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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

DOI Heft:
Heft 15/16
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Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Leo Kirch in Cöln, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0246

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DIE SAMMLUNG LEO KIRCH IN COLN

in allen malerifchen Darftellungsmitteln wefentlidi
fortfchrittlicher, fo daß man faft einen Zwifchen-
raum von zwanzig Jahren zwifchen [einer Ent-
[tehung und der der Madonna annehmen darf.

Die beiden betenden Engel auf der Rückwand,
auf Wolken fchwebend, find offenbar älter. Sie
mögen kurz nach der Mitte des 15. Jahrhunderts
entftanden [ein.

Dem gleichen Kreife gehört die hoheitsvolle Ge-
ftalt Gottvaters an, der in der linken Hand die
Weltkugel hält und die rechte zum Segensgeftus
erhebt (Abb. 13).

In der zugleich ruhigen und malerifdien Ge-
wandbehandlung fpricht pch die oberrheinifche
Auffaffung aus, wie fie etwa im erften Jahrzehnt
des 16. Jahrhunderts herrfchte. Kurz vor der
Zeit, ehe auch am Oberrhein die Neigung zur
malerifchen Äuflöfung der Formen zu gewiffen
übertriebenen Verzerrungen führte1, wie [ie der
Dreikönigsaltar des Münfters in Freiburg i. Br.
aufweift. Die Behandlung der Köpfe der Drei-
könige, die gleichmäßige Stilisierung des Bartes
und die weiche Maffe des durch tiefe Furchen
aufgelockerten Haupthaares findet in dem Gott-
vater der Sammlung Kirch eine Vorftufe. Auch
die monumentale Größe der Anfchauung, das
Wuchtige und Hoheitsvolle, das Herauswadifen
des Ausdrucks über das allgemeine menfchliche
Maß, find hier wie dort die gleichen.

Als Übergangswerk der fließend ruhigen Art
des fpäten 15. Jahrhunderts und der wild leiden-
fchaftlichen Bewegtheit, der die Umdeutung der
plaftifchen Formklarheit in flackernde Licht-
Schattenwirkungen inneres Bedürfnis ift, wie fie
das beginnende 16. Jahrhundert liebte, ift diefes
Werk von befonderer Bedeutung. Denn aus der
ruhigen Größe des vergangenen Stiles empfängt
es feine befondere geiftige Haltung, die dem
Motiv entfprechende innerliche Vertiefung. Sie
wird gewonnen vornehmlich aus der betonten
Frontalftellung, dem ftarren Äufgerichtetfein der
Geftalt, dem ruhigen Fluffe des Untergewandes.
Die Umrißlinie der Geftalt aber ift fchon viel-
fältig zerriffen und aufgelöft. Und an diefe
unruhige Linie fchließen [ich die mannigfaltigen,
weichen Faltenfchiebungen, die eine reiche Be-
lebung der Wirkung des Lichtes und der Schatten

Abb. 12. Oberrheinifche Madonna.
 
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