PERSONALIEN
waren noch Rembrandts Pfauhennen aus der
Sammlung Cartwright in Agnhoe Park (Eng-
land) gewefen. Für Fremde ift die Sammlung
nur fchwer zugänglich gewefen. O. H.
BERLIN Hm 31. März ftarb infolge eines
Straßenbahnunfalles Dr. jur. et phil. Ignaz Beth.
Beth, der auch unferen Zeitfchriften ein treuer
und gefdiäßter Mitarbeiter war, ging in feinen
Studien von der älteren deutfchen Kunft aus.
Neben wertvollen Einzelftudien galt feine Be-
tätigung vor allem Hans Baldung-Grien, über den
er auf Grund langjähriger Vorarbeiten eben jeßt
ein Werk für den Infelverlag vorbereitete, und
Studien „Über die Baumzeichnung in der deut-
fchen Graphik des 15. und 16. Jahrhunderts“, für
die er den Grimm-Preis erhielt. Äbfchließend ge-
dachte er feine Kenntniffe in der „Gefchichte der
deutfchen Malerei im 15. und 16. Jahrhundert“
zu verwerten, die er nach Friß Burgers Tode
übernommen hatte. Für die Bibliographie hat
er als langjähriger Herausgeber der „Bibliogra-
phie der Kunftwiffenfchaft“ Treffliches geleiftet.
Beth war übrigens auch als ausübender Künftler
tätig. Seine Gemälde, die häupg in der Ber-
liner Sezeffion ausgeftellt waren, follen dem-
nächft in einer fchon bei Lebzeiten geplanten
Gefamtausftellung bei Gurlitt gezeigt werden.
WIEN OTTO WAGNER f Wieder hat
Wien einen feiner Großen zu beklagen. Hm
11. April ift der führende Architekt Prof. Otto
Wagner im Alter von 77 Jahren geftorben.
Sein Schaffen ftand, wie das des jüngft ver-
dorbenen Klimt und fo mancher Großer, die dem
Wiener Boden entwuchfen, im Zeichen des
Kampfes. Wagner war eine jener tgpifchen
aber feltenen Wiener Erfcheinungen, in denen
pch die weitgehendfte Empfänglichkeit für alles,
was ihre Zeit bewegt, mit perfönlicher Kraft
und unentwegtem Arbeitswillen paart, die der
Kampf zum ftetigen Fortfehreiten zwingt. Des-
halb umfchließt ihr Werk die größtenVerfchieden-
heiten; die Einzelfchöpfungen bedeuten für die
Zeit ihres Entftehens immer ein Neues, das aber
bald von einem noch Neueren abgelöft wird.
Das perfönliche Erfaffen und Geftalten des gegen-
wärtigen Zeitwollens ift ihre Tat. Diefes Per-
fönliche geht mit ihnen zugrunde, nur was die
Zeit ihnen gab, was ihnen vielleicht nur Anlaß
war, während es andern fchon Ziel bedeutete,
lebt fort. Darin liegt auch der Grund, daß
Wagner nicht eigentlich fchulbildend war. Denn
es ift fonderbar, daß die „Wagnerfchule“ gerade
jene Wefenheiten nicht weiterführt, die feinen
„Stil“ bezeichnen. Sei dies nun das Überbord-
werfen der hiftorifchen Stilelemente, die Ver-
neinung der „Faffade“ (Häufer an der Wienzeile),
die Schmudeformen der Sezeffionszeit (Wiener
Stadtbahnbauten) oder die bis zur leßten Folge-
richtigkeit durchgeführte Plattenverkleidung der
Außenwände (Poftfparkaffe): alles dies find
Merkmale der Kunft Wagners, die aber nur be-
dingte Geltung behielten, infofern fie feine per-
fönlichften Folgerungen des auf Zweck, Kon-
struktion und Materialechtheit gerichteten allge-
meinen Zeitwollens find. Darin aber verkör-
perte Wagner die Ideen Sempers, die von Wien
ausgehend der neueften Baukunft des In- und
Auslandes Richtung gaben. Die Kirche am Stein-
hof, das Poftfparkaffenamt und die Lupusheil-
ftätte find neben den vielen unausgeführt ge-
bliebenen Entwürfen wohl die reifften Früchte
diefer Art. — Aber noch in einer andern Be-
ziehung war er ein Vorkämpfer der Ideen unferer
Zeit: im modernen Städtebau. Die Bewegung,
die C. Sitte von Wien aus anbahnte, wurde in
ihm fruchtbar. In der Schule der großen Bau-
künftler der Wiener Stadterweiterung Van der
Nüll und Siccardsburg, aus der er hervorging,
mochte er dafür die nachhaltigften Anregungen
erhalten haben, wie feine erften Studien an der
Wiener technifchen Hochfchule den Grund zu
feinem hochentwickelten Sinn für das Konftruk-
tive gelegt, feine Studien in der Schule Schin-
kels in Berlin in ihm das Gefühl für edles Maß
und Großzügigkeit erweckt haben mochten.
