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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Lehrs, Max: Henri Hymans zu seinem fünfzigjährigen Dienstjubiläum
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Osborn, Max: Berliner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0061

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99

Berliner Ausstellungen

100

hunderts«, die derselbe Verleger 1906 publizierte, reiht
sich würdig den zahlreichen Veröffentlichungen an,
die Hymans in maiorem patriae gloriam ausgehen ließ.

All seinen Schriften eigen ist die souveräne Be-
herrschung der Form, die Kraft und Klarheit der
Sprache, die er auch als Redner oder in seinen
Briefen meistert, wie es heutzutage nur sehr selten
der Fall ist. Hierin muß er durchaus als ein ver-
späteter Abkömmling der hohen französischen Kultur
des 18. Jahrhunderts gelten. Es ist ein Genuß, ihm
zuzuhören, wenn er erzählt, ein Genuß zu lesen, was
er geschrieben.

Wem es vergönnt war, die gastliche Schwelle
seines Hauses in der Rue de la croix oder später in
der Rue des deux eglises zu überschreiten, konnte
sicher sein, als Freund mit jener Wärme und Herz-
lichkeit empfangen zu werden, die zu den hervor-
stechendsten Tugenden der Belgier gehören, und
deren Inkarnation der Name Henri Hymans bedeutet.
Nie bin ich auf meinem Lebenswege einem liebens-
würdigeren Menschen begegnet als ihm, und der
Altersunterschied von fast zwanzig Jahren erlosch be-
reits, als ich ihn nach unserer ersten Begegnung ge-
legentlich der Auktion Drugulin in Leipzig (im De-
zember 1879) wiedersah. Seither hat uns — es sei
mir vergönnt ein wenig bei Persönlichem zu verweilen
— eine feste und treue Freundschaft verbunden, und
ich habe immer aufs neue Gelegenheit gehabt, sein
umfassendes Wissen auf allen Gebieten der Kunst zu
bewundern und seinen schier unermüdlichen Eifer
anderen davon mitzuteilen und ihnen zu helfen, wo
er es irgend konnte, erprobt. Jeder Besuch in Brüssel
bot ihm willkommenen Anlaß, den Freunden mit
aufopfernder Liebenswürdigkeit zu dienen, und jeder
Tag ward zum Fest, den wir in seiner behaglichen
Häuslichkeit mit ihm und seiner alle Frauentugenden
in sich vereinenden Gattin verleben durften. Er-
zählten doch selbst die Bilder an den Wänden von
persönlichem Erleben, und sie wurden den Wieder-
kehrenden zu Erinnerungen, sobald die freundliche
Hüterin des Hauses: Henriette — auch ihren Namen
möchte ich in die Kunstgeschichte hinüberretten —
die Tür öffnete und den Gast einließ. So ist es all
den vielen ergangen, die im Hause Hymans Einkehr
hielten, und ich weiß mich eins mit den Freunden
und Kollegen, wenn ich heute dankbar und froh der
Stunden gedenke, die wir bei ihm und mit ihm an
seinem Tisch zugebracht, der für jeden zu jeder Zeit
gedeckt und nicht nur mit leiblichen Speisen besetzt
war. Möge er noch lange Jahre einen Sammelpunkt
für die Fachgenossen bilden, die in Henri Hymans
an seinem Ehrentage ein leuchtendes Beispiel hilfs-
bereiter Freundschaft und Kollegialität lieben und
verehren! — MAX LEHRS.

BERLINER AUSSTELLUNGEN
Die große Ausstellung der Society 0/ sculptors,
painters and gravers bei Schulte ist eine Art Gegen-
visite der Engländer für die vorjährige deutsche Ver-
anstaltung in der New Gallery am Hydepark. Es ist
die reichste Sammlung britischer Kunst, die wir seit

Jahren in Berlin gesehen haben; nichts Vollständiges
und Abgerundetes — es fehlen namentlich viele tüch-
tige Kräfte aus dem hoffnungsvollen Kreise des New
English Art-Club —, aber sehr lehrreiche Proben
vor allem von einer Malerei, die, aus festen nationalen
Traditionen erwachsen, allgemein europäische An-
regungen aufnimmt, ohne sich je zu verlieren, die
etwas temperamentlos, aber immer geschmackvoll ist,
oft zum Süßlichen neigt, doch nie beleidigt, wenig
Leidenschaft hat, aber dafür auch niemals ihre Vor-
nehmheit einbüßt, und die vor allem weiß, wofür sie
da ist: für welche Räume und für welche Menschen
(während unsere deutschen Maler meist ins Blaue
hinein arbeiten). Das ist es, was dieser Kunst ihre
Sicherheit und Haltung gibt.

Nach wie vor liegt der Schwerpunkt der englischen
Malerei im Porträt. Die große Einheit und Einigkeit
zwischen der britischen Kunst und ihrem Publikum
ist hier mit Händen zu greifen. Es ist dieselbe reife
Kultur in diesen Bildnismalern wie in ihren Modellen
(und mit tiefer Scham denken wir an die Berliner
Porträtausstellung bei Keller & Reiner zurück) —, die
gleiche, kluge, ruhige, gehaltene Art, die gleiche ge-
schmackvolle Reserviertheit in den Menschen wie in
der Farbenkunst, die sie spiegelt. Dabei vermißt man
noch Männer wie Wilson Steer (der uns jetzt in dem
von Meyerfeld bei Cassirer deutsch herausgegebenen,
köstlichen Impressionistenbüchlein George Moores so
lebendig geworden ist) oder Sargent, der zwar von
Geburt ein Amerikaner ist, aber neben den anderen
Nichtengländern der Ausstellung nicht hätte fehlen
dürfen. Dafür ist Nicholson, den wir Deutsche bis-
her fast nur als originellen Holzschnittmeisler kennen,
mit zwei entzückenden Mädchenbildern vertreten: die
eine, mit blauem Rock, hat einen Hogarthschen Turban-
hut mit schwarzer Feder auf dem Haupt; die andere
schlingt ein graublaues Tuch mit braunem Rand um
ihre Schultern; beide sind gegen dunkeln Hintergrund
gesetzt, mit dem die kühlen Töne der Toiletten
schmeichlerisch-apart zusammengestellt sind, eine schalk-
haft bewußte Altmeisterlichkeit von schlagendem Effekt.
Lavery, der sich auch um das Arrangement der Aus-
stellung sehr verdient gemacht hat, rehabilitiert seinen
durch allerlei Oberflächlichkeiten während der letzten
Jahre etwas geschädigten Berliner Ruf mit einem
Offizierbild von brillanter breiter Mache, einem ele-
ganten Damenporträt in Rosa gegen dunkelnden Fonds
und dem flott gemalten Bilde eines jungen Mädchens,
das in gedämpfter Zimmerhelle sich auf ein grünes
Sofa ausgestreckt hat. Auf neue Pfade zog Lavery
in einem »Marktplatz in Tanger« aus, einem sonnigen
Orientbilde, das (ähnlich wie die leider wieder fehlen-
den afrikanischen Impressionen des früh verstorbenen
H. B. Brabazon) französischen Einschlag, etwa von
d'Espagnat her, verrät. Ein Nachkömmling der klas-
sischen Zeit des Londoner Porträts ist /. J. Shannons
Töchterchen Kitty im weißen Mullkleid und mit blauem
Hutband um den linken Arm; man denkt an Reynolds'
Anne Bingham vor dieser in Farbe und Ausdruck un-
gezierten Lieblichkeit. Zwei interessante Frauenporträts
sieht man von Charles Furse; ein solid gemaltes,
 
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