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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 5/6
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Houben, Heinrich Hubert: Bilderzensur im Vormärz: Fragmente aus einer Geschichgte der Zensur
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0087

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BILDERZENSUR IM VORMÄRZ

FRAGMENTE ÄUS EINER GESCHICHTE DER ZENSUR

Von Prof. Dr. H. H. HOUBEN

Tn der Gefchichte der Zenfur, wie pe bis zum März 1848 gehandhabt wurde, fpielt
-*■ die bildende Kunft nur eine Nebenrolle. Das Mittelalter kennt zwar Reichsgefeße,
(den Nürnberger Reichstagsabfchied von 1524 und die Reichspolizeiordnung von 1577),
die nicht nur „Schmachfchriften“, [ondern auch „Gemälds“ mit Strafe bedrohen; man
verftand aber darunter nur die Zerrbilder, mit denen die verfchiedenen Religionspar-
teien einander bekämpften und bei denen von Kunft noch wenig zu pnden war. Die
Zenfurgefeßgebung, die fidi im Laufe des 18. Jahrhunderts in den verfchiedenen deut-
fchen Landesteilen entwickelte, nimmt auf die künftlerifchen .Ausdrucksformen gar keine
Rückficht. Die preußifchen Zenfuredikte von 1749 und 1772 kennen nur Wort und
Schrift, und ihr Urheber, der alte Friß, dachte noch nicht daran, dem Griffel und
Pinfel des Künftlers diefelben Befchränkungen aufzuerlegen, die er der Feder des Schrift-
ftellers reichlich zumaß. Seine echt königliche Erhabenheit über das, was der heutige
Volksmund Majeftätsbeleidigung nennt, ift ja bekannt. Er konnte einen ordentlichen
Puff vertragen und war der erfte, der über eine wißige Satire oder eine gelungene
Karikatur auf ihn felbft aus vollem Herzen lachte. Die Polizeinafe, die überall belei-
digende Äbficht wittert, fehlte ihm ganz. Im Jahre 1771 brachte der Berlinifche Kalender
zwölf Blätter von Chodowiecki, die Szenen aus dem „Don Quichote“ darftellten. Das
Titelkupfer des Bandes bildete ein Porträt des deutfchen Kaifers Jofephs II. Diefe zu-
fällige Zufammenftellung hielt man in Wien für eine fein ausgeklügelte Verhöhnung
des Kaifers, und die dortige Zenfurbehörde befchwerte fich dieferhalb beim König von
Preußen. Der aber dachte nicht daran, gegen die Herausgeber einzufchreiten; um die
Wiener von der Grundlofigkeit ihres Verdachtes zu überzeugen, befahl er vielmehr,
für die Bilder des nächften Kalender-Jahrgangs ein noch viel lächerlicheres Thema zu
nehmen und — fein eigenes Porträt voranzuftellen. Chodowiecki wählte Ariofts
„Rafenden Roland“, und Daniel Berger ftach des Königs Bildnis dazu.

Zum wahrhaft klaffifchen Anekdotenfehaß aber gehört folgender Vorfall:

Im Jahre 1781 hatte der König die Kaffeeregie eingeführt, um dem übermäßigen
Verbrauch diefer Auslandsware zugunften der einheimifchen Bierproduktion zu fteuern,
eine Maßregel, die das Volk fehr erregte; denn nicht nur in Sachfen, fondern auch in
Preußen zog man fchon damals ein Schälchen Kaffee der Bierfuppe vor, mit der
Friedrich felbft noch groß gezogen worden war.

Eines Tages kam der alte Friß mit feinem Heiducken die Jägerftraße heraufgeritten
und bemerkte in der Nähe des Schloffes, auf dem Werderfchen Markt, einen großen
Auflauf. Man drängte fich um ein hoch an der Mauer angefchlagenes Papier, aber
nur die nächften konnten erkennen, was es bedeutete. Bei der Annäherung des Königs
ßogen die Müßen herunter, man gaffte ihn mit verlegenen und erfchrockenen Mienen
an und wich beifeite. Aber niemand wagte ein Wort zu fagen. Der König fchickte
nun feinen Begleiter näher, um zu erfahren, was los fei. Unterdes mufterte er mit
feiner großen Lorgnette die Umftehenden. Bald kam der Heiduck ebenfalls verlegen
lächelnd wieder und wollte nicht recht mit der Spradie heraus: „Sie haben etwas auf
Ew. Majeftät angefchlagen“. . . .

Nun ritt der König dicht heran und fah, daß eine Karikatur auf ihn felbft dort hing:
In höchft kläglicher Pofitur faß er auf einem Fußfchemel, hielt zwifchen den Beinen

Der Cicerone, X. Jahrg., Heft 5/6.

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