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erstere, indem er seine rechte Hand segnend erhebt, der
letztere, dass er mit von Christo abgewandtem Angesicht
seine rechte Hand an die Stirn des Herrn iegt, während er
in seiner linken ein Salbengefäss hält. Johannes gegenüber
steht auf einem Stein ein kleiner geflügelter Engel.
Das Wasser des Jordans legt sich wie steifes gefal-
tetes Zeug um den Leib Christi. Um die Häupter der drei
Personen sind keine Nimben. Ähnliches zeigt auch der vom
Jahre 1463 datirte Taufstein im Münster zu Basels), wo
Christus im Jordan mit zusammengefalteten Händen steht,
und der Täufer mit einem Gefäss in seiner linken Hand, die
rechte gegen Christum hinweisend, erhebt, welchem ein
Engel das Trockentuch haltend, gegenüber steht. Hier ist
der Nimbus wieder bei allen drei Personen, und das
Wasser des Jordan hat in seiner Darstellung sehr viel
Ähnlichkeit mit demjenigen, welches auf unserer hier dar-
gestellten Abbildung Fig. 2 ersichtlich ist. Wir betrachten
nun nach den vorhergegangenen Schüderungen ähnlicher
Darstellungen vom XI. bis XV. Jahrhundert etwas genauer
unsere Abbildung, bei welcher wir eine auffallende Ähn-
mit den drei erstgenannten älteren Taufen erkennen, indem
Christus, so weit solches dem Künstler gelingen wollte, noch
jugendlich und ohne Bart dar^estellt ist. Auffallend ist
ferner, dass der Täufer auch bartlos ist, während doch
auf allen vorgenannten Darstellungen derselbe mit Bart er-
scheint. Betreffend seine Stellung, ist solche, mit Ausnahme
des von Christo abgewandten Gesichtes, ganz den genann-
ten drei ersten Abbildungen gleich. Dass wir hei dieser
Taufe die Dreieinigkeit nicht mit dargestellt sehen, hat
ihren Grund darin, weil die Trinität auf diesem Kreuzpedal
als eine besondere Darstellung neben der Taufe Christi
dasteht, und somit die nahen Beziehungen, welche diese
vier Darstellungen unter dem Kreuze Christi haben, nur um
so augenfälliger erscheinen lassen. Der innere Zusammenhang
dieser vier Darstellungen kann nicht wohl anders gedeutet
werden, als dass der am Kreuze hängende Erlöser wahr-
haftig Gottes eingeborener Sohn (dargestelit durch das
Bild der Trinität) sei, welcher geboren aus Maria der Jung-
frau (Inhalt des zweiten Bildes), durch die Leidenstaufe
Lucas XII. 30 (hier durch die Taufe im Jordan dargestellt),
der die Welt errettende Erlöser durch seinen Tod am
Kreuze geworden ist, und nun nach vollbrachtem Erlösungs-
werke sitzet zur rechten Hand seines Vaters, um wiederzu-
kommen als der Bichter der Welt (dargestellt auf der
vierten Fläche unseres Kreuzpedales). Diese ganze theolo-
gische Zusammenstellung stimmt auch sehr mit den von
Bischof von Bernward in Hildesheim verfertigten Kunst-
arbeiten überein, so dass kaum daran zu zweifeln ist, dass
wir in diesem Kreuzpedale nicht eine Arbeit aus seiner
Schule besitzen sollten. Wir werden aber noch mehr darauf
geführt, diesen Kreuzfuss als von Bischof Bernward her-
rührend zu erklären, wenn wir ihn mit jenem Crucilixfuss
vergleichen, welcher sich im Kirchenschatze der Abtei
St. Michaelis in Lüneburg befindet i) und ohne Zweifel
auch von Bischof Bernward herrührt. So wie an unserem
hier abgebildeten Pedale sitzen auch dort auf den vier
Ecken des Fusses vier schreibende Figuren, welches wohl
die vier Evangelisten sein sollen, wenn sie gleich nicht
durch weitere Attribute bezeichnet sind. Die Darstellungen
auf dem Lüneburger Pedale zeigen in ihrer Anordnung die
Grundidee, dass wie die Menschen durch die Missethat
des ersten Adam alle sterhen müssen, also werden sie
durch den zweiten Adam, Christum, alle lebendig gemacht
nach der Schriftsteile: I. Korinth. XV., 22.
