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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 8.1863

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Nr. 4 (April 1863)
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kleine Mittheilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25927#0124

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hoch oben hegende Rundbogenfenster, für deren Anordnung durch
Stichkappen gesorgt werden musste. Der Meister wirft das Gerüst
einer idealen Architectur über die ganze Bilddäche, ordnet Pilaster
an, die mit vorgekröpftem prächtigem Gesimse einen Marmorbau ab-
schliessen, so dass die Fläche des Spiegelgewölbes einen Blick in
den blauen Himmel zu gewähren scheint. In dieser Öffnung breitet er
wie auf ausgespannten Teppichen in neun Bildern die Geschichten
der Genesis, den Hauptinhalt der ganzen Composition aus. Man sicht
in fünf Scenen den Act der Schöpfung, zuerst der Welt, dann des
Menschen. Dann folgen Sündenfall und Vertreibung aus dem Para-
diese, das Opfer Abels und Kains, die Sündtluth und Noahs Trunken-
heit. Auch diese Bilder sind abwechselnd grösser und kleiner, denn
fünfmal beschränkt, der Meister ihren Raum durch bronzefarhige
Medaillons mit bezüglichen biblischen Geschichten, so dass die Haupt-
scenen an diesen Stellen in kleinere Rahmen gefasst sind. Alles, um
durch Abwechslung und rhythmische Bewegung jede Monotonie fern
zu halten. -— Aber auf die zwölf grossen Bogenzwickel, welche den
Spiegel des Gewölbes emporhalten, stellte der Meister in riesen-
grossen Gestalten seine weltberühmten Propheten und Sibyllen hin:
icne für das Judcnlhum, diese, nach der Ansicht des Mittelalters, für
das Heidenthum die Verkündiger eines kommenden Messias-
Nun blieben noch über jedem Fenster die Bogcnfelder der Wand
und die Dreieckflächen der Stichkappen. Diese benutzte er, um in
zweiunddreissig Gruppen die Vorfahren Christi darzustellen. Das
Mittelalter hatte gern den Stammbaum Christi, oder „die Wurzel
Josse" zu umfassenderen Bildwerken ausgearbeitet; eines der schön-
sten Beispiele solcher Darstellungen aus dem XIII. Jahrhundert bietet
die gemalte Holzdecke der Michaelskirche zu Hildesheim *). Aber was
dort schlichte typische Figuren in streng architektonischer Anord-
nung sind, das hat in der Sixtina der grosse Meister zu edlen, tief
empfundenen Gruppen umgebildet, in denen das reinste Familienleben
in immer neuen, ergreifend schönen Klängen wiedertönt. Und zu-
gleich wusste er über die meisten Gruppen den melancholischen
Hauch jenes bangen Harrens auszugiessen, mit welchem die Ge-
schlechter einst dem verheissenen Messias entgegengesehen haben.
Zu dem Reichthum der Phantasie, der Fülle schöner Motive, dem
Adel der Form, der Tiefe des Ausdruckes gesellt sich in diesen treff-
lichen Gruppen noch die Meisterschaft, mit welcher dieselben den
schwierigen Bedingungen der Raumausfüllung genügen.
Endlich blieben in den vier Ecken der Capelle die zusammen-
stossenden Zwickelfelder übrig, welche vier grössere Bildflächen
boten. Hier, wo recht eigentlich die vier Angelpunkte der Decke
sind, mussten auch entsprechend bedeutende Darstellungen eintre-
ten. Michel Angelo nahm vier Errettungen des Volkes Israel als
bekannte Typen für das Erlösungswerk Christi. !m ersten Bilde sieht
man das Wunder der ehernen Schlange, ein oft angewandtes, auch

