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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Osborn, Max: Berliner Ausstellungen
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Steinbach, H.: Ein deutscher Werkbund
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0064

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105

Ein deutscher Werkbund — Nekrologe

106

Verschmelzung lebensfähiger, weil ewig gültiger Ver-
gangenheitstraditionen mit völlig modernem malerischen
Empfinden, nach der wir uns sehnten, ohne zu wissen,
worauf unser Wünschen praktisch hinauslaufen würde.

Hodler soll jetzt in Jena in der neuen Universität
se'ne Kunst an einem würdigen Exempel zeigen.
Man hat ihm völlig freie Hand gelassen; sich auch
nicht auf gute Ratschläge im Gegenständlichen ein-
gelassen. Wieder ist's ein kleinerer deutscher Bundes-
staat, der mutig vorangeht. Wo bleibt Preußen? . . .

MAX OSBORN.

EIN DEUTSCHER WERKBUND

Am 5. und 6. Oktober hat in München die Gründung
einer neuen kunstgewerblichen Körperschaft stattgefunden
welche auch über die Reichsgrenzen hinausgreifen wirü
und an Stelle der ursprünglich in Aussicht genommenen
Bezeichnung »Deutscher Kunstgewerbebund« den Namen
-Deutscher Werkbund* erhalten hat. Diese neue Vereinigung
und ihre Ziele charakterisieren sich im allgemeinen schon
dadurch, wenn die Namen der Männer genannt werden,
denen die Vorstandschaft übertragen wurde und zwar,
das Amt des ersten Präsidenten an Theodor Fischer in
Stuttgart, des zweiten an den Großindustriellen Feter
Bruckmann in Heilbronn; die vorbereitende Ausschußmit-
gliedschaft an Peter Behrens und Bruno Paul in Berlin,
Schumacher in Dresden, Länger in Karlsruhe, Richard
Riemerschmid und Wilhelm in München, Kautsch und
Scharvogel in Darmstadt, Pankok in Stuttgart, Pantemus
und Pöschel in Leipzig, de Praetere in Zürich, Kltngspor
m Frankfurt a. M. und Hof mann in Wien: mithin eine Reihe
von Namen, deren Träger wir in der Öffentlichkeit als die
hauptsächlichsten Vertreter der modernen kunstgewerb-
lichen Bewegung kennen gelernt haben.

Soll nun aus den zahlreichen Reden und Erörterungen
der beiden Tage der Kern dessen herausgeschält werden,
was des näheren der neue Bund als seine Aufgabe be-
trachtet, so wäre zu bemerken, daß mit ihm zunächst ein-
mal ein engerer Zusammenschluß gleichstrebender Männer,
seien sie nun Künstler, Kunsthandwerker, Handwerker,
Industrielle oder Förderer der Künste, in die Wege ge-
leitet werden soll, ein Zusammenschluß, der sich sowohl
den Faktoren des öffentlichen Lebens gegenüber, als auch
hinsichtlich der vertretenen Sache selbst als notwendig
erweise. Was diese betreffe, so komme als Tätigkeits-
gebiet des Bundes lediglich die Arbeit in Betracht, das heißt
das Schaffen von der Architektur herab bis zum kleinen
Handwerk. Was auf diesen Gebieten die neueren Be-
strebungen an gediegenem, sachlichem und liebevollem
Gestalten zutage gefördert, soll in seinen Grundsätzen
durch die neue Organisation bis in die letzte Fabrik, in
die kleinste Werkstatt getragen werden. Das in Deutsch-
land tätig schaffende Leben, sei es durch die Hand, sei
es durch die Maschine bewirkt, soll zu jener Solidität zu-
rückgeführt werden, wie sie noch vor ungefähr 100 Jahren
uberall bei uns anzutreffen war. Mit anderen Worten:
Deutschland soll auf allen Gebieten künstlerischen oder
gewerblichen Lebens einer neuen kulturellen Durchdringung
entgegengeführt werden.