Werke von Albrecht Dürer in der k. k. Ambraser-Sammlttng.
Von Ed. Freih. v. Sacken.
(Mit einer Tafei.)
Die an Kunstwerken des späteren Mittelalters, beson-
ders aber des XVI. Jahrhunderts so reiche Ambraser-Samm-
lung zählt zu ihren Perlen einige Werke von Dürer, die-
sem herrlich glänzenden Stern am reich gestirnten Himmel
der deutschen Kunst, der wohl von aller Welt gepriesen
und bewundert wird, aber noch immer nicht vollständig und
allgemein genug gekannt ist, denn die wahrhaft uner-
schöpfliche Productionskraft und geistige Energie dieses in
jeder Beziehung, in Empfindung, Auffassung und Form-
gebung, in seiner idealen Hingabe an die Kunst und liebe-
vollem Studium der Natur, wie in seinem tiefen Erfassen
und der treuen Wiedergabe der Erscheinungen des Lebens
echt deutschen Künstlers, hat eine solche Masse von
Werken geschaffen, dass trotz der zahlreichen bekannt
gemachten noch eine viel grössere Menge, von wenigen
gesehen und nicht einmal dürftig beschrieben, in den Samm-
lungen ruht. Wie wenige von den wundervollen Zeichnun-
gen, welche die in dieser Beziehung reichste Sammlung,
nämlich die des Erzherzogs Albrecht in Wien enthält, sind
herausgegeben, nicht zu reden von den vielen in englischen
und deutschen Museen befindlichen! Erst vor Kurzem zog
Dr. Rössler in der Bibliothek zu Erlangen eine Partie
altdeutscher Handzeichnungen an's Tageslicht, unter denen
sich 22 Dürer befanden.
Handzeichnungen haben immer ein besonderes kunst-
geschichtliches Interesse, sie eröffnen einen Blick in das
innerste Wesen und Schaffen des Künstlers, dessen Genius
hier frei waltet ohne Absicht auf den Beifall der Welt,
unbeengt von technischen Hindernissen; sie sind daher zur
richtigen Würdigung eines Künstlers von grösster Bedeu-
17*
i) Beschreibung der Münsterkirche in Baset.
erstere, indem er seine rechte Hand segnend erhebt, der
letztere, dass er mit von Christo abgewandtem Angesicht
seine rechte Hand an die Stirn des Herrn iegt, während er
in seiner linken ein Salbengefäss hält. Johannes gegenüber
steht auf einem Stein ein kleiner geflügelter Engel.
Das Wasser des Jordans legt sich wie steifes gefal-
tetes Zeug um den Leib Christi. Um die Häupter der drei
Personen sind keine Nimben. Ähnliches zeigt auch der vom
Jahre 1463 datirte Taufstein im Münster zu Basels), wo
Christus im Jordan mit zusammengefalteten Händen steht,
und der Täufer mit einem Gefäss in seiner linken Hand, die
rechte gegen Christum hinweisend, erhebt, welchem ein
Engel das Trockentuch haltend, gegenüber steht. Hier ist
der Nimbus wieder bei allen drei Personen, und das
Wasser des Jordan hat in seiner Darstellung sehr viel
Ähnlichkeit mit demjenigen, welches auf unserer hier dar-
gestellten Abbildung Fig. 2 ersichtlich ist. Wir betrachten
nun nach den vorhergegangenen Schüderungen ähnlicher
Darstellungen vom XI. bis XV. Jahrhundert etwas genauer
unsere Abbildung, bei welcher wir eine auffallende Ähn-
mit den drei erstgenannten älteren Taufen erkennen, indem
Christus, so weit solches dem Künstler gelingen wollte, noch
jugendlich und ohne Bart dar^estellt ist. Auffallend ist
ferner, dass der Täufer auch bartlos ist, während doch
auf allen vorgenannten Darstellungen derselbe mit Bart er-
scheint. Betreffend seine Stellung, ist solche, mit Ausnahme
des von Christo abgewandten Gesichtes, ganz den genann-
ten drei ersten Abbildungen gleich. Dass wir hei dieser
Taufe die Dreieinigkeit nicht mit dargestellt sehen, hat
ihren Grund darin, weil die Trinität auf diesem Kreuzpedal
als eine besondere Darstellung neben der Taufe Christi
dasteht, und somit die nahen Beziehungen, welche diese