Wenn man von feinen früheren ftädtebaulichen
Leitungen, wie den Hochbauten der Stadtbahn
und feiner Tätigkeit bei der Regelung des Do-
naukanals (Nußdorfer Schleuße) abßeht, fo pnd
allerdings feine in diefer Beziehung reifften Ar-
beiten leider nur Entwürfe — wenn auch „preis-
gekrönte“ Entwürfe geblieben. Jedesmal gab
es da in Wien einen „Kunftftreit“, bei dem ihm
feine Großzügigkeit und fein ehrliches Abgeneigt-
fein gegen jeden Ausgleich um den Sieg über
feine Feinde brachle. So blieb fein Entwurf
der Regulierung des Karlsplaßes durch die Er-
richtung des Stadtmufeums, fo auch fein groß-
artiger Entwurf für diefes Mufeum auf der
Schmelz oder der für das neue Kriegsminißerium
unausgeführt. Sein Plan für die Anlage des
XXI. Wiener Gemeindebezirkes zeugt wohl am
deutlichften für die Weite feines Geißes, das
michelangeleleske Streben, die größten Maßen
den Gefeßen des Zweckes künftlerifch unterzuord-
nen. Die ftarke und freie Perfönlichkeit Wagners
wird derjenige, der fie nicht in feinen Werken
erleben kann, am beften in feinem Buche „Die
Baukunft unferer Zeit“ (in den erften Auflagen
„Moderne Architektur“) erkennen, deßen durch-
gehender Gedanke in dem Säße gipfelt: „Der ein-
zige Ausgangspunkt unferes künftlerifchen Schaf-
fens kann nur das moderne Leben fein.“ H. G.
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waren noch Rembrandts Pfauhennen aus der
Sammlung Cartwright in Agnhoe Park (Eng-
land) gewefen. Für Fremde ift die Sammlung
nur fchwer zugänglich gewefen. O. H.
BERLIN Hm 31. März ftarb infolge eines
Straßenbahnunfalles Dr. jur. et phil. Ignaz Beth.
Beth, der auch unferen Zeitfchriften ein treuer
und gefdiäßter Mitarbeiter war, ging in feinen
Studien von der älteren deutfchen Kunft aus.
Neben wertvollen Einzelftudien galt feine Be-
tätigung vor allem Hans Baldung-Grien, über den
er auf Grund langjähriger Vorarbeiten eben jeßt
ein Werk für den Infelverlag vorbereitete, und
Studien „Über die Baumzeichnung in der deut-
fchen Graphik des 15. und 16. Jahrhunderts“, für
die er den Grimm-Preis erhielt. Äbfchließend ge-
dachte er feine Kenntniffe in der „Gefchichte der
deutfchen Malerei im 15. und 16. Jahrhundert“
zu verwerten, die er nach Friß Burgers Tode
übernommen hatte. Für die Bibliographie hat
er als langjähriger Herausgeber der „Bibliogra-
phie der Kunftwiffenfchaft“ Treffliches geleiftet.
Beth war übrigens auch als ausübender Künftler
tätig. Seine Gemälde, die häupg in der Ber-
liner Sezeffion ausgeftellt waren, follen dem-
nächft in einer fchon bei Lebzeiten geplanten
Gefamtausftellung bei Gurlitt gezeigt werden.
WIEN OTTO WAGNER f Wieder hat
Wien einen feiner Großen zu beklagen. Hm
11. April ift der führende Architekt Prof. Otto
Wagner im Alter von 77 Jahren geftorben.
