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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Michel, Wilhelm: Münchener Bilderfrühling
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0222

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421

Nekrologe — Personalien — Wettbewerbe — Ausstellungen

422

Was dieses Genie ohne Talent an Können besaß,
spricht am deutlichsten aus einigen landschaftlichen
Zeichnungen; sie sind frei von allen Unwillkürlich-
keiten, erstaunlich in der Beherrschung der Ausdrucks-
mittel. Sie haben allen Reiz der Schwarzweißkunst
und haben mit dem fabelhaften Ornament ihrer Linien-
führung, das aus Pappeln lodernde Flammen, aus
Laubwerk direkte Rokokoschnörkel macht, sicherlich
mehr auf seine Malerei gewirkt als umgekehrt.

Es ist zu begrüßen, daß mehrere Privatsammlungen
sich die Anwesenheit der beiden Kollektionen in
München zunutze gemacht haben.

Neben Van Gogh zeigte der Kunstsalon Zimmer-
mann auch einige Gemälde von Paul Gauguin, Ar-
beiten aus seiner Frühzeit; es sind Landschaften voll
eines delikaten Naturgefühls, so wie sie zu dem
liebenswürdigen Schwärmer passen, den der Ekel
vor der Kultur bis in die Südsee verschlug.
_WILHELM MICHEL.

NEKROLOGE
Der Oberkonservator an der Petersburger Ermitage
A. v. Neustrojew ist gestorben. Wir werden über diesen
schweren Verlust für die Kunstwissenschaft in nächster
Nummer noch weiter sprechen.

PERSONALIEN

Dem Maler und Radierer Heinrich Reifferscheid in
Düsseldorf ist der Titel Professor verliehen worden.

Der treffliche Berliner Maler Otto Heinrich Engel
ist anläßlich der Eröffnung der Großen Berliner Kunstaus-
stellung, der er nun zum zweiten Male präsidiert, zum
Professor ernannt worden.

Zu Mitgliedern der Berliner Akademie der Künste
sind gewählt worden: der Bildhauer Constantin Starck in
Wilmersdorf, der Architekt Otto March in Charlottenburg
und der Maler John S. Sargent in London.

WETTBEWERBE

Die Ausschreibung des Wettbewerbes für den Be-
bauungsplan »Groß-Berlin« wird eine Verzögerung erleiden.
Es war ursprünglich geplant, das Ausschreiben, wenn die
Gemeinden die Beiträge bewilligt haben, zum 1. Juli d. J.
erscheinen zu lassen. Es wird nicht möglich sein, zu diesem
Termin das dem Wettbewerb zugrunde zu legende Plan-
material fertig zu stellen. Dieses Material besteht aus ei-
nem Übersichtsblatt im Maßstabe 1 : 60000, einer aus vier
Blättern zusammengesetzten Karte 1 : 25000 und zwölf gro-
ßen Teilplänen 1 : 10000. Besonders das letzte Kartenwerk
ist bei der erforderlichen Genauigkeit, und weil sowohl die
gegenwärtigen Besitzverhältnisse wie auch die bestehenden
Bebauungspläne der Gemeinden und Baugesellschaften ein-
getragen werden müssen, nur in langwieriger Arbeit her-
zustellen und wird vor dem Herbst nicht versandfertig sein.
Die Ausschreibung des Wettbewerbs wird deshalb erst zum
1. Oktober erfolgen und als Schlußtermin für die Einsen-
dungen wird voraussichtlich der 31. Dez. 1909 festgesetzt.

Den diesjährigen großen preußischen Staatspreis
von je 3300 Mark haben bekommen der Maler Albert
Gartmann in Charlottenburg und der Bildhauer Georg
Hengstenberg aus Meran.

Für ein Denkmal des Fürsten Leopold von Hohen-
zollern in Sigmaringen soll demnächst ein Wettbewerb
für deutsche Künstler ausgeschrieben werden. Es stehen
drei Preise von 2000, 1000 und 500 Mark in Aussicht, Form
und Material, sowie die Gestaltung der Umgebung bleiben
den Künstlern überlassen.

