Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0213
DOI issue:
Heft 13/14
DOI article:Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Leo Kirch in Cöln, [1]
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0213
DIE SAMMLUNG LEO KIRCH IN COLN
gefallen find, von befter Er-
haltung. Die Bemalung ift, was
das Gewand anbetrifft, in Spä-
terer Zeit übergangen, während
alle Fleifchteile in vorzüglicher,
alter Faffung erhalten find. Die
neue Krone ift aus Holz. Es
könnte zunächft zweifelhaft er-
fcheinen, ob es fich bei dem
Meifter diefer Madonna um den
Schöpfer des Hallgartener Wer-
kes handelt. Die wundervolle
Weichheit des fließenden Ge-
wandftiles der Hallgartener Ma-
donna, die bewußte Betonung
fchönheitsvoller Formen, die ihn
in Hallgarten ein faft klaffifches
Ideal der Madonna fchaffen lie-
ßen, fcheinen in diefer fißenden
Madonna der Sammlung Kirch
nicht in dem Maße zu über-
wiegen, das es gerechtfertigt
erfcheinen läßt, auch diefe Ma-
donna dem mittelrheinifchen
Künftler zuzufchreiben. Den-
noch kann kaum ein Zweifel
an derZuweifung beftehen. Der
veränderte Geift diefes Werkes
ift eine Folge des völlig neuen
Motives, der fißenden Madonna,
das es zu geftalten galt. Gerade
das, daß der Meifter von Hall-
garten bei einer fißenden Ma- Äbb. 4. Madonna vom Meifter von Hallgarten,
donna von anderen Formvor-
ausfeßungen ausging, beweift
feine nicht zu bezweifelnde fchöpferifche Kraft.
Vergleicht man mit der Hallgartener Madonna das bekannte Grabmal der Anna von
Dalberg (+ 1410) in der Kirche in Oppenheim1, das, wie Klingelfchmitt nachwies, ihm
nahefteht, fo erkennt man auch hier die wundervolle Änpaffungsfähigkeit des Künft-
lers an feine Aufgaben und die Eigenart des Stoffes. Was ihn hier auszeichnet, ift
die gleiche Geftaltungsgabe, die der Madonna der Sammlung Kirch den eigenartigen
und hohen künftlerifchen Wert verleiht.
Nur auf Einzelheiten übereinftimmender Formen fei hingewiefen. Das feine Oval
des Kopfes, das den tiefen Zauber der innigen Gefühlswärme der Hallgartener Ma-
donna beftimmt, ift das gleiche wie das der fitjenden Madonna der Sammlung Kirch
Klingelfdimitt, Fr. Th.: Unfere liebe Frau von Hallgarten. Wiesbaden 1916, S.7, Äbb. Taf. V.
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gefallen find, von befter Er-
haltung. Die Bemalung ift, was
das Gewand anbetrifft, in Spä-
terer Zeit übergangen, während
alle Fleifchteile in vorzüglicher,
alter Faffung erhalten find. Die
neue Krone ift aus Holz. Es
könnte zunächft zweifelhaft er-
fcheinen, ob es fich bei dem
Meifter diefer Madonna um den
Schöpfer des Hallgartener Wer-
kes handelt. Die wundervolle
Weichheit des fließenden Ge-
wandftiles der Hallgartener Ma-
donna, die bewußte Betonung
fchönheitsvoller Formen, die ihn
in Hallgarten ein faft klaffifches
Ideal der Madonna fchaffen lie-
ßen, fcheinen in diefer fißenden
Madonna der Sammlung Kirch
nicht in dem Maße zu über-
wiegen, das es gerechtfertigt
erfcheinen läßt, auch diefe Ma-
donna dem mittelrheinifchen
Künftler zuzufchreiben. Den-
noch kann kaum ein Zweifel
an derZuweifung beftehen. Der
veränderte Geift diefes Werkes
ift eine Folge des völlig neuen
Motives, der fißenden Madonna,
das es zu geftalten galt. Gerade
das, daß der Meifter von Hall-
garten bei einer fißenden Ma- Äbb. 4. Madonna vom Meifter von Hallgarten,
donna von anderen Formvor-
ausfeßungen ausging, beweift
feine nicht zu bezweifelnde fchöpferifche Kraft.
Vergleicht man mit der Hallgartener Madonna das bekannte Grabmal der Anna von
Dalberg (+ 1410) in der Kirche in Oppenheim1, das, wie Klingelfchmitt nachwies, ihm
nahefteht, fo erkennt man auch hier die wundervolle Änpaffungsfähigkeit des Künft-
lers an feine Aufgaben und die Eigenart des Stoffes. Was ihn hier auszeichnet, ift
die gleiche Geftaltungsgabe, die der Madonna der Sammlung Kirch den eigenartigen
und hohen künftlerifchen Wert verleiht.
Nur auf Einzelheiten übereinftimmender Formen fei hingewiefen. Das feine Oval
des Kopfes, das den tiefen Zauber der innigen Gefühlswärme der Hallgartener Ma-
donna beftimmt, ift das gleiche wie das der fitjenden Madonna der Sammlung Kirch
Klingelfdimitt, Fr. Th.: Unfere liebe Frau von Hallgarten. Wiesbaden 1916, S.7, Äbb. Taf. V.
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