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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XIX. Jahrgang 1907/1908 Nr. 18. 6. März.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

LITERATURNUMMER

Le Peintre-graveur illustre" (XIXe et XXe siecle) par
Loys Delteil. Tome II: Charles Meryon- Paris, L. Del-
teil, 2 rue des Beaux-Arts, 1907. 40, mit 105 photo-
mechanischen Stichreproduktionen und 1 Originalradierung
Meryons.

Die »Kunstchronik« hat seinerzeit bereits vom Erscheinen
des ersten Bandes des uPeintre-graveur illustre^ ihren Lesern
Mitteilung gemacht. Ein trefflicher, für sein Schaffens-
gebiet begeisterter und mit allen einschlägigen Detailfragen
wohl vertrauter Graphiker, Loys Delteil, hat es unternommen,
zu "den Kupferstichwerken Bartschs und Robert Dumesnils
eine den Zeitraum vom Beginne des 19. Jahrhunderts bis
herab auf die jüngste Zeit mit der gleichen Gründlichkeit
umfassende Fortsetzung zu liefern. Schon bei Besprechung
des ersten Bandes hat die »Kunstchronik« auf eine bedeut-
same und äußerst vorteilhafte Neuerung Delteils hinge-
wiesen; dieser hat es nämlich unternommen, an Stelle der
ausführlichen Beschreibungen der verschiedenen Platten-
zustände, wie sie in den älteren Kupferstichhandbüchern
üblich waren, photographische Reproduktionen dieser Zu-
stände zu geben, die besser als die umständlichsten wört-
lichen Auseinandersetzungen imstande sind, die Unter-
schiede zwischen den einzelnen Abdruckvarianten eines
Kupferstiches zu verdeutlichen, und die somit dem Sammler
ein ganz unschätzbares Vergleichsmaterial für Zustands-
bestimmungen darbieten müssen. Der erste Band dieser j
Publikation, der den vier Landschaftern Millet, Theodor I
Rousseau, Jules Dupre und Jonghind gewidmet war, ist
bereits wieder vergriffen. Der soeben erschienene zweite
Band, dessen auf nur 300 Druckexemplare beschränkte Auf-
lage ebenfalls nur zu bald erschöpft sein dürfte, umfaßt das
Oeuvre eines einzigen Großmeisters der Radierkunst, näm-
lich Charles Meryons, des genialen Verherrlichers von
Alt-Paris. Selbst den nicht-französischen Lesern der »Kunst-
chronik« gegenüber werden wir uns eine eingehendere
Würdigung des künstlerischen Lebenswerkes dieses Meisters
füglich ersparen können. Die Schöpfungen seiner Radier-
nadel werden heutzutage von den Kunstliebhabern aller
Nationen aufs höchste geschätzt und gesucht, und gewisse
Hauptblätter Meryons — wie z. B. »Le Petit Pont«, »Le
Stryge«, »La Galerie Notre-Dame«, »Le Bain froid Chevrier«,
»La Rue des Mauvais Garcons« usw. — dürften wohl
einem jeden Kupferstichkenner in der Erinnerung gegen-
wärtig sein. Für die Preise, die heute für Meryonsche
Radierungen gezahlt werden, mag das Beispiel des be-
rühmten Blattes »L'Abside de Notre-Dame« als besonders
charakteristisch hier angeführt werden: Meryon selbst ver-
kaufte die 22 Blätter seiner Folge »Eaux-fortes sur Paris«,
zur der auch >L'Abside de Notre-Dame« gehörte, zum

Preise von 25 bis 30 Francs, — und bei einer Kupferstich-
auktion, die im vorigen Jahre in Paris stattfand, wurde
ein Sonderabdruck des genannten Einzelblattes für nicht
weniger als 4500 Francs zugeschlagen! — Zu dem rein
sachlichen Werte des von Delteil gegebenen Oeuvre-Kata-
loges kommt noch der nicht minder wesentliche ideale Wert
unseres Meryon-Buches hinzu, der auf einer diesen 2. Band
des»Peintre-graveur illustre* eröffnenden BiographieMeryons
basiert. Hier hat Delteil eine ganze Anzahl bisher unver-
öffentlichter Briefe und handschriftlicher Notizen Meryons
benutzen können, in denen der Meister selbst gewisse
Einzelheiten aus seinem Leben bekannt gibt oder an einigen
seiner eigenen Atzplatten eine hochinteressante Kritik übt.
Dank diesen eigenhändigen Aufzeichnungen Meryons und
dank den mit Sorgfalt gesammelten und gesichteten schrift-
lichen und mündlichen Bekundungen seiner Freunde hat Loys
Delteil uns hier in der Tat eine abschließende Monographie
über diesen genialen und leider so unglücklichen Künstler
zu bieten vermocht. Der ursprünglich eingeschlagenen
Marinekarriere als Schiffsfähnrich den Rücken kehrend,
hatte Meryon zunächst Zeichen- und Malstudien betrieben,
dann aber, nachdem er die Radierungen des Landschafters
Eugene Blery kennen gelernt hatte, mit vollem Enthusias-
mus sich endgültig und ausschließlich der edlen Ätzkunst
gewidmet. Unglücklicherweise fand er jedoch für seine
unvergleichlichen Schwarzweißkunst-Blätter seinerzeit nur
so wenige verständnisbegabte Liebhaber, daß er, durch
Enttäuschungen und Entbehrungen vollständig erschöpft,
in Wahnsinn verfiel und kaum 46 Jahre alt 1868 im Irren-
hause zu Charenton ein tieftrauriges Ende nahm. — An
diese biographische Einleitung schließt sich dann der be-
sagte Oeuvre-Katalog unmittelbar an. Er ist eingeteilt in
die ersten Ätzstudien Meryons aus den Jahren 1849—5°>
in die Ansichten von Paris nebst denjenigen aus dem übrigen
Frankreich, aus Griechenland, Oceanien, Amerika usw. und
in die Porträts, Titelkupfer, Rebus, Adressen und sonstigen
Varia. Diesem im ganzen 102 Platten umfassenden Haupt-
kataloge ist dann noch eine Liste der dem Meister irrtüm-
lich zugeschriebenen Blätter, sowie der Kopien und Re
Produktionen nach seinen Originalradierungen beigegeben.
Wie schon oben erwähnt wurde, sind von sämtlichen Ra-
dierungen des Meisters photomechanische Reproduktionen
beigefügt, und zwar häufig nach mehreren Plattenzuständen,
und zu einer jeden dieser Faksimile-Abbildungen gibt
Delteil alle nur irgend wünschenswerten Erläuterungen hin-
sichtlich der Ausführung der Ätzplatte, ihrer verschiedenen
Etats, der Sammlungen, in denen sie sich befinden, der
Preise, die sie bei Versteigerungen erzielten, der persön-
lichen Äußerungen Meryons über die betreffende Platte
 
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