe die eisigen
Hallen bis in alle Winkel durchspäht, aber kein Kunst-
werk gefunden; nur fünf oder sechs kunstgewerbliche
Gegenstände, und einige furchtbar bunte Gipsheilige.
Übrigens hat man so etwas Geschmackloses wie diesen
»Palacio de Bellas Artes e Industrias« selbst in Madrid
selten gesehen.

Leider kann man auch von dem neuen Gebäude,
das sich der »Circulo de beilas Artes« errichtet hat,
 
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