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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Haack, Friedrich: Zu Zeitblom: das Sigmaringer Marienleben und die Stuttgarter Propheten-Brustbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0139

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255

Sammlungen

256

Nach den obigen Darlegungen wird auch die Er-
klärung hinfällig, die Konrad Lange von den Propheten-
brustbildern (im Verzeichnis der Gemäldesammlung,
Stuttgart, 2. Auflage 1907. S. 66) gibt, wo er von
den vier unteren urteilt, daß sie »wohl ursprünglich
nebeneinandergereiht die Predella eines größeren Altar-
bildes schmückten.« Man vergleiche nun in Gedanken
etwa mit der Blaubeurer Predella, so wird man sofort
das Unmögliche der Langeschen Rekonstruktion ein-
sehen. Hier ruhig repräsentierende Halbfiguren von
vorn oder in leiser Wendung gegeben, nebeneinander
und durch die ganze Linienführung zu einem orga-
nischen Ganzen verbunden, vor einem gemeinsamen
gemusterten Hintergrund und über einer gemeinsamen
Brüstung, die ruhig und kräftig nach unten abschließt.
Bei der Rekonstruktion leidenschaftlich erregte Mienen,
in architektonischer Abgeschlossenheit und Vereinzelung
sowie in starker seitlicher Wendung gegebene Brust-
bilder, die nach unten jäh und unvermittelt abschneiden.
Schon die Spruchbänderansätze allein verlangen eine
ansehnliche Verlängerung nach unten. Schon die
perspektivische Zeichnung der Fensterbrüstungen ver-
bietet jeden Gedanken an eine Predella! — Schließlich
spricht auch die alte württembergische lokale Über-
lieferung gegen die Langesche und für meine Rekon-
struktion. So nennt Haßler in seinem Verzeichnis die
acht Stuttgarter Prophetenbrustbilder schon ganz richtig
»Ausschnitte aus einst im Kloster Zwiefalten befind-
lichen großen sogenannten typologischen Gemälden,
welche im Hauptbild eine Begebenheit des Neuen
Testamentes darstellten und, nach Art der Biblia Pau-
perum, in der Ecke oben rechts oder links das Bild
des Propheten zeigten, welcher das auf die Begeben-
heit bezügliche Vaticinium des Alten Testamentes ent-
hält. (In Bingen bei Sigmaringen in der Kirche be-
findet sich ein Paar ähnliche Bilder).«1).

Stilistisch weisen die Stuttgarter Prophetenbrust-
bilder dieselbe hohe künstlerische Vollendung auf wie
das Sigmaringer Marienleben und sie setzen uns wie
dieses durch die gelegentlich hervorbrechende stür-
mische Lebendigkeit der Bewegung und genrehafte
Auffassung in Erstaunen. Vor den Stuttgarter Propheten
wie vor den Sigmaringer Marienbildern dürfte schon
manchem überraschten Beschauer unwillkürlich der
Name: Strigel auf die Lippen gekommen sein. Aber
sie rühren dennoch nicht von Strigel, sondern einzig
und allein von Zeitblom her. Wohl aber scheint es
mir wahrscheinlich, daß er sie gerade damals gemalt
hat, als Strigel als Lehrling oder Gesell in seiner
Werkstatt arbeitete. Oder, kunstwissenschaftlich aus-
gedrückt: Strigel hat gerade damals an Zeitblom an-
geknüpft, als sich dieser auf der durch das Sigmaringen-
Stuttgarter Tafelwerk (wie wir jetzt wohl sagen dürfen)

1) Diese Stelle aus Haßlers Verzeichnis, die ich mir
vor neun Jahren notiert hatte, habe ich unter meinen Papieren
erst wiedergefunden, nachdem ich mir heuer die ganze
Rekonstruktion Sigmaringen—Stuttgart nach der Analogie
Bingen selbst zurechtgelegt hatte.

vertretenen Entwickelungsstufe befand. Strigel hat die
Malmittel von Zeitblom übernommen, er hat die Farben
in derselben Weise aufgetragen, vertrieben und zu-
sammengestimmt, darin beruht die Ähnlichkeit zwischen
ihren Bildern. Allein Strigel weist nicht die gotisch
eckige Umrißzeichnung Zeitbloms auf, er hat eine ganz
andere Formenanschauung besessen und er ist überhaupt
seiner gesamten Auffassung nach eine von Zeitblom
grundverschiedene Künstlerpersönlichkeit gewesen.