Sein Schaffen ftand, wie das des jüngft ver-
dorbenen Klimt und fo mancher Großer, die dem
Wiener Boden entwuchfen, im Zeichen des
Kampfes. Wagner war eine jener tgpifchen
aber feltenen Wiener Erfcheinungen, in denen
pch die weitgehendfte Empfänglichkeit für alles,
was ihre Zeit bewegt, mit perfönlicher Kraft
und unentwegtem Arbeitswillen paart, die der
Kampf zum ftetigen Fortfehreiten zwingt. Des-
halb umfchließt ihr Werk die größtenVerfchieden-
heiten; die Einzelfchöpfungen bedeuten für die
Zeit ihres Entftehens immer ein Neues, das aber
bald von einem noch Neueren abgelöft wird.
Das perfönliche Erfaffen und Geftalten des gegen-
wärtigen Zeitwollens ift ihre Tat. Diefes Per-
fönliche geht mit ihnen zugrunde, nur was die
Zeit ihnen gab, was ihnen vielleicht nur Anlaß
war, während es andern fchon Ziel bedeutete,
lebt fort. Darin liegt auch der Grund, daß
Wagner nicht eigentlich fchulbildend war. Denn
es ift fonderbar, daß die „Wagnerfchule“ gerade
jene Wefenheiten nicht weiterführt, die feinen
„Stil“ bezeichnen. Sei dies nun das Überbord-
werfen der hiftorifchen Stilelemente, die Ver-
neinung der „Faffade“ (Häufer an der Wienzeile),
die Schmudeformen der Sezeffionszeit (Wiener
Stadtbahnbauten) oder die bis zur leßten Folge-
richtigkeit durchgeführte Plattenverkleidung der
Außenwände (Poftfparkaffe): alles dies find
Merkmale der Kunft Wagners, die aber nur be-
dingte Geltung behielten, infofern fie feine per-
fönlichften Folgerungen des auf Zweck, Kon-
struktion und Materialechtheit gerichteten allge-
meinen Zeitwollens find. Darin aber verkör-
perte Wagner die Ideen Sempers, die von Wien
ausgehend der neueften Baukunft des In- und
Auslandes Richtung gaben. Die Kirche am Stein-
hof, das Poftfparkaffenamt und die Lupusheil-
ftätte find neben den vielen unausgeführt ge-
bliebenen Entwürfen wohl die reifften Früchte
diefer Art. — Aber noch in einer andern Be-
ziehung war er ein Vorkämpfer der Ideen unferer
Zeit: im modernen Städtebau. Die Bewegung,
die C. Sitte von Wien aus anbahnte, wurde in
ihm fruchtbar. In der Schule der großen Bau-
künftler der Wiener Stadterweiterung Van der
Nüll und Siccardsburg, aus der er hervorging,
mochte er dafür die nachhaltigften Anregungen
erhalten haben, wie feine erften Studien an der
Wiener technifchen Hochfchule den Grund zu
feinem hochentwickelten Sinn für das Konftruk-
tive gelegt, feine Studien in der Schule Schin-
kels in Berlin in ihm das Gefühl für edles Maß
und Großzügigkeit erweckt haben mochten.
Wenn man von feinen früheren ftädtebaulichen
Leitungen, wie den Hochbauten der Stadtbahn
und feiner Tätigkeit bei der Regelung des Do-
naukanals (Nußdorfer Schleuße) abßeht, fo pnd
allerdings feine in diefer Beziehung reifften Ar-
beiten leider nur Entwürfe — wenn auch „preis-
gekrönte“ Entwürfe geblieben. Jedesmal gab
es da in Wien einen „Kunftftreit“, bei dem ihm
feine Großzügigkeit und fein ehrliches Abgeneigt-
fein gegen jeden Ausgleich um den Sieg über
feine Feinde brachle. So blieb fein Entwurf
der Regulierung des Karlsplaßes durch die Er-
richtung des Stadtmufeums, fo auch fein groß-
artiger Entwurf für diefes Mufeum auf der
Schmelz oder der für das neue Kriegsminißerium
unausgeführt. Sein Plan für die Anlage des
XXI. Wiener Gemeindebezirkes zeugt wohl am
deutlichften für die Weite feines Geißes, das
michelangeleleske Streben, die größten Maßen
den Gefeßen des Zweckes künftlerifch unterzuord-
nen. Die ftarke und freie Perfönlichkeit Wagners
wird derjenige, der fie nicht in feinen Werken
erleben kann, am beften in feinem Buche „Die
Baukunft unferer Zeit“ (in den erften Auflagen
„Moderne Architektur“) erkennen, deßen durch-
gehender Gedanke in dem Säße gipfelt: „Der ein-
zige Ausgangspunkt unferes künftlerifchen Schaf-
fens kann nur das moderne Leben fein.“ H. G.
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