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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0293

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563

Nekrologe — Personalien — Wettbewerbe

564

ist der Bildhauer Fehr, dessen Büsten von Ruskin
und Morris bereits Aufsehen erregten, und der jetzt
eine ungemein ausdrucksvolle Statue eines primitiven
Briten aus der Urzeit Englands ausstellte. Auch in
dieser Abteilung will ich zuletzt über eine Skulptur
berichten, die in ihrer Art vielleicht die beste in der
ganzen Ausstellung ist. Die Leser der Chronik ent-
sinnen sich möglicherweise noch, daß ein junger
Künstler, Mr. Harvard Thomas, der Akademie im
vorigen Jahre eine Statue »Lycidas« benannt, zur
Annahme übersandte, die aber abgelehnt wurde. Dies
Werk fand dann Aufnahme in der »New Gallery«,
und Einstimmigkeit bestand darüber, daß man eine
Skulptur von solcher Güte seit Jahren in keiner Lon-
doner Ausstellung angetroffen habe. Seine diesjährige
Arbeit, eine Marmorbüste von »Mr. Asher Wertheimer«,
hält sich in gleicher künstlerischer Höhe wie sein
»Lycidas«.

Durch die Ausstellung in der »New Gallery«
werde ich zu der Bemerkung veranlaßt, daß dies
Institut immer mehr seinen eigentlichen Charakter
verliert, das heißt, man findet dort bunt unter-
einander Werke, die von der Akademie abgelehnt
wurden, neben Objekten von Künstlern, die mit der
»Royal Academy« aus irgend welchen Gründen
überhaupt nichts zu tun haben wollen. Dann sind
endlich noch eine Reihe Künstler vertreten, die ihre
besten Werke nach der Akademie senden und dann
erst an die »New Gallery« denken. Ursprünglich
war dies Kunstinstitut als eine Sezession von der
Sezession (Grosvenor Gallery) gegründet, und um
den Präraffaeliten dort Unterkunft zu gewähren und
ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Heute
macht sich dort ein Neo-Präraffaelismus breit, der
nicht originell wirkt und auch weiter keine Berech-
tigung besitzt, denn alles was er leistet, ist schon
besser und charakteristischer gesehen worden.

Wer sich als Spezialist für moderne spanische
Kunst interessiert, wird in der »Grafton Gallery«
Befriedigung finden. Hier hat Senor Joaquin Sorolla
y Bastida, ein Führer der modernen spanischen Schule,
400 Bilder, Entwürfe und Skizzen ausgestellt, die
geeignet erscheinen, seine neueste Phase zu studieren.
In »Earls-Court«, einem Vergnügungsetablissement, das
für London den einigermaßen seltenen Vorzug ge-
währt, dort den Abend im Freien zubringen zu können,
wird uns außerdem ein Kunstgenuß durch eine voll-
ständige Ausstellung moderner ungarischer Meister
geboten. — Die Firma Agnew in Bondstreet hat als
Hauptanziehungspunkt in ihren Räumen ein hervor-
ragendes Porträt des Großfürsten Michael von Signor
L. R. Galeota und 24 Damenbildnisse bekannter Per-
sönlichkeiten von Francois Flameng zur Besichtigung
geboten. —

Wie immer in der letzten Zeit, so hat auch in
diesem Jahre die »Leicester-Gallery« als Spezialität
Aquarellgemälde erster lebender und verstorbener
englischer Künstler ausgestellt. Wenn mir der Raum-
mangel nicht geböte, Einhalt zu tun, so könnte ich
noch ein Dutzend öffentliche Galerien erwähnen, die
sich um die Kunstentfaltung verdient gemacht haben.

Von all den vielen Privatausstellungen in Künstler-
ateliers will ich wenigstens die ausgezeichneten Por-
träts von Miß Dorothea Landau nicht unbemerkt
vorübergehen lassen, weil diese junge Dame künst-
lerisch das gehalten, was sie versprach und sich in
ihrem Fach zu wahrer Größe erhoben hat. — In
der St. Pauls Kathedrale wurde unter großer Feier-
lichkeit Holman Hunts, von dem reichen Schiffs-
reeder Booth gestiftetes »Licht der Welt«, eine Version
des Bildes in Oxford, enthüllt. — Zum Schluß hätte
ich dann noch zu berichten, daß man damit umgeht,
einen Anbau an die Westminster-Abtei herzustellen,
oder aber genötigt sein wird, um neue Denkmäler
dort unterbringen zu können, ältere Monumente zu
entfernen. Ein lebhafter Streit ist über diese Frage
bereits im Gange. Bekanntlich rufen die vielen
unschönen und unglücklich aufgestellten Grabmonu-
mente in der Abtei einen fast komischen Eindruck
hervor. — Um der Kunstausfuhr nach Amerika Ein-
halt zu tun, wird in maßgebenden und einflußreichen
Kreisen erwogen, ob nicht zunächst eine Registrierung
aller bedeutenden in England befindlichen Kunstwerke
angelegt, und ein bezügliches Gesetz gegen den Ver-
kauf nach außerhalb erlassen werden soll.

O. v. SCHLEINITZ.

NEKROLOGE

Am 15. August ist in-Berlin der Bildhauer Professor
Louis Sussmann-Hellborn im 81. Lebensjahre gestorben.
Er war am 28. März 1828 in Berlin geboren, studierte auf
der dortigen Akademie und wirkte, nachdem er sich durch
längere Reisen im Ausland weitergebildet hatte, seit 1857
in seiner Heimatstadt auf den Gebieten der Monumenfal-
plastik und der dekorativen Kunst. Von ihm rühren unter
anderen der »Trunkene Faun« und die Gruppe »Dornrös-
chen« in der Berliner Nationalgalerie her. Außerdem
stammen von ihm die beiden Sandsteinfiguren des Hans
Holbein und Peter Vischer vor dem Kunstgewerbemuseum.
Das Museum in Köln besitzt seine Gruppe »Romeo und
Julia auf dem Dorfe«.

PERSONALIEN

Der Direktor des Kupferstichkabinetts Dr. Max Fried-
länder und der Präsident der Akademie der Künste Pro-
fessor Arthur Kampf sind zu Mitgliedern der künstlerischen
Sachverständigenkommission für die Reichsdruckerei auf
die Dauer der Berufung der übrigen Kommissionsmitglieder
ernannt worden.

Die große goldene Medaille haben in diesem Jahre
aus Anlaß der Berliner Kunstausstellung die Berliner Maler
Prof. Friedrich Kallmorgen, und Prof. Otto H. Engel er-
halten.

WETTBEWERBE
Entwürfe zu einem Museum für Völkerkunde

werden den Gegenstand eines Wettbewerbs bilden, den
der Württembergische Verein für Handelsgeographie be-
schlossen hat. Das Ausschreiben soll auf württembergische
Architekten beschränkt sein. Das Museum wird auf einem
Gelände am Hegelplatz, gegenüber der Gewerbehalle im
nördlichen Teile Stuttgarts errichtet werden. Es sind drei
Preise von 3000, 2000 und 1000 M. vorgesehen.

Eine Abhandlung über die künstlerische Gestaltung
von Wasseranlagen im Städtebau der Gegenwart ist
als neue Aufgabe von der Akademie des Bauwesens in
 
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