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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Florentiner Brief, [3]
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Hevesi, Ludwig: Eine Goya-Ausstellung in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0182

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Eine Goya-Ausstellung in Wien

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Platz ist im Florentiner Staatsarchiv; erst von dort
aus kann die ungestörte Mitteilung des Wichtigen
darin erfolgen.

Und gerade jetzt ist der rechte Augenblick dafür
gekommen, wo die Verlagsanstalt Sansoni in Florenz
den Plan einer großen, monumentalen Neuausgabe
des Vasari bekannt gibt. Milanesis neun Bände sind
vergriffen; sie sind vielfach veraltet: das sei gesagt
mit allem Respekt für Carlo Milanesis Andenken,
dessen Verdienste vielleicht wenige so zu schätzen
vermögen als ich. Aber fünfundzwanzig Jahre der
Forscherarbeit haben eben doch eine ungeheuere Masse
neuen Stoffes ans Tageslicht gefördert. Sie zu über-
schauen ist heute der Einzelne schwerlich imstande,
und so hat der Herausgeber des »neuen Vasari«,
Giovanni Poggi, zahlreiche Fachgenossen des In- und
Auslandes zur Mitarbeit aufgefordert. Die einzelnen
Biographien werden von Spezialisten kommentiert
werden. Geplant ist, für die kleineren Meister wenig-
stens, Zusammenstellung des ganzen bisher bekannten
Materials. Ferner soll zum erstenmal wieder der Text
der Ausgabe von 1550 zum Abdruck gelangen.
Endlich denkt der Herausgeber daran, neben der
Vasari-Ausgabe zwanglose Hefte »Analecta Vasariana«
erscheinen zu lassen, in denen Fragen erörtert werden,
die damit in Zusammenhang stehen, größere Doku-
mente zum Abdruck gelangen, die die Ausgabe zu
sehr beschweren würden, kritische Bemerkungen zu
den Biographien usw. Ein großartiges, weit aus-
schauendes Unternehmen, von dem man nur wünschen
mag, daß es wirklich im laufenden Jahre begonnen
und in tunlichst kurzer Zeit zu Ende geführt werde.

G. Gr.

EINE GOYA-AUSSTELLUNG IN WIEN

Von Ludwig Hevesi

In der Galerie Miethke ist jetzt eine bedeutende Goya-
Ausstellung zu sehen. Ihr künstlerischer Leiter Karl Moll
hat voriges Jahr in Spanien aus vornehmem Privatbesitz
sechs hervorragende Ölbilder erworben und noch ein
Dutzend andere entlehnt. Dazu kommt eine umfassende
Schaustellung des ganzen graphischen Werkes, fast durch-
aus in vorzüglichen Abdrücken. Also jedenfalls ein Ereig-
nis, wie es außerhalb Spaniens kaum zu erwarten war.
Dort ist Goya der Held des Tages, seit seiner großen
Ausstellung im Jahre 1900, an dessen 11. Mai seine aus
Bordeaux heimgeholte Asche auf dem Kirchhofe San
Isidro (el Labrador) beigesetzt und diesem Schutzheiligen
Madrids auf die Knie gelegt worden. Dort wird jetzt un-
ablässig nach Goya geschürft und jeder Tag bringt Neues.
Aus den bereits aufgetauchten Studien und Skizzen zu
seinen Werken ließe sich, wie Don Narciso Sentenach y
Cabanas in seinem neuen Buche »La pintura en Madrid«
schreibt, ein ganzes Museum errichten. Freilich sind auch
die Fälscher eifrigst an der Arbeit. Und oft genug muß
Eugenio Lucas, der talentvolle Nachahmer Goyas, der aber
jetzt selbst schon gesammelt wird (wie der Corot-Nach-
ahmer Trouillebert) sich unter dem großen Namen ver-
kaufen lassen. Diese Spanier sind noch immer sehr
sammelbar, wie etwa das Beispiel des Malers Ignacio
Zuloaga beweist, der schon so viele Goya, Greco, Lucas
usw. beisammen hat. Auch gibt es kein Ausfuhrverbot
und andererseits lassen selbst hochgeborene Besitzer mit
sich reden. So kaufte Moll vom Duque de Veragua um

