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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 19/20
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Grautoff, Otto: Die letzten französischen Massnahmen zum Schutz der Kunstdenkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0335

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DIE LETZTEN FRANZÖSISCHEN MASSNAHMEN
ZUM SCHUTZ DER KUNSTDENKMÄLER

Mit neun Abbildungen Von OTTO GRÄUTOFF

ATicht wir, fondern Belgier und Franzofen wurden zuerft vor das Problem des Denk-
malfchußes geftellt. Der fchnelle Vormarfch der Deutfdien im Anfang des Krieges
ließ Belgier und Franzofen kaum zu Ätem kommen, fo daß die Feinde in den erfteri
Kriegsmonaten für den Denkmalfchuß keine Zeit fanden. Die Baudenkmäler blieben
ohne Schuß, die Kirchenfchäße, Mufeen und Privatfammlungen wurden nicht abtrans-
portiert.

Sobald aber der deutfche Vorftoß gegen Frankreich zum Stehen gekommen war
und pch der Schüßengrabenkrieg entwickelte, feßte die Fürforge für die Kunftfchäße
in den bedrohten Landftrichen ein.

Die erfte großzügige Maßnahme betraf aber nicht den Frontbereich, fondern Paris
und in Paris den Louvre. Ende Äuguft wurden die Kronjuwelen, die Krone Napoleons
und die übrigen wertvollen Schmuckftücke aus königlichem und kaiferlichem Befiß
fowie eine bedeutende Anzahl der hervorragendften Gemälde in Kiften verpackt und
nach Touloufe gefandt. Infolge der Verwirrung, die damals in allen Verwaltungs-
zweigen Frankreichs herrfchte, find die Güterwagen mit diefen unerfeßlichen Schäßen
nicht nur auf Umwegen nach Touloufe geleitet, fondern wochenlang nicht ausgeladen
worden. Es hieß 1914 fogar, einerfeits, daß einige diefer Kiften verfchollen wären, anderer-
feits, daß einige Kiften auf dem Transport Schaden gelitten hätten. Es herrfchte auch
wochenlang in Frankreich Unklarheit darüber, ob die Kiften auf dem Touloufer Güter-
bahnhof ftänden oder fonft irgendwo abgeftellt feien. Wie jeßt aus der franzöfifchen
Preffe hervorgeht, ftehen alle diefe Kiften unverfehrt aber ungeöffnet feit nunmehr
vier Jahren unter Bewachung von Landftürmern im Jakobiner Klofter zu Touloufe.

Seit 1915 ift in Frankreich außerordentlich viel für den Schuß der Kunftdenkmäler
gefchehen. Das alles kann hier nicht in hiftorifcher Folge aufgereiht werden. Daß
manche Schußmaßnahmen fich nachträglich als unzureichend erwiefen, daß andere in
der Bedrängnis nicht in der gewünfchten Form durchgeführt werden konnten, ift in
einem Lande, das hart vom Feinde bedrängt wird, nicht erftaunlich. Ein anderes
Problem: Die Befchießung franzöfifcher Baudenkmäler durch Franzofen und Engländer
fteht hier nicht zur Erörterung. Das ift ein Kapitel für fich.

Am wenigften gefchah für den Schuß der Kunftdenkmäler in Paris, das fich feit 1915
in Sicherheit wiegte, am meiften gefchah an der Front. Am Anfang fehlte ganz wie
bei uns eine Zentralifation des Denkmalfchußes. Die Oberkommandos der einzelnen
Armeen gingen felbftändig vor, betrauten Architekten und Kunfthiftoriker mit dem
Entwurf und mit der Ausführung von Schußnahmen. Von Mitte 1915 an übernahm
allmählich das Unterftaatsfekretariat der Schönen Künfte, das von Clemenceau auf-
gehoben und als Direktion des Beaux - Arts dem Unterrichtsminifterium unterteilt
worden ift, die Leitung des Denkmalfchußes. Das Unterftaatsfekretariat ergriff aller-
dings erft auf einen Druck der öffentlichen Meinung diefe Initiative und mußte natürlich
im Einvernehmen mit der oberften Heeresleitung in Chantilly Vorgehen.

Das tatfächliche Einvernehmen beider Stellen für die Aufgaben des Denkmalfchußes
ift erft feit einem Jahr hergeftellt. Die von beiden Minifterien eingefeßte Verwaltung
umfaßt drei Sektionen: Often, Zentrum und Norden. Der Kriegsminifter befchafft
die fubalternen Hilfskräfte und das Material: Leitern, Sandfäcke, Karren ufw., die
Verwaltung der Schönen Künfte fucht unter den Offizieren die mobilifierten Künftler

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