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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [1]
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Florentiner Brief, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0113

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203 Florentiner Brief 204

Bonnat ist wenigstens kein Zuckerbäcker, kein Par-
fümeur und keine Putzmamsell.

Es ist schade, daß von dem jungen Spanier Sert,
der die gewaltige Aufgabe übernommen hat, eine
ganze große Kirche in der Nähe von Barcelona aus-
zumalen, weiter nichts als einige Skizzenblätter zu be-
kommen waren. Ein so seltenes, starkes und jugend-
frisches Talent müßte man festhalten, und wenn es der
französischen Regierung erlaubt wäre, einem Ausländer
einen großen Auftrag zu geben, dann wäre Sert der
rechte Mann. Da das aber nicht geht, muß man
immerhin froh sein, daß der Staat wenigstens einige
Zeichnungen des jungen Malers erworben hat. Auch
sonst ist da manches Gute unter den Zeichnungen
und Drucken: einige famose Zeichnungen von Maxime
Dethomas, farbige und schwarze Radierungen und
Lithographien von Eugen Delätre, Raffaelli, de Latenay,
Houdard, Leandre und anderen. Kurz, wenn man diese
von Herrn Dujardin-Beaumetz besorgte Auslese nun
noch einmal durch ein engeres Sieb gehen ließe,
könnte man eine ganz hübsche und wirklich wert-
volle Sammlung erzielen. Von den zweitausend hier
gezeigten und vom Staate gekauften Arbeiten würden
allerdings wohl nicht mehr als hundert übrig bleiben.

KARL EUGEN SCHMIDT.

FLORENTINER BRIEF

Das Schicksal, das dem Palazzo Strozzi beschieden
sein wird, beschäftigt nachdrücklich die öffentliche
Meinung des Landes. Das »Oiornale d'Italia« ver-
öffentlicht eine Reihe von Äußerungen angesehener
Florentiner, Angehöriger der Aristokratie, Gelehrter,
Künstler, in denen allen das Bedauern darüber zu
lesen ist, daß in absehbarer Zeit kein Nachkomme
des Filippo Strozzi, der ihn erbaut hat, mehr den
Palast bewohnen wird, und die Sorge, daß er in die
Hände eines Ausländers (lies: Amerikaners) gelangen
könnte. Der letztere Fall würde eine schwere Kränkung
des Nationalgefühles bedeuten.

Dem Wunsch, daß der Staat die Erbschaft an-
treten und die zwei und eine viertel Million zahlen
möchte, steht die Furcht gegenüber, dieser würde
dann für sonstige dringende Aufgaben, die in Florenz
der Lösung harren, kein Geld mehr haben, und das
Bedenken, daß man eigentlich nicht weiß, was man
mit dem Palast anfangen soll. Schon die Frage, die
man aufwirft, was damit zu machen wäre, beweist,
daß der Erwerb keine innere Notwendigkeit, sondern
eine Luxusausgabe ist, zu der man sich um der
Wahrung äußeren Anstandes glaubt entschließen zu
sollen.

Zwei Möglichkeiten bieten sich dar: man ver-
wendet den Palast zu Verwaltungszwecken oder man
macht ein Museum daraus. Das erstere wünscht
niemand: im alten Patrizierpalast an nüchternen
Tischen kleine Beamte Register führen zu sehen,
diese Vorstellung muß jeden schrecken. Exempla
docent: Palazzo Riccardi und Teile des Signoriepalastes.
Also muß ein Museum daraus gemacht werden. Aber
es heißt und ich glaube mit Recht, daß die Beleuch-
tungsverhältnisse diesem Zweck nicht günstig sind.

Und dann: welches Museum soll das werden? Robert
Davidsohn hat den Vorschlag gemacht, ein Museum
der Florentiner Künstler zu schaffen, in das die Samm-
lung der Malerbildnisse aus den Uffizien zu kommen
hätte, und mit jedem Porträt möchte man Reproduk-
tionen ihrer in der Welt zerstreuten Werke vereinigen.
Von anderer Seite tritt man für Guido Biagis Projekt
ein, daß der Palast das Florentiner »Museo civico«
werden sollte, ein Seitenstück zum Museo Correr in
Venedig, zum Castello Sforzesco in Mailand usw.
Gewiß wäre es ein prächtiger Gedanke, das fürstliche
Haus im Stil der Renaissance wieder zu beleben; schade
nur, daß er sich, wenn überhaupt, erst nach längerer
Zeit und mit größten Kosten würde verwirklichen
lassen. Die Florentiner Sammlungen bergen nur wenige
Proben des Kunsthandwerks, besonders fast keine
Möbel: woher diese nehmen, besonders in der Zahl
und Qualität, wie sie für diese Räume nötig wären?

Man könnte sich eher noch wünschen, daß gewisse
Privatsammlungen, die im Bargello verloren sind und
darum nicht zur Geltung kommen, weil es hier an
Raum gebricht, dorthin überführt werden möchten:
ich denke an die Sammlungen Carrand, Reßmann
und Franchetti, in denen man den Grundstock eines
herrlichen Museo civico hätte. Doch soll freilich für
die erstere eine testamentarische Verfügung im Wege
stehen, die ausdrücklich die Aufstellung im Bargello
festsetzt.

So bleibt diese Hinterlassenschaft nach wie vor
ein Geschenk, das man sich hütet, mit beiden Händen
zu nehmen. Denn zu den Kosten des Erwerbs kämen
ja noch die gewiß nicht geringen der Erhaltung.
Welche Entscheidung die Regierung endlich treffen
wird, weiß niemand zu dieser Stunde, obschon ein
Gesetzesvorschlag, der die Übernahme durch den Staat
empfiehlt, im Parlament wahrscheinlich und im Senat
gewiß eine Majorität finden würde. Dagegen hofft
man allgemein, daß das Archiv der Familie vom Staat
wird erworben werden können, dessen materieller
Wert nur geringfügig sein kann (die Gerüchte, wo-
nach vom Ausland große Summen dafür geboten
worden seien, halte ich für falsch), und dessen Zer-
streuung unter allen Umständen zu beklagen wäre.
Doch verlautet, daß dieser Bestimmung des Testaments
sich die Angehörigen der ferraresisch-mantuanischen
Seitenlinie widersetzen wollen, da der Besitz des Archivs
angeblich niemals allein dem Florentiner Zweig gehört
habe und nur aus praktischen Gründen in alter Zeit
keine Teilung vorgenommen worden sei. Trotzdem
ist wünschenswert (und wahrscheinlich), daß man diese
Frage unschwer lösen werde.

Während also hier sich allerhand ungelöste Pro-
bleme darstellen, scheint andererseits der Augenblick
nicht fern, daß ein schönes altes Bauwerk seiner un-
würdigen Bestimmung entrissen werden soll. Das
eigentliche Kloster von Sant' Apollonia ist einem ver-
hältnismäßig kleinen Kreis bekannt, da es, zum Militär-
depot verwendet, nicht immer zugänglich war. Es
hat einen schönen stimmungsvollen Hof mit zwei
Reihen von Loggien, und an Kunstwerken besonders
die grandiose Pietä Castagnos, ein interessantes Werk
 
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