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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Freise, Kurt: Ausstellung holländischer Gemälde aus Rotterdamer Privatbesitz in Rotterdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0013

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Ausstellung holländischer Gemälde aus Rotterdamer Privatbesitz in Rotterdam

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Einfachheit und Natürlichkeit in der Anordnung, so-
wie durch das frische Kolorit der glänzenden, rot-
bäckigen Äpfel — man denkt dabei unwillkürlich an
gewisse moderne Sachen.

Das Jan Weenix genannte Tierstück ist wohl von
anderer Hand, dagegen echt und sehr interessant der
große, voll bezeichnete und 1703 datierte Hühnerhof
von Hendrik ten Oever.

Andere Stilleben von J.Jansz v. d. Velde, Jacomo
Victor, Vonck und anderen übergehen wir, um uns
dem Clou — den nun einmal jede Ausstellung, ob
sie will oder nicht, haben muß — zuzuwenden. Aber
keine Sensationsbegier oder Effekthascherei macht die
drei nebeneinander hängenden Landschaften von Jan
van Qoyen dazu, sondern grade ihre Einfachheit und
geschlossene Tonschönheit, das innige Verhältnis ihres
Schöpfers zur Natur, das sie so warm ausstrahlen.
Zwei dieser Bilder zeigen eine kleine Brücke, von ver-
schiedenen Seiten aufgenommen und auch wohl gleich-
zeitig, nach dem Datum des einen, 1630 entstanden:
so wie Goyen dies Brückchen und seine Umgebung
sah. Aber wie sah er! Und er hielt nicht eine plötz-
liche, schnell wieder zu enteilen drohende Impression
mit hastendem Pinsel fest, sondern schilderte den
tiefen Eindruck, den auch ein ganz anspruchsloses
Plätzchen seiner heimatlichen Landschaft auf ihn, den
Künstler, machen konnte, und hauchte auch über sie
etwas von der heißen Liebe, die die holländische
Luft, die holländische Sonne täglich ihm im Herzen
auslösten. Sein stetiges Fortschreiten als Maler können
wir aus dem Vergleich dieser beiden Stücke mit dem
dritten, dem fünf Jahre später gemalten »Bauernhaus«
sehr hübsch beobachten. Kaum merklich hat der
blonde Ton einen Stich ins Grünliche bekommen.
Zwei Rundbildchen aus seiner frühesten Periode zeigen
ihn dagegen noch ganz unter dem Einfluß des
E. v. d. Velde. Die hier ausgestellten Gemälde sind
zwar schon bekannt gewesen (das »Bauernhaus« stammt
aus der ehemaligen Sammlung Rothan in Paris und
ist bereits bei Woltmann und Wörmann abgebildet; die
beiden anderen waren 1903 auf der Goyen-Ausstellung
in Amsterdam), aber sie haben wohl kaum so stark
und zwingend auf den Beschauer gewirkt, wie in
diesem Milieu. Andere hübsche Landschaften sind da
von Pieter Molyn, von /. v. Ruisdael Isaacsz, von
Salomon van Ruysdael, und zwar ist diese äußerst
duftig gemalt in hellem, grüngelbem Ton, von Isaac
v. d. Vinne und anderen.

Unter den Marinebildern erwähnen wir einen Belle-
vois, weil dieser Rotterdamer Meister seltener vor-
kommt, ferner eine für A. Storck überraschend gute
und große Ansicht des malerisch an dem von zahl-
reichen Schiffen belebten Wasser gelegenen Mont-
albaansturmes in Amsterdam, der öfter, wie z. B. von
L. Backhuysen in einem ähnlich komponierten Bilde
beim Herzog von Wellington, gemalt wurde. Es sind
ferner da Marinen von /. v. d. Cappelle, von Pieter
Mulier und Reinier Nooms, gen. Zeeman.

