Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

DOI Heft:
Heft 5/6
DOI Artikel:
Sydow, Eckart von: Karl Schmidt-Rottluff
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0096

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KARL SCHMIDT-ROTTLUFF

Moor“ (1908): in dunklen, kraft-
vollen Tönen — unter denen das
Rot überwiegt — fließt die Farbig-
keit in langen, breiten Strichen von
unten zum blau-gelb-grünen Him-
mel hinauf: „als fprühende Kata-
rakte von Farbfträhnen wogen die
Bildwerte gegeneinander und ftre-
ben zu ganz einfachen, groß leuch-
tenden Konfonanzen des Kolorits
zufammen“ — fo hat Niemeyer1
dies Bild und mit ihm diefe ganze
Epoche gut gekennzeichnet.— Die
folgenden Jahre bringen wefent-
liche Veränderungen grundlegender
Art. Rot und Grün ftellen fich hart
nebeneinander, in breiten, langen
Strichen fließend und fchließlich fich
in größeren, gleichtonigen Flächen
ausbreitend. Während einige vor-
treffliche Aquarelle von 1909 in
der milden Buntheit ihrer breiten
Strichführung einen völlig impref-
poniftifchen Eindruck machen, zei-
gen Gemälde aus dem folgenden
Jahre den Übergang der Farb-
gebung zur flächigen Zufammenfaffung, wenn auch in einzelnen Teilen einiger
Bilder auch jeist noch der anfängliche Impreffionismus erhalten bleibt. Erft das
fpätere Jahr verhilft dem Exprefflonismus zu völligem Sieg. Große blaue, gelbe
und grüne Flächen ftellen fich zueinander; die Geftalten umrahmen fich mit fchwarzer
Umrißlinie. Norwegifche Gebirgslandfchaften vor allem bedeuten den Übergang
zum Monumental-Dekorativen: in größter Einfachheit werden ftumpfe und leuch-
tende Farben von Rot und Grün bildlich vereint. Diefe Tendenz zur einfachen Groß-
heit experimentiert 1912 auf einigen, glücklich gelingenden Bildern mit kubiftifchen
Mitteln unter Verwendung temperafarbener, matter Tönungen; pe drängt weiterhin zur
Betonung von Gradlinigkeit oder geometrifierender Rundung der Glieder. Sie verftärkt
fich im folgenden Jahre, das fich auszeichnet durch eine Serie von roten oder bräun-
lichen Frauen-Akten in großftilifierter Landfchaft, durch eine Reihe von Stilleben mit
exotifchen Figuren und Töpfen und durch etliche Anfichten von der Oftfee in helleren
braunen und blauen Tönen. Die Jahre 1914 bis 1916 deuten auf ftärkere Neigung zu
plaftifchen Formen, die befonders in ausgezeichneten Porträten zu ftärkfter Wirkung
führen.

Die Graphik Schmidt-Rottluffs geht in ihrer Entwicklung ziemlich gleichartig parallel
der malerifchen Evolution. Sie nimmt 1907 ihren Ausgang vom Impreffionismus,

1 „Denkfdirift des Sonderbundes . .“ S. 93 (m. Äbb.); Kirchner bezeidmete feine Richtung jener
Zeit als „monumentalen Impreffionismus“ (in der „Gefchichte der .Brücke' “).

78

Äbb. 4. Schmidt-Rottluff: „Äkte in Landfchaft“ (1913)
(Berliner Privatbenfs.)
 
Annotationen