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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Römischer Brief, [1]
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Schmidt, Karl Eugen: Der Pariser Herbstsalon
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0031

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Der Pariser

Herbstsalon

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tiven Tonfragmenten, auf dem gegen das Zirkustal
gerichteten Abhang, die man dem Tempel der Viktoria
aus dem 6. Jahrhundert vor Christus zuschreiben
will, ist das Neueste in der Palatinforschung. Aber
nicht nur in archäologischem Felde ist gearbeitet
worden. In allerletzter Zeit ist Rom um ein Monu-
ment, wie soll ich sagen, reicher geworden, aber leider
ist die Bereicherung nur in ganz materiellem Sinn
zu verstehen, denn das Material ist wohl das Einzige,
was man an dem neuenthüllten Grabdenkmal Leos XIII.
allenfalls loben könnte. Die Marmorarten sind schön, die
Bronze hat eine schöne Patina, und wenn man noch
weiter gehen wollte, könnte man wohl auch die
emsige Arbeit des Bohrers an dem reichgemusterten
Spitzenhemd des Papstes loben, aber das ist auch
alles.

Qiulio Tadolini schien es, um das Problem zu
lösen, ein monumentales Papstgrab in Rom zu bauen,
am einfachsten, sich an das Modell der spätbarocken
Gräber zu halten und das Schema ist auch ganz das
gleiche. Der Papst steht aufrecht, lehnt die Linke
an die Lehne des Thrones und erhebt die Rechte
segnend. Der Bildhauer hat an die berühmte Geste
Leos, wenn er in San Pietro getragen wurde, ge-
dacht. Wer aber den greisen Papst gesehen hat, wie
er sich mit fast übermenschlicher Kraft aus seinem
Stuhl erhob, wenn in dem mächtigen Dom der Zu-
ruf wie ein Sturm um ihn brauste, dem wird dieses
Staudbild wie eine Puppe vorkommen, der man die
materiell ähnliche Maske Leos XIII. vorgebunden hat.
Die Geisteskraft allein war es, die noch den hin-
schwindenden Körper aufrecht hielt und wie Feuer
aus den dunklen Augen in dem bleichen Antlitz
leuchtete. Wenn man das Monument anschaut, merkt
man eben nur, daß Leo häßlich war, weil eben seine
persönliche Schönheit, der Geist, der aus seinen Zügen
sprach, nicht wiedergegeben ist. Der bronzene Thron
steht auf einer großen Urne aus dunkelgrünem Mar-
mor und rechts und links von dieser liegen die zwei
Mannorfiguren, in welchen Tadolini die Religion und
den pilgernden Arbeiter hat versinnbildlichen wollen.
Leider tragen die zwei Statuen nicht zur Schönheit
des Grabmals bei, sondern erhöhen noch den Ein-
druck des Unorganischen, so nichtssagend ist ihr Aus-
druck und häßlich ihre Form.

Auf dem Grabmal steht stolz die Inschrift: Leoni
XIII Cardinales ab eo creati. Einen Dienst haben
diese Kardinäle weder ihrem Herrn noch der Laterans-
kirche geleistet.

Überhaupt sieht es mit der modernen Denkmal-
tätigkeit in Rom nicht allzu gut aus und geht man
so weit, daß man auch die wenigen schönen zeit-
genössischen Denkmäler durch Anhängsel entstellt.
So ist es dem schönen Denkmal Garibaldis auf dem
Janiculus gegangen, welches nach erlittener hundert-
jähriger Jubelfeier des Freiheitshelden wie eine Trödel-
bude aussieht, so zahlreich und häßlich sind die Kränze,
Büsten, Löwen, Wölfinnen und sonstiger patriotischer
Kram, mit welchem das einfache, imposante Posta-
ment bedeckt worden ist. Und die Denkmalswut,
die für einige Jahre Ruhe gehabt hat, scheint ärger

wie je zu erwachen; nicht weniger als fünf sind
jetzt in Arbeit und für alle fünf soll Platz geschafft
werden.

Und nun am Ende eine Nachricht, welche die
Herzen der Romliebhaber mit Freude, aber leider nur
mit platonischer Freude, erfüllen wird. Das Tribunal
hat den neuen Besitzer des Palazzo Giustiniani, welcher
den Hof fast seines ganzen herrlichen Skulpturen-
schmuckes beraubt hatte, um Geld daraus zu machen,
dazu verurteilt, den Schmuck in seiner alten Form,
wiederherzustellen. Nun die Frage: wie sollen die
längst ausgewanderten Reliefs und Statuen wieder
nach Rom geschafft werden? Jedenfalls ist der Richt-
spruch für die Zukunft wichtig und man wird sich
wohl damit begnügen müssen. FED. H.

DER PARISER HERBSTSALON
Der Herbstsalon ist das Stiefkind der Behörden,
und wenn Herr Dujardin-Beaumetz, der ehemalige
höchst mittelmäßige Soldatenmaler und gegenwärtige
Kunstzar der französischen Republik, könnte, wie er
gerne möchte, dann hätten wir im gegenwärtigen
Jahre die letzte Ausstellung der Herbstleute gesehen.
Aber unterdrücken werden sich die Künstler wohl
nicht lassen, wenn sie auch die behördlichen Schikanen
nicht verhindern können. Erst vier Tage vor der Er-
öffnung ließ der Staat die Herbstleute in das Grand
Palais einziehen, und in vier Tagen mußten die Säle
gereinigt und hergerichtet, die Wände neu überzogen,
die Bilder gehängt, die Skulpturen aufgestellt werden.
Um das fertig zu bringen, mußte eine ganze Armee
freiwilliger Arbeiter einspringen, und in diesen vier
Tagen sah man ein paar hundert Künstler in Hemd-
ärmeln hantieren, um Nägel einzuschlagen, Teppiche
und Vorhänge zu befestigen, Postamente aufzurichten
usw. Das ist nicht die einzige Schikane, die der Staat
dem Herbstsalon gemacht hat. Während er in früheren
Jahren wie die beiden Salons des Frühlings zwei Mo-
nate währte, hat man ihm heuer den Kunstpalast nur
gerade für drei Wochen überlassen, und es braucht
nicht erst ausgeführt zu werden, daß das einen großen
Schaden für die Aussteller bedeutet. Diese kleinliche
Feindseligkeit des gegenwärtigen Kunstzaren ist frei-
lich nicht ganz unbegründet. In den ersten Jahren
war der Herbstsalon wirklich ganz und gar in die
Hände der Händler der Rue Laffitte geraten. Nicht
die Künstler, sondern die Händler arrangierten die
ganze Geschichte und verfügten über den vorhandenen
Raum, und die gute Hälfte der ausgestellten Bilder
konnte man lange vorher schon in den Läden der
Rue Laffitte sehen. Der Herbstsalon war also bis zu
einem gewissen Grade der Bildermarkt, wo die Händ-
ler die bei ihnen lagernde Ware feilhielten. Und ob-
schon man in unserer praktischen und nüchternen
Zeit zugeben muß, daß auch der Künstler nicht vom
Ruhm allein leben kann, und daß die Ausstellungen
im Grunde nicht viel mehr sind als Märkte, so muß
man sich doch dagegen verwahren, daß die Händler
und nicht die Künstler selbst von diesen mit Unter-
stützung des Staates oder der Stadt veranstalteten
Märkten Nutzen ziehen.
 
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