in der Biblia pauperum vorkommendes Symbol für Christi Opfertod
am Kreuze. Das zweite Bild zeigt Esthers Erhöhung und Hamans
Hinrichtung. Die gekrönte Esther sitzt neben dem Könige bei Tafel,
eine Darstellung, welche das Mittelalter oft als Typus für die Krö-
nung Mariä angewendet hat. Dieselbe typische Bedeutung hat das
dritte Bild, welches Judith als Rächerin ihres Volkes darstellt. Aus
der Kammer, wo man auf dem Lager den noch im Tode zuckenden
Leichnam des Holofernes erblickt, kommt sie eilend geschritten und
deckt abgewandten Blickesein Tuch über das blutige Haupt, das die
Dienerin im Korbe auf dem Kopfe trägt. Das vierte Bild zeigt David,
wie er Goliath erschlägt, wieder ein Symbol für Christus, der den
Satan überwindet, wie Biblia pauperum und Speculum humanae sal-
vationis lehren. In künstlerischer Beziehung zeichnen die vier Bilder
sich durch einfache Grossartigkeit und dramatische Prägnanz in Aus-
prägung des Momentes vorzüglich aus. Bewundernswürdig ist der am
Galgen schwebende Haman als Meisterstück der Verkürzung; meister-
lich überhaupt ist überall die räumliche Anordnung."
Meisst der Mater des Cdtner Dombitdes Loehner oder
Lothner?
Seit vor ungefähr vierzig Jahren zuerst Dr. Fr. Böhmer in
einem anonymen Artikel des Cotta'schen Kunstblattes das von
Dürer angeführte Altarbild in der Cölner Rathscapelle dem Cölner
Maler Meister Stephan vindicirt hat, gilt dieser Stephan bei allen
Kunsthistorikern als der Meister des angeführten, jetzt unter dem
Namen „Dombild" bekannten Kunstwerkes. Eben so wurde es erwiesen,
dass dieser Meister Stephan mit dem in Schreinsbüchern, Rathsherrn-
Vcrzeichnissen, Copienbüchern u. s. w. vorkommenden Maler Stephan
Loehner ein und dieselbe Person ist; nur erschien es zweifelhaft,
ob derselbe den Namen Loechner (Loehner) oderLoethner (Lothner)
geführt habe. Bereits im Jahre 1837 (Cölner Domblatt Nr. 132)
hatte der Stadtarchivar Dr. E n n e n in Cöln die Gründe angeführt, aus
welchen man genöthigt ist „Loehner" statt „Lothner" zu lesen. Ohne
jedoch dieselben zu würdigen oder die im Cölner Stadtarchive ruhen-
den Actenstücke zu prüfen, sah sieh in jüngste.rZeit der Verfasser
des Kataloges des Museums Wallraf Richartz zu der Bemerkung ver-
anlasst, dass der Meister desDombildes Stephan Loethner heisse und
Loehner eine falsche Leseart sei. Dies veranlasste Dr. Ennen an das
Urtheil von Fachmännern wie Böhmer, Friedländer, Jaffe, Lacomblet,
Pertz u. s. w. zu appelliren, indem er den Namen des Meisters Stephan
aus verschiedenen Urkunden eilfMal gewissenhaft facsimiliren und
den Ersteren lithographische Abzüge zukommen Hess. Sämmtliche
Sachverständige erklärten die Leseart des Dr. Ennen für die richtige,
so dass dem Maler des Cölner Dombildes der Familienname Stephan
Loehner vollkommen gesichert ist.

Notizen.

''Bei der Restauration verschiedener alter Kirchen, lesen wir im
„Organ für christliche Kunst", hat man die Entdeckuung gemacht, dass
auch die Kirchen der drei Königreiche Grossbritanniens bis zu Ende
des XV. Jalnh. ohne AusnahmemitWandmalereiengeschmücktwaren,
zur Erbauung und Belehrung der Gemeinden. So hat man jüngst in
d< r Kathedrale zu Norwich eine Reihe von Wandmalereien entdeckt,
die ursprünglich aus dem XIII. Jahrhundert herrühren und in Folge
der Bilderstürmerei der Reformation theilweise zerstört und über-
tüncht wurden. Das Hauptbild, das auch am besten erhalten, stellt
den heil. Wulstan, Bischof v. Worcester dar, wie er den Bischofstah

aus den Händen König Eduard's des Bekenners empfängt. Von den
übrigen Malereien sind nur noch einzelne Fragmente erhalten.
* Wie umfassend die Thätigkeit in Wiederherstellung von
alten Baudenkmalcn in Grossbritannien ist, geht daraus hervor, dass
allein im Irland in diesem Augenblicke die Kathedrale St. Patrick
in Dublin, die Kathedrale von Cork, die Kathedrale in St. Maria in
Limerick und die Kathedrale in Derry theils in der Wiederher-
stellung begriffen, theils ganz restaurirt sind. Die bisherigen Kosten
der Restauration der Kathedrale Dublins belaufen sieh auf 80.000
Pfund, welche ein einziger Mann, ein Bierbrauer Herr Benj. Lee

') ta Farbendruck berausgegeben von Dr. Krnatz.
 
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