DIE SAMMLUNG LEO KIRCH IN COLN
bares Vorbild der niederrheinifchen Entwick-
lungsreihe diefes gleichen Madonnentypus
wirkt1.
Eine [ehr reizvolle fixende Madonna mit
Kind, die wohl rheinifchen Urfprunges ift, läßt
die Wirkung der anmutigen Schönheit der
Isle de France in aller Sinnfälligkeit erkennen.
In fchöner Freiheit ift die Gruppe von Mutter
und Kind in reiner Reliefkompofition gegeben.
Dadurch ift alles Starre der Frontalftellung in
mannigfachen Stufen in eine charakteriftifche
Profdbewegung umgewandelt. Die ausdrucks-
volle Seitwärtsneigung der Madonna fand ihre
reinfte und reiffte Löfung in der nordfranzö-
fifchen Elfenbeinplaftik. Zweifellos haben die
zahlreichen Elfenbeinarbeiten diefer Art auf
diefe rheinifche Madonna vorbildlich gewirkt.
Eine gewiffe Ähnlichkeit mit diefer Madonna
zeigt die Madonna der Krönung Marias des
Marienftätter Altars, der ja zweifellos der
rheinifchen Kunft, vielleicht gar der cölnifchen,
zuzurechnen ift. In diefer Krönung Marias er-
folgte die Umwandlung der finnlich-heiteren,
franzöfifchen Anmut in die innigere Gefühls-
tiefe der deutfdhen Auffaffung in verwandter
Weife wie in der Madonna der Sammlung
Kirch.
Auch die Zeit der Entftehung verbindet beide
Werke. Es mag das zweite oder dritte Jahr-
zehnt des 14. Jahrhunderts fein, in dem diefes
neue Motiv der deutfchen Bildnerei bekannt
wurde. Für diefe Zeit fpricht vor allem die
unbedingte Betonung des Reliefgemäßen. In-
folge der Profilbewegung ift die Kompofition
durchaus in die dekorative Flächenanfchauung
des 14. Jahrhunderts hineingebannt. Und zwar
völlig in der Art, die fowohl in den rund-
plaftifchen wie in den reliefmäßigen Elfenbein-
arbeiten Frankreichs vorherrfcht. Diefer bedeut-
fame Einfluß Frankreichs ftüßt die Annahme, daß diefe Madonna in einem rheinifchen
Kunftkreife in der erften Hälfte des 14. Jahrhunderts entftanden fein mag.
Als eines der fchönften Werke der reifen Kunft des frühen 15. Jahrhunderts ift die
Steinmadonna vom Meißer unferer lieben Frau von Hallgarten zu bezeichnen. (Abb. 4 u. 5.)
Die Madonna ift, abgefehen von einigen Befchädigungen am alten Steinfockel, dem
auch einige Falten des über den Rand des Sockels ragenden Gewandes zum Opfer
Äbb. 3. Madonna aus der Gegend von Mons.
1 Lüthgen: Die niederrheinifche Plaftik von der Gotik bis zur RenailTance. Straßburq 1918,
S. 461, 175, 186.
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bares Vorbild der niederrheinifchen Entwick-
lungsreihe diefes gleichen Madonnentypus
wirkt1.
Eine [ehr reizvolle fixende Madonna mit
Kind, die wohl rheinifchen Urfprunges ift, läßt
die Wirkung der anmutigen Schönheit der
Isle de France in aller Sinnfälligkeit erkennen.
In fchöner Freiheit ift die Gruppe von Mutter
und Kind in reiner Reliefkompofition gegeben.
Dadurch ift alles Starre der Frontalftellung in
mannigfachen Stufen in eine charakteriftifche
Profdbewegung umgewandelt. Die ausdrucks-
volle Seitwärtsneigung der Madonna fand ihre
reinfte und reiffte Löfung in der nordfranzö-
fifchen Elfenbeinplaftik. Zweifellos haben die
zahlreichen Elfenbeinarbeiten diefer Art auf
diefe rheinifche Madonna vorbildlich gewirkt.
Eine gewiffe Ähnlichkeit mit diefer Madonna
zeigt die Madonna der Krönung Marias des
Marienftätter Altars, der ja zweifellos der
rheinifchen Kunft, vielleicht gar der cölnifchen,
zuzurechnen ift. In diefer Krönung Marias er-
folgte die Umwandlung der finnlich-heiteren,
franzöfifchen Anmut in die innigere Gefühls-
tiefe der deutfdhen Auffaffung in verwandter
Weife wie in der Madonna der Sammlung
Kirch.
Auch die Zeit der Entftehung verbindet beide
Werke. Es mag das zweite oder dritte Jahr-
zehnt des 14. Jahrhunderts fein, in dem diefes
neue Motiv der deutfchen Bildnerei bekannt
wurde. Für diefe Zeit fpricht vor allem die
unbedingte Betonung des Reliefgemäßen. In-
folge der Profilbewegung ift die Kompofition
durchaus in die dekorative Flächenanfchauung
des 14. Jahrhunderts hineingebannt. Und zwar
völlig in der Art, die fowohl in den rund-
plaftifchen wie in den reliefmäßigen Elfenbein-
arbeiten Frankreichs vorherrfcht. Diefer bedeut-
fame Einfluß Frankreichs ftüßt die Annahme, daß diefe Madonna in einem rheinifchen
Kunftkreife in der erften Hälfte des 14. Jahrhunderts entftanden fein mag.
Als eines der fchönften Werke der reifen Kunft des frühen 15. Jahrhunderts ift die
Steinmadonna vom Meißer unferer lieben Frau von Hallgarten zu bezeichnen. (Abb. 4 u. 5.)
Die Madonna ift, abgefehen von einigen Befchädigungen am alten Steinfockel, dem
auch einige Falten des über den Rand des Sockels ragenden Gewandes zum Opfer
Äbb. 3. Madonna aus der Gegend von Mons.
1 Lüthgen: Die niederrheinifche Plaftik von der Gotik bis zur RenailTance. Straßburq 1918,
S. 461, 175, 186.
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