Fürwahr eine großartige Aufgabe, welche, wie auf der
Tagung schon hervorgehoben wurde, die Arbeit von Gene-
rationen erfordert. Man wird demnach zwar die Begründung
mit großer Freude zu begrüßen, immerhin aber abzuwarten

haben nu ~ — «v^uui,», unutviuiii auci auz.uwmi.cii

•eitenden iHg6rade diese °rganisation bestimmt ist, die
Unmöfxli h lhrer Verwirklichung entgegenzuführen,

s 'cn erscheint dies ja durchaus nicht, nachdem der

einstige hauptsächlichste Träger kunstgewerblicher Kultur
in Deutschland, der Bayerische Kunstgewerbeverein, seine
historische Mission erfüllt zu haben scheint und ein neuer,
verjüngter, dem groß und mächtig gewordenen Deutsch-
land entsprechender Zusammenschluß von erweiterter Ge-
stalt in der Tat zur Notwendigkeit geworden ist. Auf-
fallend und eben deswegen vorläufig zu einer gewissen
Zurückhaltung veranlassend erscheint nur eines, nämlich
daß München an den leitenden Persönlichkeiten des Bundes
so außerordentlich gering beteiligt ist — München, das die
neue Bewegung im Kunsthandwerk geboren und stark
gemacht, dessen Architektur mit Riesenschritten in Deutsch-
land voranschreitet, das einen großen Teil des aufgestellten
Programms bereits für sich erfüllt, man denke z. B. an die
glänzende Organisation des städtischen Fachschulwesens
durch Kerschensteiner, an die Bautätigkeit der Stadt-
gemeinde, auf Grund welcher, abgesehen von allen anderen
Faktoren, jedes Volksschulhaus schon jetzt von jener Ge-
diegenheit des Handwerks Zeugnis ablegt, welche gefor-
dert wird; wie denn überhaupt für die Vormachtstellung
Münchens, die auch äußerlich, nicht bloß durch die Wahl
als Gründungsort, hätte zum Ausdruck gebracht werden
müssen, hundert andere Dinge anzuführen wären.

H. STEIN BACH.

Unm

NEKROLOGE

Am 13. November verschied in Weimar, im vierund-
siebzigsten Lebensjahre stehend, Geheimer Hofrat Dr.
Karl Ruland, der ehemalige Direktor des Großherzog-
lichen und des Goethe-Nationalmuseums und frühere
Präsident der Goethe-Gesellschaft. Im April des vorigen
Jahres erst schied er aus seinen Ämtern aus, so daß er
das wohlverdiente otium cum dignitate nur kurze Zeit ge-
nossen hat. Ruland stammt aus Frankfurt a. M., wo er
am 15. Juli 1834 geboren wurde. Nachdem er zuerst
Theologie studiert hatte, widmete er sich später archiva-
lischen Wissenschaften und kunstgeschichtlichen Studien,
wurde später Bibliothekar und Privatsekretär des Prinz-
gemahls Albert und verblieb in dieser Stellung in England
acht Jahre lang bis zum Tode des geistvollen Prinzen.
Im Jahre 1870 nahm er, durch den verstorbenen Großherzog
Karl Alexander von Sachsen-Weimar veranlaßt, den Ruf als
Direktor des Großherzoglichen Museums in Weimar an. 1886
trat zu diesem Amte, als durch das Vermächtnis von Goethes
letztem Enkel Goethes Wohnhaus in den Besitz des Wei-
marischen Staates übergegangen war, die Leitung des
Goethe-Nationalmuseums, als dessen Direktor er haupt-
sächlich sich einen geachteten Namen in der Welt er-
worben hat. Nach Eduard von Simsons Tode wurde ihm
auch die Ehrenstellung eines Präsidenten der Goethe-
Gesellschaft übertragen, wozu niemand so berufen war
wie er, der mit verständnisvollem Sinn den (abgesehen
von den literarischen Schätzen) gesamten Nachlaß des
Dichters zu hüten berufen war und sein Leben und seine
Werke wie wenige kannte. Zahlreiche Gelehrte im In-
und Auslande haben ihm die Förderung ihrer Studien zu
danken, denn er war stets hilfsbereit und freute sich herz-
lich, wenn er die ihm unterstellten Museen der Wissen-
schaft dienstbar machen konnte. In seinem Verhältnis zur
modernen Kunst, der namentlich unter dem jetzt regieren-
den, jungen Großherzog in Weimar eine Stätte bereitet
wurde, war er vielleicht etwas ablehnender als es sich mit
seiner Stellung vertrug, und man konnte sich der Wahr-
nehmung nicht verschließen, daß die Verwaltung und Lei-
tung des Großherzoglichen Museums jetzigen Ansprüchen
nicht mehr genügte, eine Wahrnehmung, die angeblich sein
Ausscheiden aus seinen Ämtern veranlaßt hat. Das lite-
 
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