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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 13/14
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Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Leo Kirch in Cöln, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0221

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DIE SAMMLUNG LEO KIRCH IN CÖLN

innerung vorliegt, ift nicht zu entfcheiden. Aber
die Vorftufen in der erften Hälfte des 15. Jahrhun-
derts, die die cölnifche Madonna der Sammlung
Weiller in Frankfurt a. M. und der Palanter Altar
der Emmaburg bei Aachen geben, können die An-
regung zu diefer Löfung wohl vermittelt haben.

Das würde der eigenen Kraft des Künftlers keinen
Abbrudi tun, da ja gerade darin feine Bedeutung
liegt, vielfältig verfchiedene Formen in fchöpfe-
rifcher Geftalt [ich zum Eindruck des Notwendigen
in der Kompoption zufammenfeljen zu laffen.

Daß am Mittelrhein fchon gegenüber nord-
oder weftdeutfcher Art eine befondere Vorliebe
für weiche, [chwellende Formen beftand, zeigt
eine fißende Madonna aus Stein, die wohl fchon
der eigentlich füddeutfchen Kunft zuzurechnen ift
(Abb. 9).

Trofe der geringen Größe des Werkes find alle
Formen durchaus fteinplaftifch empfunden. Wenn
in der allgemeinen Anlage der Kompofition und
der Einzelformen auch manches auf Tirol weift, fo
fcheint diefe Madonna doch nicht Tiroler Urfprunges
zu fein. Denn gerade dort wird in allen Formen
ftets die Schärfe erftrebt, die der Bildfchnißer aus
den technifchen Bedingungen bei dem Schneiden
und Sehnigen des Holzes als die wertvollfte er-
achtet. Und gerade von diefer ftrengen und herben
Schärfe der Form kann man bei diefer Steinma-
donna nicht fprechen.

Die betonte Weichheit der Formen, die durch das
Gleitende und Fließende der Maffen zweifellos einen
malerifchen Eindruck macht, die charakteriftifche
Steinbehandlung, in der die großen Zufammen-
hänge derMaffe des Steines ftets betont erfcheinen,
fprechen am eheften für einen Kunftmittelpunkt,
in dem der Steinbildnerei erhöhte Bedeutung zu-
kam. Da außerdem die gefühlsbetonten Stimmungs-
werte der Anfchauung entfprechen, die in Schwaben
auch in der Malerei die herrfchende war, könnte
man an den Kreis der Ulmer Bildnerei denken, in

der ja gerade um die Mitte des 15. Jahrhunderts manches reife Kunftwerk in der
Steinplaftik gefchaffen wurde.

Es ift nicht ausgefchloffen, daß der Ulmer Bildnerfchule im Anfang der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts noch Einwirkungen zußoffen aus den Tiroler Kunftkreifen,
infofern nämlich, als fich diefe Einflüffe durch die Vermittlung Hans Multfchers, der in
Sterzing feine beften Jugendwerke fchuf, zwanglos ergeben konnten.

Für die fchwäbifche Art bemerkenswert ift vor allem die Vorliebe für weich gerundete

Äbb. 10. Johannes der Täufer.
Sdiwäbifdi.

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