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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 23/24
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Gesellschaften und Vereine
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PERSONALIEN

nien und Aufmunterung zur Erwerbung und Er-
haltung afiatifcher Kunfterzeugniffe. Der Verein
möchte diefe Ziele durch Veranftaltung von Aus-
heilungen, Vorträgen, Zufammenkünften und Ex-
kurfionen, durch Veröffentlichungen, durch eine
Inventarifierung der afiatifchen Kunftfchäge in
Holland und feinen Kolonien, fowie durch die
Gründung eines Archivs von Abbildungen und
Druckfchriften zu erreichen fuchen. Sekretär des
Vereins ift Hermann F. E. Viffer, Bankastraat 54,
den Haag.

PERSONALIEN

WIEN EGON SCHIELE +. „In mir ift ein

ewiges Träumen voll füßeften Lebensüberfchuffes.
Raftios, mit bangen Schmerzen innen in der
Seele, lodert, brennt, wächft das Träumen zum
Kampf, Herzenskrampf. Ich bin wahnwigig rege
mit aufgeregter Luft — denn nun kann ich end-
lich die fpendende Sonne wiederfehen und frei
fein. Die höchfte Emppndung ift Religion und
Kunft. Natur ift Zweck — aber dort ift Gott,
und ich emppnde ihn ftark, fehr ftark, am ftärk-
ften. Ich glaube, daß es keine .moderne1 Kunft,
daß es nur eine Kunft gibt, und die ift immer-
während.“ Das ift das Bekenntnis Schieies in
einem „Entwurf zu einem gefchriebenen Selbft-
bildnis“. Es kann kaum mehr gefagt werden,
um den Künftler zu charakteriperen. Schieies
Kunft kann nicht aus konftruierten, rückfdiauen-
den Entwicklungsgängen „erklärt“ werden, fo
fehr es fcheint, als müßte pe dem entfprechen,
was feit Cezanne und van Gogh etwa Schlag-
wort für Europa wurde: Exprefponismus — Äus-
druckskunft. Das Wort wird zum leeren Schall,
wenn Kunft überhaupt Ausdruck ift, Ausdruck
eines fo oder anders gearteten Fühlens, aber
immer des menfchlichen. Und bei Schiele war
das Menfchliche nicht Nachfühlen oder Änfchluß
an überlieferte Werte. Er ging nicht in einer
der Kunpzentralen des europäifchen Weftens in
die Schule, die Heimat gab ihm alles. — Egon
Schiele wurde am 12. Juni 1890 in Tulln an der
Donau geboren. Als Sohn eines Wieners, der
aus anhaltifcher Familie ftammte, und einer
Krumauerin (Böhmen) war er Angehöriger eines
Kulturbodens, auf dem aus der Befruchtung
jugendlichen Volkstums durch die weftliche Zivili-
fation jene Keime geboren werden, deren Ent-
faltung wir heute erleben. Die innere Span-
nung, die jedes feiner Bilder atmet, ift Ausdruck
der heimatlichen Kulturmifchung. Ein klares
begriffliches Erfaßen eint fich mit naiver Er-
zählerfreude, ein ftarker Intellekt mit weichem
Sentiment, Raum und Plaftik, durch Jahrhunderte
Ziele europäifchenKunftfchaffens, treten in Wider-

ftreit mit Flächigkeit, Fleck und Farbe; befon-
ders in der Farbenfkala, die nicht tonig, fondern
dekorativ gewertet ift, kommt das urfprüngliche
Emppnden, wie wir es aus der flawifchen Volks-
kunft kennen, am klarften zum Ausdruck. Viel-
fach berührte er fich in diefen Dingen mit Klimt,
nicht aber als deffen Nachkomme, fondern als
ein aus gleicher Kulturbaps Entwachfener. Auch
das hohe zeichnerifche Können hatte er mit diefem
gemein. Wie Klimt ging auch Schiele unbeirrt
um die Anfeindungen des Publikums feinen Weg,
und erft fein früher Tod fcheint die Gemüter
geftimmter zu machen. — Anläßlich der legten
Kollektivausfteliung feiner Werke in der Se-
zefpon (April 1918) wurde an diefer Stelle ein
knappes Bild feines Schaffens zu geben ver-
focht. Die Reife, mit der er uns dort entgegen-
trat, macht feinen Verluft nur um fo fchwerer
fühlbar. Binnen wenigen Monaten hat der Tod
die Reihen jener, die die Blüte der legten alt-
öfterreichifchen Periode bedeuten, park gelichtet;
Klimt, Wagner, Mofer, Schiele. Ein anderer,
Oskar Kokofchke, hat die Heimat verlaßen. Sie
alle haben unter erdrückenden Verhältmßen ge-
kämpft; aber der Kampf gab ihnen die Kraß.
Möge die neue Zeit die alten Hoßnungen er-
füllen! H. G.

PÄUL REE f Am 23. November ift in
Nürnberg der Bibliothekar und Konfervator am
kgl. Kunftgewerbemufeum, Profeßor Dr. Paul
Johanres Ree, im Älter von 60 Jahren geftorben.
Mit ihm verliert die ohnehin an kunftbegeifterten
anregenden Perfönlichkeiten unbegreiflich arme
Induftrieftadt einen der einpchtsvollften führen-
den Männer in ihrer befcheidenen künftlerifchen
Intereßenfphäre, der wohl die Wünfche befaß,
etwas wie ein Licntwark Nürnbergs zu werden
— auch er war in Hamburg geboren —, aber
dem es an umfaßenden Fähigkeiten gebrach.
Jedenfalls mühte er fich ein Menfchenalter lang
redlich mit populären Vorträgen und Kurfen,
die großen Zulauf hatten, um eine mehr hifto-
rifche als äfthetifche Bildung feiner Mitbürger.
Rees wißenfchaftliche Hauptarbeit war feine
Monographie über Peter Candid (1885), womit
er die Forfchung über die fpäteren Münchener
Maler und Baumeifter erößnete. Sein mehrfach
aufgelegtes umfaßendes Buch über Nürnberg
in den „berühmten Kunftftätten“ ift noch heute
allgemein anerkannt und wertvoll. Außerdem
hat Ree kleinere Gelegenheitsfchriften über äfthe-
tifche Fragen veröpentlicht, welche mit Recht
rafch vergeßen worden find. U.-B.

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