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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Rieffel, Franz: Ein Gemälde des Meisters D. S.?
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0172

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XIX. Jahrgang 1907/1008 Nr. 19. 13. März.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 8t Vogler, Rud. Mosse usw. an.

EIN GEMÄLDE DES MEISTERS D.S.?
Von Franz Rieffel

Als ich den Aufsatz Campbell Dodgsons über
die Holzschnitte des 1 Meisters D. S. (Jahrb. d. Kgl.
Preuß. Kunstsamml. XXVIII, S. 21 ff.) las und die bei-
gegebenen Bilder betrachtete, schien es mir, als wollte
mich daraus eine bekannte Künstlerpersönlichkeit an-
sprechen. Nachdem ich nun vor einigen Monaten
in der Aschaffenburger Galerie das jn der letzten
Zeit öfter besprochene Altarbild der Geburt Christi
wieder einmal angesehen hatte und bald darauf die
von Dodgson mitgeteilten Holzschnitte von neuem
in die Hand nahm, verdichtete sich mein unbestimmter
Eindruck zu der Frage: Sollte nicht D. S. der Maler
des Aschaffenburger Bildes sein?

Das Bild ist mir ein alter Bekannter von schier
zwanzigjährigem Verkehr her. Aber es ist sehr viel-
tönig und war gerade auf die Frage nach Nam'
und Art für mich bisher immer stumm geblieben.
In die Literatur hat es, soviel ich weiß, zuerst Flechsig
eingeführt in seinem Aufsatz über den Hausbuch-
meister (Zeitschr. f. b. K. N. F. VIII, S. 66 ff.) und
es in die nächste Nähe dieses Malers gesetzt. Henry
Thode in seiner gehaltvollen und konstruktiven Arbeit
über die Malerei am Mittelrhein (Jahrb. d. K. Pr.
Kunsts. XXI, S. 59 ff.) schrieb es zwischen den Zeilen
(wie mir scheint) dem Grünewald zu. Franz Bock
ist ihm in seiner Grünewaldmonographie von 1904
gefolgt. Der neue Aschaffenburger Katalog (1902)
nennt es »oberrheinisch (?) um 1460« und er gibt,
was richtiger ist, den Herkunftsort, die Aschaffen-
burger Stiftskirche an. Professor Neeb in Mainz
hat gute Aufnahmen von den Tafeln gemacht; Ab-
bildungen auch bei Thode und Bock. Mittelbild:
Die Geburt Christi mit Maria, Josef, den Hirten und
anbetenden Engeln; innere Seitenflügel: Hieronymus,
Johannes auf Patmos; äußere Flügel: oben Martinus,
unten Katharina; oben Sebastian, unten Margareta.

Mein Vergleichsstoff beschränkt sich auf Campbell
Dodgsons Bilderbeigaben und die Holzschnitte:
Kreuzigung (Dodgson 1), Schmerzensmann (D. 6),
Maria mit dem Kind (D. 7), Anna selbdritt (D. 10),
die Verschwörung auf dem Rüth (D. 16), Teils Apfel-
schuß (D. 17). Ich wünsche hervorzuheben, daß ich
zunächst nur zu einer Prüfung der Sachlage, nicht

zu einer Taufe einzuladen beabsichtige. Zu diesem
Zweck führe ich einige Einzelheiten an. Das eigen-
tümliche Adlerprofil des Johannes auf Patmos hat
auf der Kreuzigung (D. 1) der Hauptmann, der^Troß-
knecht mit dem Jungen, auf dem Tellschuß (D. 17)
der Geßler. Die Hirtentypen erinnern an den Am-
brosius (D. 11), den Johannes (D. 2), Geßlers Begleiter
(D. 17), den Mönch (D. 14). Der Hieronymustypus
an den Berittenen neben dem Hauptmann und an
den hinter dem Kreuzesstamm stehenden Troßknecht
(D. 1). Den sehr kennzeichnenden blinzelnden, aus
halbgeschlossenen Lidern lugenden Blick der J Maria
des Mittelbildes haben unter anderen das Kind und
mehrere Engel der Anna selbdritt (D. 10), Maria und
Johannes (D. 2), die Frauengruppe und mehrere
Männer (D. 1), Christus (D. 6), Maria (D. 7). Die hohen
Stirnen der Frauen und einiger Männergestalten des
Altarwerkes begegnen uns auf den Holzschnitten" fast
allenthalben. Der Marientypus gleicht durchaus dem
der Anna (D. 10). Habituell ist ferner die Hand der
Madonna mit den fast zylindrischen, an den Wurzeln
nicht aneinanderschließenden Fingern. Die schlecht
gebildeten Tiere sprechen gegen einen stärkeren
Schuleinfluß vom Hausbuchmeister her, so der amü-
sante Pappdeckellöwe des Hieronymus; der Esel auf
der Geburt; zu vergleichen ist das Pferd (D. 1), der
automatische Affe und der Esel auf dem Holzschnitt
Abb. 2 (D. 18—27) bei Dodgson. Die Engel auf
dem Bild der Geburt sind in priesterliche Gewänder,
drei davon in Rauchmantel und Stola, nach nieder-
ländischer Art gekleidet; ebenso die Engel (D. 10).
Der Josef trägt Strumpfhosen, wie der Troßknecht
(D. 1). Der schlauchige Rumpf des Sebastian, bei
dem das Knochengerüst nicht von innen heraus den
Leib modelliert, sondern auf der Hautoberfläche mehr
aufgezeichnet wirkt, kehrt auf den Holzschnitten
wieder, nicht so übertrieben leer, aber ähnlich (D. 1,
D. 2, D. 6). Das seltsame, winklige, massige und doch
magere Faltenwerk des Johannes auf Pathmos und
der anbetenden Engelknaben hat Gleichartiges auf
D. 12 und D. 16. Die dicken, glatten oder leicht
geschwungenen, hochoben sich gabelnden Baum-
stämme (Hieronymus, Johannes auf Pathmos) finden
sich auf Abb. 2 (D. 18—27), D. 13, D. 17. Ähnlich
reich wie Pult und Studierzimmer des Hieronymus
ist die Stube des Ambrosius (D. 11) mit dem Arbeits-
 
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