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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 7/8
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Friedeberger, Hans: Die Corinthausstellung der Berliner Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0120

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DIE CORINTHÄUSSTELLUNG

DER BERLINER SEZESSION

Es find jetjt faft auf den Tag drei Jahre her, daß die damals noch ungeteilte Ber-
liner Sezefpon die erfte Gefamtausftellung des Corinthfchen Lebenswerkes ver-
anftaltete. Jefet feiert die abgefpaltene Gruppe, die den alten Namen mitgenommen hat,
den 60. Geburtstag ihres Meifters und Führers mit einer gleichen Veranftaltung. Weder
Auswahl noch Unterbringung pnd gleich glücklich, wie damals, wo Corinth zum erften
Male als ein Meifter höchften Ranges weithin kenntlich wurde, und wenn das auch
zum guten Teile am Kriege, an den Transportfchwierigkeiten, an den für folche Zwecke
ungünftigeren Räumen liegen mag: auch die Auswahl ift nicht glücklich gewefen, und
felbft bis 'auf Einzelheiten der Katalogarbeit haftet der Veranftaltung etwas improvi-
fiertes an. Daneben bringt fie natürlich auch mehr als die damalige Ausftellung, vor
allem das, was feither entftand, und wer damals fchon verfuchte, eine Linie heraus-
zufinden, auf der fich alle diefe Werke aufreihen ließen, darf nun fehen, ob er recht
gehabt und behalten hat.

Zunächft wird er feftftellen, daß fich die Natur des Künftlers in nichts geändert hat,
und daß fich heut noch die ungeheuerlichen Verfager ebenfo einftellen, wie vor Zeiten,
daß fogar noch einige dazu gekommen find, die in einer Art von Alterspchtigkeit oder
einer anderen augenphgpologifchen Verzwicktheit begründet zu fein fcheinen. Es hätte
der Ausftellung und dem Gefeierten keinen Schaden getan, wenn die Veranftalter diefe
Arbeiten mit gutem Rate ferngehalten hätten. Auch andere Stücke jüngfter Zeit, die
diefe Sonderart nicht haben, wie das Bild „Cefare Borgia“ hätte man gern entbehrt,
und fich dafür lieber an Dingen erfreut, die, wie das Meifterwerk der „Donna gravida“,
bisher nur immer feiten, und auch dann nur im kleinen Kreife gezeigt worden pnd.

Geht man aber nach diefen Wünfchen und Entbehrungen zu dem über, was die
Ausftellung an wirklichen Werten bietet, fo ftaunt man wieder aufs neue über den
fchier unerfchöpfliehen Reichtum diefer Natur, und zugleich über die Unbeirrbarkeit
und Folgerichtigkeit ihrer Entwicklung. Der Eindruck, den man 1913 von den lebten
Arbeiten mitnahm, war der einer ftärkeren Neigung zur Farbe, und diefe Neigung
hat fich, teilweife unter dem Einßuß einer Reife in füdlichen Ländern, in den un-
mittelbar folgenden Jahren noch verftärkt.

Bilder wie der Weihnachtsabend, die Tirolerin mit der Kafee, wie vollends der
Teppichhändler pnd rein aus diefer Freude an der Farbe heraus entftanden, und es
ift hier die Erfcheinung mit größter Meifterfchaft ganz durch diefes Prinzip der An-
fchauung gegliedert, dabei aber merkwürdigerweife nicht etwa der ftatifch-organifche
Aufbau zu Schaden gekommen. Vielmehr zeichnen fich die neuen Bilder, und um fo
ftärker, je näher pe der Gegenwart zuliegen, durch eine größere Zurückhaltung in der
Herausarbeitung des Details und durch eine ftrengere Befchränkung auf das ftatifch
und funktionell notwendige aus. Man braucht nur einmal den Akt auf der „Wafchung“
von 1917 mit früheren zu vergleichen, um zu erkennen, wie bei aller immer noch
büßenden und liebevollen Charakteriftik der Oberßäche es jejjt doch die Hauptfache
geworden ift, darzuftellen, wie ein Arm hängt, eine Schulter fich bewegt. Will man
erkennen, was das heißt, fo peht man am beften auf das Bild eines Reiters mit feinem
Pferde aus dem Ietjten Jahre, das überhaupt eine der fchönften Perlen der gefaulten
Corinthfchen Kunft ift, frifch und reif zugleich. Die Malerei des Künftlers, die ja nie-
mals, nicht einmal während der kurzen Münchner Zeit, rein dekorative Abfichten ver-

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