Auch bei den zahlreichen Genrebildern beschränken
wir uns auf die Erwähnung der interessantesten Stücke.
Die kleine »Wahl des Freiers« von Cornelis Cornelisz

(datiert 1596) zeigt uns den großen Haarlemer Aka-
demiker und Aktvirtuosen deutlicher als gar nicht so
üblen Maler. Über den frischen Farben liegt ein das
Ganze zusammenhaltendes Silbergrau. Adriaen v. d.
Venne begegnen wir in einer farbig getönten Bettler-
figur, die natürlich auch das Abrupte des uns aus
den sittenbildlich - satirischen Grisaillen bekannten
Venneschen Pinselstriches hat. Den Namen Pieter
Quast trägt eine nach rechts erweiterte alte Kopie der
im Haag befindlichen »Karfenspieler«. Das zweite
Brouwer-artige Stück »Nasenbluten« ist dagegen echt
und in der Ausführung und Charakteristik sehr gut.
Pieter Poiter befriedigt mit einer in einem Innenraum
spielenden Plünderungsszene vor allem durch die gute
Lichtbehandlung. Im zweiten Grund links — er hat
den Raum in der Weise des Teniers gewissermaßen
in zwei Bühnen geteilt — haben wir sogar ein regel-
rechtes Helldunkel. Die Typen aber, insbesondere
die der Frauen, erheben sich nicht über seine ge-
wöhnliche derbe Art. Von Gerrit Lundens, dem
Maler, der durch seine Kopie der Nachtwache reich-
lich von sich reden gemacht hat, ist eine etwas bunte,
im Stil des J. M. Molenaer gehaltene Bauernhochzeit
ausgestellt, sowie ein Kirmeßbild. Dies letztere ist
insofern amüsant, als man hier noch deutlich in Fi-
guren und Farbenkomposition Lundens' Nachtwache-
studien spüren kann. Von rechts her kommt ein Zug
herangeschritten, der von einem jungen Paar ange-
führt wird, das sein Auftreten und die Farben seiner
Kostüme dem Frans Banning Cocq und seinem Leut-
nant abgesehen hat. Links mehr zurück leuchtet —
genau wie bei Rembrandt — ein zifrongelbes Kleid
hervor, dessen Wirkung Lundens noch stärker betont
durch eine scharfkantige Überschneidung von einer in
Tiefrot und Schwarz gekleideten Frau im Vordergrund.
Man mag dieser Arbeit »frei nach Rembrandt« nur
den ihr gebührenden geringen Kunstwert beimessen;
es ist psychologisch aber vielleicht doch nicht ganz
belanglos, wenn man hier Lundens so frei mit Rem-
brandts künstlerischem Eigentum schalten sieht. Er
wollte keineswegs kopieren, er wollte wahrscheinlich
auch nicht, daß jeder die Anleihen bei Rembrandt
sofort merken sollte — und bei flüchtiger Betrachtung
ist sie in der Tat auch leicht zu übersehen — so daß
die Sache ein ganz klein wenig nach Plagiat riecht.
Jedenfalls bekommen wir auf diese Weise von seiner
Ehrfurcht vor dem gewaltigen Original mit seiner
einzigartigen Komposition keinen allzuhohen Begriff.

Als Kunstwerk höchst anziehend ist dagegen ein Rund-
bildchen mit einer Soldaten wacht von Benjamin Cuyp;
also etwas Seltenes! Den sonst von ihm beliebten
strohgelben Ton vermissen wir gern und sind doppelt
erfreut, dafür in einem feinen grünlichen Bronzeton
ein pikantes Licht- und Schattenspiel zu erblicken.
Derselben Freude an starken Lichtkontrasten haben
auch die vielen Bilder mit Darstellungen von nächt-
lichen Feuersbrünsten ihr Entstehen zu verdanken,
von welcher Gattung hier zwei Bilder als Pendants
gehängt sind. Man kann so deutlich die Überlegen-
heit E. v. d. Poels über A. da Colonia sehen. Ein
Gemälde von Arnold Houbraken, natürlich eine
 
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