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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

DOI Heft:
Heft 13/14
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Friedeberger, Hans: Die Ausstellungen der Berliner Sezessionen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0225

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DIE AUSSTELLUNGEN DER BERLINER

SEZESSIONEN Mit 6 Abbildungen / Von HANS FRIEDEBEBGER

I.

BERLINER BILDNISSE 1848—1918 IN DER „BERLINER SEZESSION“,
■pye „Berliner Sezeffion“ hat diesmal von einer Ausftellung ihrer Mitglieder oder
auswärtiger Freunde abgefehen und pdi zur Gefchichte gewendet. Sie hat eine Au-
fteilung von Berliner Bildniffen zwischen 1848 und 1918 zufammengebracht, die zwar
keine grundfalsch neuen Erkenntniffe bringt, aber doch in der gefchmackvollen Aus-
lefe, die audi aus weniger bekannten Beftänden fchöpfen durfte, mancherlei Anregendes
und Neues vermittelt. Daß dies, was man auf diefer Ausftellung peht, irgendwie typifch
verbindlich wäre, fei es für die Entwicklung und Art der Berliner Bildniskunft oder
auch nur für die einzelnen Meifter, das werden felbft die Veranftalter nicht behaupten
wollen. So peht fich denn auch der Befucher nur veranlaßt, den Reigen der Gemälde
und Plaftiken mit einigen Bemerkungen zu begleiten.

Der Ausgangspunkt ift deutlich: der fachliche, vortrefflich und frei gemalte Männer-
kopf von Knaus weift noch zurück auf die Bildniffe der Biedermeierzeit, Verfuche zu
objektiver Wiedergabe der Erfcheinung. In diefelbe Zeit mußte das angebliche Bild
der Sonntag von Ed. Magnus gefeßt werden, von dem ich freilich nicht mit Sicherheit
behaupten möchte, daß es Magnus, und überhaupt nach Berlin gehört. Gleich das
andere Bild von Knaus, das Bildnis der Frau Sußmann-Hellborn von 1863 will aber
fchon mehr fein. Es gibt den Menfchen im Rahmen feiner Umgebung, aber doch fo,
daß diefe Umgebung charakteriftifcher ift für feine Zeit als für ihn felbft. Vorgebildet ift
diefer Typus fchon in dem 1860 entftandenen Gemälde der Frau Martha Wolf von Eduard
Magnus (Abb. 1), einem einfach und folid gemalten, mit viel Gefchmack hergerichteten,
aber doch nicht eigentlich (weder vom Modell noch vom Künftler aus) perfönlichen
Werk. Daß immerhin auch damals die gute Bildnistradition aus dem Anfänge des
Jahrhunderts fortlebte, beweifen die früheften Arbeiten des auf diefer Ausftellung
wiederentdeckten Berliners Ferdinand Schauß. Das Bildnis feines Vaters (1865) ift
mit feiner fo zarten wie reichen Farbigkeit und der vortrefflichen geiftigen und körper-
lichen Charakteriftik des Dargeftellten eine der beften Leiftungen unter den älteren
Arbeiten diefer Ausftellung. Später hat die Emppndlichkeit des Malers für farbige
Reize nachgelaffen. Das kleine reizende Bildnis der Desiree Artot (f. Abb. 3) ift nur
noch Ton, aber als Bildnis doch wieder ausgezeichnet. Und diefe Tugend hat er fich
bis in feine fpäten Jahre bewahrt: Es gibt kein Bildnis von Franz Liszt, dem viel-
gemalten, das bei aller Schonung der repräfentativen Haltung doch fo menfchlich ein-
fach und fo feelifch auffchlußreich ift, wie das Schaußifche von 1879.

Nur in dem Damenbildnis von 1869 läßt auch er den Gefchmack vorahnen, der dann,
nach 1870, die Oberhand gewinnt. Es fteckt fchon ein gut Teil Pofe in diefer Her-
richtung, und diefes komödiantenhafte Auftreten fteigert fich, je mehr man auf das Jahr
1880 zufteuert. In dem netten, freundlichen Doppelbildnis, das Oskar Begas von feinen
Töchtern gemalt hat (Abb. 2), fpukt fchon diefer Zwiefpalt zwifchen der Harmlopgkeit
des Dargeftellten und der Prätention feines Auftretens vor, hier noch betont durch
den Mangel an tieferem Ausdruck und an Gefpanntheit der Form. Bis zu welcher
Verwilderung das bei genügender Vergrößerung des Formats führen kann, beweift
das große Bildnis Guffows, auf dem felbft die gut gemalten roten Azaleen nicht über
die völlige — formale und geiftige — Leere wegtäufchen können. Die übrigen Guffow-

Der Cicerone, X. Jahrg., Heft 13/14.

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