Zur Feier des fünfhundertjährigen Bestandes der
Universität Leipzig veranstaltet die Gesellschaft zur
Förderung deutscher Wissenschaft und Kunst in Böhmen
einen Wettbewerb um eine Medaille mit der Inschrift: >In
deutschem Forschen und Streben sind Mutter und Tochter
vereint. Prag-Leipzig 1904—1909.« Drei Preise von je
250 Kronen und 1250 Kronen für die Ausführung; Ein-
lieferung bis 1. Oktober 1908.

FUNDE

In der Sakristei der Marienkirche zu Belgard in
Pommern soll ein angeblicher Memling gefunden sein.
Das Bild mißt 50X75 cm, ist auf Holz gemalt und zeigt
das Monogramm H. M. Eine Mutter mit dem Kind und
Josef ist in offener staffierter Landschaft dargestellt. Über
diesen Fund bringt die Tagespresse allerlei sensationelle
Mitteilungen. Aber Vorsicht ist geboten; denn es sprechen
für den Kenner schon nach Prüfung der Photographie
verschiedene gewichtige Punkte gegen Memling. Man hat
eher den Eindruck eines niederländischen Stückes von
mittlerer Qualität etwa um das Jahr 1510. Das als be-
weiskräftig angeführte Monogramm kann natürlich gar
nicht gelten, denn wir kennen nicht ein einziges Bild
Memlings, das er mit den Initialen seines Namens be-
zeichnet hätte, wie denn überhaupt derartige Signaturen
bei den Niederländern des 15. Jahrhunderts nicht in Ge-
brauch waren. Das Bild wird nach Berlin zur entscheiden-
den Prüfung gebracht werden.

Das Berliner Tageblatt bringt folgende Mitteilung:
Über den Fund eines neuen Werkes Botticellis berichtete
der Bibliothekar der Pariser Nationalbibliothek Leon Dorez.
Es ist ein bisher unbekanntes Gemälde Botticellis, und zwar
ein Porträt, wie es in dem Oeuvre des Meisters selten vor-
kommt, einen Professor in seiner Amtstracht darstellend.
Der Dargestellte ist der Professor der Medizin an der
Universität Pisa Lorenzo Lorenzi, genannt Lorenzano.
Botticelli dürfte ihm nach Dorez' Annahme in der Um-
gebung Savonarolas begegnet sein und sein Bildnis zwischen
1495 und 1500 gemalt haben.

AUSSTELLUNGEN

V Die Große Berliner Kunstausstellung ist am

1. Mai mit der gewohnten Feierlichkeit eröffnet worden.
Der Unterstaatssekretär Wever vertrat den verreisten Kultus-
minister; der Maler O. E. Engel als Vorsitzender der Aus-
stellungs-Kommission hielt eine längere Ansprache. Die
Anordnung der zahlreichen Räume zeigt wiederum eine
Verbesserung; leider fehlt ein künstlerischer Mittelpunkt,
wie ihn im vorigen Jahre die Porträtausstellung bildete.
Als eine Neuerung ist zu vermerken, daß die Straßburger
Künstler diesmal geschlossen ausgestellt haben.

Die Bibliothek des Kunstgewerbemuseums in
Berlin hat in ihrem Ausstellungsaal eine Sammlung
persisch-indischer Miniaturen nebst Manuskripten und Ab-
bildungen muhamedanischer Kunst ausgestellt; Zugang
unentgeltlich wochentäglich von 10 bis 10 Uhr.

*„* Ein frühes Werk von Arnold Böcklin, die »Ge-
witterstimmung am See« von 1899, einstmals im Besitz
des Schweizer Malers E. Stückelberg, ist zurzeit in dem
Berliner Kunstsalon der Frau Rabl ausgestellt. Eine ganze
Reihe von meisterhaften Studien und ausgeführten Ölbildern
des Landschafters Karl Buchholz f erscheint als Nachlese
zu der großen Gedächtnis-Ausstellung, die art der gleichen
Stelle vor Jahresfrist veranstaltet wurde. Außerdem findet
man hervorragende Landschaften von Pettenkofen, Schön-
leber, Liebermann und — allen Respekt von dem Finder-
glück der Frau Rabl — einen kleinen Karl Blechen.
 
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