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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Eine angebliche Radierung Elsheimers
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Singer, Hans Wolfgang: Max Klingers "Epithalamia"
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0071

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Max Klingers

»Epithalamia«

120

Blattes trug. Im Katalog war auf einen Aufsatz von
S. Scheikevitch in der Gazette des beaux arts 1901,
S. 400 ff. (Adam Elzheimer. Ses gravures originales
— Une eau-forte inedite) verwiesen, in dem der Ver-
fasser, der Besitzer eines zweiten Exemplares, zuerst
die Radierung als eine neue und wertvolle Arbeit
Elsheimers veröffentlicht hatte. Außer diesem war
bisher kein anderes Exemplar bekannt geworden;
das neue wurde daher als Unikum gepriesen und
ging zum Preise von 235 M. in den Besitz des
Dresdener Kupferstichkabinetts über. Daß es aber
nicht einzig in seiner Art war, zeigte sich bald nach
der Auktion, als ein drittes Exemplar in Dresden von
einem Kunsthändler für 150 M. verkauft wurde.

Scheikevitch hatte den Zusammenhang der Ra-
dierung mit einem Blatt des Jan van de Velde, das
die gleiche Szene im Gegensinne wiedergibt, erkannt
und angenommen, daß dieser nach Elsheimer kopiert
habe. In Wahrheit dürfte sich die Sache umgekehrt
verhalten. Die originale Komposition ist von van de
Velde, die Elsheimer bezeichnete Radierung ist eine
ungeschickte Kopie.

Von vornherein wird man geneigt sein, den
Künstler des neu aufgefundenen Blattes für den Ko-
pierenden zu halten, weil Jan van de Veldes Radierung
etwa viermal so groß ist und nicht einzusehen wäre,
warum ein tüchtiger Künstler sich die Mühe machen
sollte, aus einer kleinen undeutlich radierten Kompo-
sition eine klare Darstellung solchen Umfanges zu
schaffen. Die umgekehrte Annahme, nach der ein
Kopist die Radierung verkleinert und dabei Fehler
und Ungeschicklichkeiten begeht, ist naheliegender.

Die Versehen auf dem Elsheimer bezeichneten
Blatt betreffen mehrere Einzelheiten. Neben der mittel-
sten Figur sitzt bei Jan van de Velde ein Hund.
Daraus ist eine unklare Strichelei, die wohl einen
Gewandzipfel vorstellen soll, geworden. Die Kanonen-
kugeln und Ladestöcke, die bei van de Velde links
neben der Kanone liegen, sind auf der kleineren
Komposition verunstaltet; die Kugeln sind eckig und
gleichen eher Steinen, die Ladestöcke sind sinnlos
wie Ruten in einer starken Kurve gebogen. Die
ganze Gruppe der Soldaten rechts, die Unterlagen
der Kanonen und diese selbst sind so unkenntlich
geworden, daß man sich über den Inhalt der Szene
ohne Kenntnis der großen Radierung nicht klar werden
könnte. — Zudem ist der Meister, der van de Velde
die Komposition lieferte, einer der tüchtigsten seiner
Zeit, keiner von denen, welchen man sklavische
Kopien zutrauen dürfte. Nach der Chiffre W. B.
war es Willem Buytewech, der von A. Goldschmidt
im Jahrbuch der kgl. preuß. Kunstsammlungen (1902)
trefflich charakterisierte Künstler aus der Richtung des
Frans Hals, zu dessen Eigenschaften Reichtum der
Phantasie und Leichtigkeit des Gestaltens gehören.
Auch in der kleineren Radierung verspürt man seinen
Stil noch deutlicher als den Elsheimers, in der un-
ruhig flackerigen Lichtführung, in dem bewegt zackigen
Umriß, in den phantastischen Kopfbedeckungen, die
den abenteuerlichen Gesellen tief in das Gesicht ge-
drückt sind. Von solchen gespenstischen Effekten weiß

Elsheimers einfache, gemütvolle Natur nichts; die
Silhouetten seiner Figuren sind kompakt geschlossen;
das Licht modelliert bei ihm die Gestalten gleichmäßig
plastisch aus dem Dunkel.

