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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Das Schicksal der Sammlung Six
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Schmidt, Karl Eugen: Das Kunstgewerbe im Pariser Herbstsalon
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0035

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Das Kunstgewerbe im Pariser Herbstsalon

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von Wichtigkeit wäre, daß aber die übrigen Gemälde durch-
aus nicht unbedingt in Staatsbesitz übergehen müßten, im
Gegenteil. Er schlägt schließlich vor, die Regierung möge
den Verkäufern für den Vermeer allein eine so hohe Summe
anbieten, daß sie in gebührender Weise für das etwaige
Mehr, welches das Bild in öffentlicher Versteigerung bringen
könnte, sowie für das Sinken im Preise der anderen bei
einem Verkauf ohne den Vermeer entschädigt würden. Über
den Ankauf der dem »Paradestück« gegenüber billigen be-
deutenderen Gemälde werde eine Einigung dann wohl
leicht zu erzielen sein.

Es steht uns nicht zu, die Angelegenheit hier zu kriti-
sieren. Das ist Sache der maßgebenden holländischen
Behörden. Der Wert des einen Vermeer ist bei der heutigen
Hausse kaum abzuschätzen; der Sammler bezahlt eben den
Preis, den er zahlen muß, um in den Besitz des Bildes zu
gelangen. Und daß das Geld dabei eine sehr geringe Rolle
spielen kann, wissen wir. Welche Stellung der holländische
Staat dieser Frage gegenüber einnehmen wird, bleibt ab-
zuwarten. Danach wird es sich richten, ob er den Vermeer
samt den übrigen 38 Bildern kaufen, oder ob er eine
Auswahl unter denselben treffen wird — wenn sich hierauf
die Verkäufer, die bisher den Standpunkt »alles oder
nichts« vertraten, einlassen sollten.

Die berühmten Familienbildnisse kamen für den Verkauf
von vornherein nicht in Betracht, da sie, wie seinerzeit
der »Telegraaf« berichtete, durch die weil. Jan und Pieter
Six an einen durch sie gestifteten Fonds vermacht und in
diesen als unveräußerlicher, barer Besitz eingeschlossen
wurden. Es handelt sich also, um noch einmal kurz
zusammenzufassen, nur um den Ankauf von 39 Gemälden,
der jedoch von der Geldbewilligung durch die Zweite
Kammer in der kommenden Sitzungsperiode abhängt. Von
einem abgeschlossenen Verkauf ist also jetzt noch keine
Rede.

Bei dieser Gelegenheit mag noch ganz kurz die Ge-
schichte der Galerie Six skizziert werden. Von den Schätzen
des mit Rembrandt befreundet gewesenen Bürgermeisters
Jan Six befindet sich — der Zahl nach — so gut wie
nichts mehr in der heutigen Sammlung, desgleichen
vom Kunstbesitz seiner Neffen Pieter und Willem Six
(ihr Nachlaß wurde in den Jahren 1702, 1707 und
1734 versteigert). Der Grundstock für die jetzige Galerie
war die erlesene Sammlung des Herrn Pieter van Winter
Nicolaas-Simonszoon, die nach dessen Tode die beiden
Töchter erbten. Die älteste derselben, Lucretia Johanna
van Winter, welche selbständig und mit Glück weiter sam-
melte, heiratete 1822 den Jhr. Hendrik Six van Hillegom, wo-
durch ihre Gemälde in die Familie Six kamen. Jhr. Six van
Hillegom seinerseits erbte eine Kollektion von Familien-
bildnissen und die Überbleibsel der oben genannten Samm-
lungen; er hatte aber auch schon vor seiner Heirat einige
Gemälde gekauft. Nach seinem Tode ließen die Söhne
einen Teil des Kunstnachlasses am 25. Noverrfber 1851 zur
Versteigerung bringen. Es fanden sich jedoch nur wenige
Käufer, so daß der größte Teil der Bilder in der Familie
verblieb. Die vorletzten Besitzer waren Jan und Pieter Six,
die Erblasser der eingangs aufgezählten jetzigen Besitzer.