vier Darstellungen unter dem Kreuze Christi haben, nur um
so augenfälliger erscheinen lassen. Der innere Zusammenhang
dieser vier Darstellungen kann nicht wohl anders gedeutet
werden, als dass der am Kreuze hängende Erlöser wahr-
haftig Gottes eingeborener Sohn (dargestelit durch das
Bild der Trinität) sei, welcher geboren aus Maria der Jung-
frau (Inhalt des zweiten Bildes), durch die Leidenstaufe
Lucas XII. 30 (hier durch die Taufe im Jordan dargestellt),
der die Welt errettende Erlöser durch seinen Tod am
Kreuze geworden ist, und nun nach vollbrachtem Erlösungs-
werke sitzet zur rechten Hand seines Vaters, um wiederzu-
kommen als der Bichter der Welt (dargestellt auf der
vierten Fläche unseres Kreuzpedales). Diese ganze theolo-
gische Zusammenstellung stimmt auch sehr mit den von
Bischof von Bernward in Hildesheim verfertigten Kunst-
arbeiten überein, so dass kaum daran zu zweifeln ist, dass
wir in diesem Kreuzpedale nicht eine Arbeit aus seiner
Schule besitzen sollten. Wir werden aber noch mehr darauf
geführt, diesen Kreuzfuss als von Bischof Bernward her-
rührend zu erklären, wenn wir ihn mit jenem Crucilixfuss
vergleichen, welcher sich im Kirchenschatze der Abtei
St. Michaelis in Lüneburg befindet i) und ohne Zweifel
auch von Bischof Bernward herrührt. So wie an unserem
hier abgebildeten Pedale sitzen auch dort auf den vier
Ecken des Fusses vier schreibende Figuren, welches wohl
die vier Evangelisten sein sollen, wenn sie gleich nicht
durch weitere Attribute bezeichnet sind. Die Darstellungen
auf dem Lüneburger Pedale zeigen in ihrer Anordnung die
Grundidee, dass wie die Menschen durch die Missethat
des ersten Adam alle sterhen müssen, also werden sie
durch den zweiten Adam, Christum, alle lebendig gemacht
nach der Schriftsteile: I. Korinth. XV., 22.
Werke von Albrecht Dürer in der k. k. Ambraser-Sammlttng.
Von Ed. Freih. v. Sacken.
(Mit einer Tafei.)
Die an Kunstwerken des späteren Mittelalters, beson-
ders aber des XVI. Jahrhunderts so reiche Ambraser-Samm-
lung zählt zu ihren Perlen einige Werke von Dürer, die-
sem herrlich glänzenden Stern am reich gestirnten Himmel
der deutschen Kunst, der wohl von aller Welt gepriesen
und bewundert wird, aber noch immer nicht vollständig und
allgemein genug gekannt ist, denn die wahrhaft uner-
schöpfliche Productionskraft und geistige Energie dieses in
jeder Beziehung, in Empfindung, Auffassung und Form-
gebung, in seiner idealen Hingabe an die Kunst und liebe-
vollem Studium der Natur, wie in seinem tiefen Erfassen
und der treuen Wiedergabe der Erscheinungen des Lebens
echt deutschen Künstlers, hat eine solche Masse von
Werken geschaffen, dass trotz der zahlreichen bekannt
gemachten noch eine viel grössere Menge, von wenigen
gesehen und nicht einmal dürftig beschrieben, in den Samm-
lungen ruht. Wie wenige von den wundervollen Zeichnun-
gen, welche die in dieser Beziehung reichste Sammlung,
nämlich die des Erzherzogs Albrecht in Wien enthält, sind
herausgegeben, nicht zu reden von den vielen in englischen
und deutschen Museen befindlichen! Erst vor Kurzem zog
Dr. Rössler in der Bibliothek zu Erlangen eine Partie
altdeutscher Handzeichnungen an's Tageslicht, unter denen
sich 22 Dürer befanden.
Handzeichnungen haben immer ein besonderes kunst-
geschichtliches Interesse, sie eröffnen einen Blick in das
innerste Wesen und Schaffen des Künstlers, dessen Genius
hier frei waltet ohne Absicht auf den Beifall der Welt,
unbeengt von technischen Hindernissen; sie sind daher zur
richtigen Würdigung eines Künstlers von grösster Bedeu-
17*
i) Beschreibung der Münsterkirche in Baset.