Für die Originalität der Komposition Buytewechs
spricht endlich auch die durch die Unterschrift ge-
gebene Erklärung der Szene. Das Blatt gehört einer
Folge der vier Elemente an und stellt das »Feuer«
dar; die Nachtbeleuchtung war nur als Folie für das
Aufblitzen des Kanonenschusses und des Feuers der
brennenden Lunte gewählt. Bei dem mit Elsheimers
Namen bezeichneten Blatt, das keine Unterschrift trägt,
muß man erraten, was dargestellt ist. Natürlich hat
eine Soldatenszene auch ohne erklärenden Text ihre
Berechtigung. Es ist aber fraglich, ob ein Künstler
jener Zeit die Wirkung des Feuers und des Rauches
so auffällig in den Vordergrund geschoben hätte,
wäre er nicht durch die allegorische Bedeutung der
Darstellung dazu veranlaßt worden.

Wäre Scheikevitch in seinem Aufsatz nicht zu
einem entgegengesetzten Resultat gekommen, so be-
dürfte es keiner längeren Ausführung, um die Frage
der Originalität zu entscheiden, da bei einem Vergleich
der beiden Blätter ohne weiteres ersichtlich ist, welcher
Künstler der schwächere und kopierende war. Aus
welcher Zeit das kleine Blatt stammt, vermag ich
nicht mit Sicherheit zu sagen. Sind auch moderne
Fälschungen auf dem Gebiet der Radierung kaum
bekannt, so erscheint mir eine Entstehung im Laufe
der letzten zwanzig Jahre doch nicht unmöglich.
Denn keinem der älteren Elsheimerforscher, weder
Passavant noch Gwinner oder Bode ist die Radierung,
die eine so auffällige Bezeichnung trägt, bekannt ge-
wesen. WILHELM R. VALENTINER.

MAX KLINGERS »EPITHALAMIA«
Von Hans W. Singer
Klingers monumentale Raumkunst imponiert, seine ge-
waltige, neuartige Plastik reißt uns mit sich fort und seine
Radierungen reizen und fesseln selbst anfänglich Wider-
willige. Und doch möchte man zweifeln, ob der dauernde
Ruhm, den man ihm leicht genug voraussagen kann, sich
hauptsächlich auf diese Taten stützen wird. Sie wirken
so mächtig auf uns, seine Zeitgenossen, weil in ihnen
eben das Fühlen der Zeit so stark mitklingt. Aber es wird
nicht ausbleiben, daß andere Zeiten mit anderen Gefühlen
kommen, denen der Sinn für einen großen Bestandteil
dieser Kunst notwendigerweise so weit abgehen muß, daß
sie höchstens noch ahnen und bewundern können, wo wir
lieben.

Diesem Wandel wird aber ein anderes Schaffensgebiet
des Meisters, wenn überhaupt, jedenfalls in weit geringerem
Maße unterworfen sein: ich meine seine Kunst der Feder-
zeichnung. Wie Dürers eigenste Sprache nicht die Malerei
war, obwohl er es vielleicht selbst glaubte, auch nicht der
Kupferstich, obwohl dieser recht eigentlich der Träger
seines Ruhmes ist, sondern der Holzschnitt, so ist die
Klingers nicht seine Monumentalkunst, auch nicht seine
Radierung, obwohl er hier bewußt und absichtlich versucht
hat möglichst viel vom Menschen hineinzustecken, sondern
die Federzeichnung.

Das beweist schon einmal der Umstand, daß er in
dieser Sprache überhaupt das künstlerische Reden zuerst
gelernt hat; ferner, daß er von vornherein unter die wenigen
 
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