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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Graul, Richard: Ein neuer Vorschlag zur Förderung der Dresdener Kunstsammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0068

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XIX. Jahrgang 1907/1908

Nr. 7. 29. November.

monaten 1 ^""s.tchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
Kunst« erh ü ,?eptember monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Verlaesha rti Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und

&e dret^"»-11"81 ke.'ne °ewähr- Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
lspaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein

Vogler, Rud. Mosse usw. an.

EIN NEUER VORSCHLAG ZUR FÖRDERUNG
DER DRESDENER KUNSTSAMMLUNGEN

Wiederholt ist in den letzten Jahren darauf hin-
gewiesen worden — erst kürzlich wieder im sachsi-
schen Landtag —, daß den überfüllten Dresdener Kunst-
sammlungen eine neugestaltende Erweiterung dringend
not tut. Die Gemäldegalerie ist trotz mehrfacher Ab-
gaben von Bildern noch immer so gedrängt aufge-
stellt, daß von einem genußreichen Studium der
Meisterwerke schon lange nicht mehr die Rede ist, die
Schätze der Porzellansammlung sind magazinartig zu-
hauf getürmt und die Herrlichkeiten des Grünen Ge-
wölbes sind nur mit Schwierigkeit zu genießen. Im
allgemeinen darf bemerkt werden, daß die Kunst
der Aufstellung mit der wissenschaftlichen Bearbeitung
der Sammlungen nicht gleichen Schritt gehalten hat,
nicht halten konnte, weil keiner der vielen Samm-
lungen • -

technischen~ Reihen"'^* ™ geschichtlichen oder

Wert,

sondern auch als ästhetische

der'knnc0uZUfÜIlren- Denn nach der Geltendmachung
Epochen,"»'Ä1 Vorbildlichkeit, die in Werken aller

-..gen genügend Raum "zur Verfügung stand, um die
Kunstgegenständr
sehen Reih
: vorzuführt
ünstlerische,

—-ien zu finden ist, verlangt unsere langsam stei-
gende Geschmackskultur. Dieser auch der selbständig-
sten modernen Künstlerkraft als Stimmgabel dienende
Kunstwert am Alten muß hervorgehoben werden mit
allen Mitteln einer feinsinnig wägenden und unvordnng-
üch stimmenden Kunst der Aufmachung.

Die großen Privatsammler sind in dieser Kunst der
geschmackvollen Vorführung voran gegangen, aucn
einige deutsche Museen haben sich bemüht oder sind
bestrebt, ihre Vorstände im Sinne der gesteigerten
Geschmacksansprüche anziehender und damit
besten Sinne wirkungsvoller darzubieten
gegenwärtig nicht mehr zu machen war, hat uns
die prunkvolle Inszenierung des Bayerischen Naüonal-
museums gezeigt denn es ist eine künstlerische
Barbarei, wenn man die herrlichsten Kunstwerke zu
dekorativen Effekten verwendet, bei denen das Einzelne
'm vorlauten Ganzen untergeht. Wie es nicht mehr
angeht, zeigt es nicht auch das längst mit Stoff uber-
fütterte Germanische Museum, das allmählich zu einem
balastreichen Magazin angeschwollen ist, das seine be-
schränkten engen Räumen zu sprengen droht. Welche
N«t allerorten
großen ganz

Wie

im

es

in den Kunstgewerbemuseen, an den
besonders, die die Wandlung von der

technologischen zur historischen und kulturgeschicht-
lichen Aufstellung durchmachen und nur in wenigen
Fällen den Anforderungen veredelnder Geschmacks-
bildung in der Vorführung ihrer Schätze genügen!
Museen, die bei vorwiegend technischen oder lokal-
historischen Sammlungsinteressen wissenschaftlich an
erster Stelle marschierten, erscheinen jetzt merkwürdig
zurückgeblieben in der Nutzbarmachung ihres Besitzes.
Wie die Schätze dort in Serien liegen und wie sie in
den Dresdener Sammlungen zusammengedrängt sind,
verfehlen sie zumeist ihre gemeinnützige Wirkung. Sie
sind ein totes Kapital, wo sie doch Leben wirken, an-
spornen sollten zu gleich tüchtigem Schaffen, aneifern
zum Übertreffen der Altvorderen!

Diese Übelstände und Unterlassungssünden sind
gerade in den Kreisen der Museumsleiter oft und tief
empfunden worden. In Dresden gerade haben sie zu
mannigfachen Besserungsvorschlägen geführt. Zunächst
sollte der Überfüllung der Gemäldegalerie dadurch
abgeholfen werden, daß man einen Neubau errichtet.
Doch erst im nächsten oder übernächsten Etat kann
nach den Ausführungen des Staatsministers von Rüger
an die Möglichkeit eines neuen Museums gedacht werden.
Ein anderer Vorschlag zur Beseitigung der Dresdener
Museumskalamität kommt nun aus der Generaldirektion
der Königl. Sächsischen Kunstsammlungen: Woldemar
von Seidlitz ist in einer »Kunstmuseen« betitelten
Broschüre, die im Verlage von E. A. Seemann in Leipzig
kürzlich erschienen ist, mit einem neuen »Vorschlag
zur Begründung eines Fürstenmuseums in Dresden«
hervorgetreten.

Seidlitz plädiert um die Errichtung eines neuen
Museums, das im wesentlichen aus einer Auswahl
solcher Kunstgegenstände aus allen Dresdener Samm-
lungen bestünde, die geeignet sind, ein Bild
der künstlerischen Kultur unter der Herrschaft der
sächsischen Fürsten albertinischer Linie zu geben.
In der Tat spielt ja Sachsen vom Beginn des 16. bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland ge-
schichtlich und kunstgeschichtlich eine wichtige, in
manchem Betracht ausschlaggebende Rolle. Es leuchtet
ein, daß diese künstlerische Entwickelung vom Aus-
gang der Gotik bis um 1800 mit den Mitteln der
an vielen Orten verstreuten königlichen Sammlungen
vorzüglich illustriert werden kann. Es hat sich tat-
sächlich so viel Gutes erhalten, daß selbst bei einer
 
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