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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 8.1863

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Nr. 8 (August 1863)
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Weiss, Karl: Die Elfenbein-Reliquientafel des Domschatzes zu Agram
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Kleine Mittheilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25927#0244

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— 234

der Umstand, dass bei der ersten Vorsteliung ein Eingang
dargesteiit ist, wo ein Vorhang die Stetie der Thüre ver-
tritt und die Häuser offen gedacht sind. Dies gibt wohi der
Vermuthung Raum, dass das Eifenbeinschnitzwerk in einem
stidiich getegenen Lande angefertigt wurde. Berücksichti-
gen wir dagegen den Umstand, dass in dem Schnitzwerke
die Linien der Figuren dem antiken Gefühle nicht mehr

Zusagen, und vielmehr dem Übergange einer Bildungsweise
sich nähern, wie wir derselben auf romanischen Miniaturen
begegnen, so scheint Grund zur Annahme vorhanden zu
sein, dass dasselbe entweder im X. oder XI Jahrhundert
entstanden ist. Gegen eine jüngere Datirung sprechen die
neueren Forschungen, die über ähnliche Kunstwerke ange-
stellt wurden.

Kleine Hittheilungen.

zu Reg;ensburg\
In altersgrauer Vorzeit befand sich auf der Stelle, welche der
bajuwarische Herzog Theodo dazu erwählte, um durch den Bau
eines Benedictinerklosters den Tod des 632 unschuldig gemordeten
heil. Emeram zu sühnen, ein dem Hercules geweihter Hain. Kaiser
Adolf erhob 1295 dies Kloster zu einem gefürsteten Stifte, dessen
Abt bei Reichstagen auf der Prälatenbank sass. Unendlich reich ist
die alte Klosterkirche an Grabmonumenten längst verklungener Zeit,
die zu sehen allein eine Reise nach Regensburg verlohnt. Der im
Jahre 994 entschlafene Bischof Wolfgang trennte die bischöfliche
Würde von dem abteilichen Amte zu St. Emeram, und baute eine
eigene bischöfliche Residenz, den sogenannten Bischofshof. Derselbe
Kirchenfürst löste Böhmen von seinem Bisthume ab und setzte dem
Volke der Slaven zu Prag einen eigenen Bischof in der Person
Adalbert's, der die christliche Lehre mit seinem Blute vertrat i).
Die innere Vorhalle von St. Emeram, deren Entstehung in's
Jahr 1052 fällt, bildet das Ende eines ehemaligen Paradieses, eines
längeren Ganges mit Arcaden einer- und Wandnischen andererseits,
die aber meist zerstört und verschüttet sind. In der Vorhalle, welche
AbtReginward erbauen Hess, erblickt der Beschauer oberhalb des
Heinrichstuhles drei alte Holzsculpturen von je 3 Schuh Höhe aus
dem XI. Jahrhundert, welche den Erlöser der Welt, St. Emeram
und St. Dionys vorstellen. Die eben erwähnten Gebilde gelten in der
Kunstgeschichte als die ältesten Sculpturen dieser Art in Deutsch-
land, und erinnert deren Erscheinung fast an altägvptische Gestal-
ten, wie sich Dr. Sighart im I. Bande seiner Geschichte der
bildenden Künste im Königreich Bayern sehr bezeichnend
ausdrückt. In diesem Prachtwerke zeigt uns Seite 105 ein Holzschnitt
die mittelste dieser ungemein interessanten Statuen, welche, voll Ernst
den sitzenden Heiland mit erhobener Hand vorstelit, auf der Vorder-
seite seines Fussschämels den AbtReginward, der von 1049—1061
regierte, zur Schau tragend.
Unterhalb dieses Salvatorbildes erblickt man den erwähnten
steinernen Stuhl von äusserst einfachen, ja man möchte sagen
starren Formen, aus einem Stück sehr harten Kalksteines gemeisselt.
Alterthumsforscher setzen dessen Entstehung ins X. oder XI. Jahr-
hundert und behaupten, dass derselbe zu der erwähnten Zeit in der
östlichen Apsis der Kirche gestanden und bei kirchlichen Feierlich-
keiten dem Bischöfe von Regensburg und später dem Abte von
St. Emeram, mit kostbaren Tüchern überlegt, als Ehrensitz gedient
habe.
Auf einer Steinplatte, welche den Boden berührt, ruhen zwei
sehr verstümmelte, mit de:) Köpfen etwas auswärts gewendete
Löwen und eine 8 Centimeter dicke, geradlinige Wand, welche diese
beiden symbolischen Thiere scheidet. Auf dieser Scheidewand wie

i) Vgt. hierüber Künstler und Kunstwerke der Stadt Regensburg, ein
Beitrag zur Kunstgeschichte Attbayerns von A. Niedermaier.
Laudshut i857.

den Köpfen der romanisch stylisirten Löwen, ruht der eigentliche
Steinsitz mit mehr als halbzirkelförmiger, sehr hoher Lehne. Die
Tiefe des Sitzes, vom vordem Rande an gemessen, beträgt 50 und
die vordere Weite desselben 65 Centimeter, die Dicke des Sitzes
wie der Seitenwände 6, jene der Rückwand aber, deren obere


Häifte fehlt, 7 Centimeter. Die fehlende Rückwand schloss höchst
wahrscheinlich — einen erhöhten Halbkreis beschreibend — das
Ganze in würdiger Weise nach oben ah und war wohl mit einer
Umschrift versehen. Die Höhe des ganzen Stuhles, vom Boden bis
zum obern Rande der Lehne misst 105, jene der letzteren allein 53,
wonach für die Löwen mit deren Untersatz 46 Centimeter bleiben,
die Dicke des Sitzes durch 6 Centimeter ausgedrückt. Um etwas
Schwung in dieses starre Gebilde zu bringen, fand der Bildhauer es
für gerathen, die Enden der Löwenschweife dem Steinsitze gleichsam
als Mittiäger anzuschtiessen. Das Ganze bat aber vom Zahne der
Zeit und den Unbilden des Menschen so viel gelitten, dass der Alter-
thumsfreund diesen Steinsitz nur mit tiefer Wehmuth betrachten
kann. Die ungemeine Härte seines Gesteines schützte ihn wohl allein
nur vor gänzlichem Untergange.
In Schöppner's Sagenbuch der bayerischen Lande wird irrthüm-
lich erzählt, dass der spätere Kaiser Heinrich II. oder der Heilige
von seiner väteriichen, drei Stunden von Regensburg entfernten Burg
zu Abbach, wo er am 6. Mai 972 das Licht der M eit erblickte, sehr
oft Morgens nach St. Emeram gepilgert sei, hier die heilige Messe
zu hören und bis zu deren Beginn auf dem Stuhie Platz zu nehmen.
Während der Abwesenheit und Vertreibung Herzog Heinrieh'sll. (von
 
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