PERSONALIEN
Dr. Friedrich Haack, bisher Privatdozent an der
Universität Erlangen, ist zum außerordentlichen Professor
an dieser Universität ernannt worden.

SAMMLUNGEN

V Bodes Erwerbungen aus der Sammlung Rudolf
Kann sind soeben, vereinigt mit zwei Oeschenken der
Firma Duveen Bros, und der Frau Bromberg in Hamburg,
einer Schwester Kanns, durch die Ausstellung in einem
Kabinett des ersten Geschosses im Kaiser-Friedrich-Museum
dem Publikum zugänglich gemacht worden. Die Kunst-
chronik wird darüber in ihrer nächsten Nummer aus-
führlich berichten; für heute sei nur die Liste der Neu-
erwerbungen aufgestellt: von Rembrandt, Christus und die
Samariterin, ein färben- und lichtglühendes Meisterwerk
aus dem Jahre 1655, von demselben ein Christuskopf
(Studienkopf eines jungen Juden), Windmühlen am Wasser,
ein kleineres Frühwerk von Jakob van Ruisdael, Schlitt-
schuhläufer auf der Maas von Aart van der Neer; von
Philips Wouwerman eine kleine Winterlandschaft von
ganz ungewöhnlichen Qualitäten. Aus der vlämischen
Schule: das Bild einer Antwerpener Patrizierfamilie von
Gonzales Coques und ein in der Farbe prächtiges Geflügel-
stilleben mit Melone von Jan Fyt. Von dem Bildnis eines
jungen blondlockigen Mannes vor Landschaft, das Kann
erst 1904 erworben hat, läßt sich noch nicht mit voller
Sicherheit entscheiden, ob es einem oberdeutschen oder
venezianischen Meister angehört, jedenfalls verrät es belli-
neske Einflüsse. Schließlich ein plastisches Werk, das in
Holz geschnitzte Reliefbildnis des Erzbischofs Wilhelm von
Freising von Friedrich Hagenauer. Dank dem tatkräftigen
Handeln des Generaldirektors der Museen ist das End-
ergebnis für die deutschen Kunstfreunde also viel erfreulicher,
als sie nach den ersten Nachrichten über den Verkauf der
Sammlung Kann zu hoffen wagten.

Magdeburg. Das Kaiser-Friedrich-Museum erwarb
ein Triptychon von Hans Thoma »Die Quelle«.

VERMISCHTES
Der gestohlene van Dyck aus der Notre-Dame-Kirche
zu Courtrai ist wieder unversehrt den Spitzbuben ab-
genommen worden.

PERMANENTE KUNSTAUSSTELLUNG

verbunden mit Kunsthandel in einer deutschen Groß-
stadt, sucht zur Vergrößerung des Betriebes einen
kapitalkräftigen Fachmann, der mit tätig sein soll.

Günstige Gelegenheit zum Eintritt in ein gut gehen-
des Geschäft. Anerbieten befördert die Expedition
des »Kunstmarkt« in Leipzig unter K. 283.

Inhalt: Die Ausstellung altenglischer Kunst in der Berliner Akademie der Künste. Von c. — Petersburger Brief. — Zu Zeitblom. Von Prof. Dr.

Friedrich Haack. — Personalien. - Bodes Erwerbungen aus der Sammlung Rudolf Kann: Erwerbung des Kaiser-Friedrich-Museums
zu Magdeburg. — Vermischtes.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf. o. m. b. h. Leipzig
 
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