Unserem Bericht über den Verkauf eines Teiles der
Sammlung Six schließen wir noch einen im September
im »Vaderland« erschienen Artikel von Herrn Dr. A. Bredius
an, der zu der Schrift von Fritz Lugt einen interessanten
Kommentar gibt. Dr. Bredius äußert im wesentlichen
folgendes:

Herr Lugt glaubte von dem Ankauf eines Teiles der
Sammlung Six, darunter das weltberühmte Küchenmädchen
vom Delftschen Vermeer, abraten zu müssen. Es ist schade,
daß Herr Lugt in dieser Frage keinen unparteiischen Stand-

punkt einnehmen kann, da er Teilhaber der Firma Fr. Müller
& Co. und sozusagen rechte Hand von Herrn Mensing
(dem Chef) ist. Die Familie Six hatte nämlich zuerst mit der
genannten Firma wegen einer Auktion der 39 Bilder in Unter-
handlungen gestanden und die Sache war schon fast abge-
schlossen, als die Vereinigung »Rembrandt« dazwischen
trat. Diese Enttäuschung war für Herrn Lugt zu groß,
und er suchte mit seiner hübsch gedruckten Broschüre
Stimmung gegen den Ankauf zu machen. Man bedenke:
20 Prozent von 800000 fl., das ist keine Kleinigkeit, die
der Firma Fr. Müller da entgeht.

Was die Berechnungen des Herrn Lugt betrifft, so
stimmen die denn doch nicht so ganz. Einmal taxiert er
nach dem Handelswert, das andere Mal sagt er, daß die
Gemälde aus einer so berühmten Sammlung natürlich viel
höhere Preise brächten.

Die wirkliche Absicht merkt man aber aus dem Hinweis,
daß eine öffentliche Versteigerung (!) doch noch immer
Gelegenheit böte, den Ankauf des Vermeer zu bewerk-
stelligen. Sollte das aber wirklich mißglücken, nun, so
spare man recht viel Geld, um später, viel später vielleicht
den anderen noch übrigbleibenden Vermeer der Sammlung
Six zu kaufen.

Ich will hier offen sagen, daß ich diese Handlungs-
weise mißbillige und bedaure. Ich weiß ebensogut wie
Herr Lugt, daß die Regierung durch den Mitankauf einiger
Gemälde, die wir eigentlich nicht nötig haben, ein Opfer
bringt. Aber da die Familie Six als ausdrückliche Bedingung
stellte: entweder alles oder nichts — und dann die unsichere
Auktion, in der das Stück von Vermeer sehr gut 4 oder
500000 fl. bringen kann (was auch Herr Lugt für möglich
hält): da gab es eben keine andere Wahl als »alles« zu
nehmen.

Doch bei diesem »allen« sind noch Meisterwerke von
Metsu, Ostade, Judith Leyster,Adr. van de Velde und anderen.

Herr Lugt gibt allerhand Ratschläge. Sie alle wurden
schon versucht, scheiterten aber an dem »alles oder nichts«.
Wir wollen uns also lieber freuen über die Tat der Re-
gierung, die richtig einsieht, daß Niederland schon viel zu
viele Kostbarkeiten ins Ausland hat auswandern lassen,
als daß es noch mehr von dem Wenigen, was sich noch
im Privatbesitz befindet, über den Ozean ziehen lassen
dürfte. Am Schluß bemerkt Dr. Bredius noch, er habe
erfahren, daß ein großer amerikanischer Sammler die Familie
Six bereits um das Vorkaufsrecht gebeten habe, falls sich
die Sache mit der Regierung zerschlagen sollte.

Dieser Artikel blieb natürlich nicht ohne Erwiderung,
und auf sie folgte eine Gegenerklärung; wahrscheinlich
wird die Sache auch noch zu weiteren Erörterungen Anlaß
geben, auf die wir hier aber nicht näher eingehen können.
Das endgültige Ergebnis werden wir, wenn es so weit ist,
unsern Lesern mitteilen. k. f.

DAS KUNSTGEWERBE

IM PARISER HERBSTSALON

Die Pariser Ausstellungen ziehen immer weitere Kreise
und nehmen immer mehr Gebiete in ihren Bereich. Die
Societe nationale, damals nach dem Orte, wo ihre Ausstel-
lungen stattfanden, kurzweg Champ de Mars genannt, führte
vor achtzehn Jahren das Kunstgewerbe ein, vor drei Jahren
nahm der Herbstsalon auch die Musik auf und die Societe
nationale folgte dem Beispiele. Im diesjährigen Herbst-
salon gibt es nicht nur Musik, sondern auch Poesie: an
bestimmten Nachmittagen tragen Dichter oder Vortrags-
künstler die von der Jury gutgeheißenen Gedichte vor.
Wahrscheinlich wird sich die Societe nationale auch diesem
Beispiele anschließen, und bald wird es kein Gebiet der
 
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