75000 Francs das erstklassige Originalbildnis des Torero
Pedro Romero, dessen Wiederholung von Goyas Hand
diesen Winter aus der Sammlung Rodolphe Kann um
120000 Francs an die Sammlung Huntington in New York
verkauft wurde. (Abgebildet im Burlington Magazine.)
Und vom Marques de Casa Torres erwarb er nach lang-
wierigen Verhandlungen das Prachtbildnis der jungen Gattin
des mit Goya befreundeten Kunstgelehrten Cean Bermudez.
(Abgebildet unter anderen im »Knackfuß«.) Aus der
Sammlung Don Solis Gil, Valencia, stammt eine große
Szene: Manola von Häschern festgenommen, ein packendes
Muster seiner Schwarzmalerei. Vom Marques de la Ro-
mana zwei kleine Kraftszenen: »Der Gehenkte« und »Fü-
silierung«, denen sich noch zwei ältere Don Quixoteszenen
in mehr Rembrandtscher Tonart zugesellen. Ein grund-
spanisches Meisterwerk ferner das so schwarz als möglich
gefaßte Bildnis eines Offiziers — es schwitzt Schwärze —
mit der Inschrift: »Fluctibus reipublicae expulsus. Pintado
pr. Goya 1815«.

Für Wien ist die Ausstellung um so wertvoller, als
es seit der Auswanderung der Esterhäzy - Galerie nach
Budapest, mit ihrer köstlichen Wasserträgerin und dem
Scherenschleifer, in keiner Galerie mehr ein Goyabild hat.
Über zwei in der interessanten Sammlung Gottfried Eisler
befindliche schwanken die Meinungen noch. Das eine ist
die von Goya auch lithographierte Szene des amerikanischen
Stierkämpfers Ceballos, das andere eine große Kommunion
in der Kirche, aus Sedlmayerschen Vorräten; beide üppig und
gewandt. Besser ist hier das graphische Werk vertreten. Die
Hofbibliothek besitzt vor allem eine erste Ausgabe der Capri-
chos, die 1892 für 580 Mark erworben wurde. (Nach Julius
Hofmanns vorzüglichemKatalogderGoyaschenGraphik »sehr
schöner Druck, etwas unrein im Papier«). Dazu eine Reihe
der Radierungen nach Velazquez, die seinerzeit zu den er-
heiternden Preisen von 18 Kreuzer bis 1 fl. 48 kr. »Kon-
ventions-Münze« erworben wurden. Heute rechnet man
schon ganz anders. Das Berliner Kupferstichkabinett be-
zahlte 1906 für den »Koloß« (Prometheus), von dem es
allerdings, da die Platte zerbrach, nur drei Exemplare
gibt, 2000 Mark, für andere seltene Blätter und für das
Unikum der Lithographie »Mönch« je 1000 Mark. Berlin
hat überhaupt in den letzten Jahren seinen graphischen
Goyabestand so gehoben, daß es gleich nach Madrid
kommt. An Lithographien steht es überhaupt voran. Mit der
Biblioteca Nacional wird sich ja nie eine Sammlung messen
können, da sie in den siebziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts alles erwarb, was die Akademie de San Fernando
aus dem Nachlaß Carderaras besaß, das heißt, was Goya
seinem Freunde Cean Bermudez an ersten Drucken ge-
geben hatte. Die Wiener Albertina kommt mit Goyasachen
weniger in Betracht. Im graphischen Teile der Miethke-
ausstellung ist das Wertvollste ein Exemplar der Desastres,
das Dr. Julius Hofmann 1905 aus der Sammlung des Don
Ricardo de Madrazo um 1500 Mark erwarb. Er beschreibt
es in seinem Goyakatalog ausführlich, denn es ist ein
Unikum; Probedruck »von einer Unmittelbarkeit und Frische,
einer Klarheit und Kraft, . . . daß man begreift, daß die
Autoren recht haben, die behaupten, Goya habe in den
Desastres den Gipfel der Kunst erreicht«. Übrigens sind sie
nicht aus Goyas Zeit, was die Papiere beweisen. Manche
Blätter sind nämlich auf Makulatur gedruckt, auf deren
Rückseite man Flaxmansche Umrißzeichnungen zur Ilias
und zu Dante sieht, und zwar von Piroli gestochen, aus einer
1860 erschienenen spanischen Ausgabe. Diese Probedrucke
sind also vor Fertigstellung der Platten für die erste Aus-
gabe (1863) angefertigt, um die Eignung verschiedener
Papiere und Töne von Druckfarbe zu prüfen. Für den
Verkauf war diese Folge nicht bestimmt; das geht aus
 
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