DIE SAMMLUNG LEO KIRCH IN CÖLN
betonte Gegenfäljlichkeit der Bewegungsvorgänge, die
durch das Schreitmotiv und die Bewegung der Arme
bedingt ift. Und diefe fich widerfprechende Bewegung
wird zur Einheit der [tärkften körperhaft plaftifchen
Wirkung dadurch, daß fich von unten nach oben die
Geftalt korkzieherartig emporzuwinden fcheint. Man
will in diefer Zeit, im Anfang des 16. Jahrhunderts,
jede Erinnerung an die reliefplaftifche Gebundenheit
der Form ausfchalten; man will unter allen Umftänden
den vollen Eindruck der eigentlichen Rundplaftik, die
von jedem Standpunkt des Befchauers eine bedeut-
fame und gefchloffene Wirkung ergeben foll.
Das ift die Auffaffung, die den Dreikönigen des
Dreikönigsaltares im Münfter zu Freiburg die ftarke
Wirkung fichert, die diefem Werke auch feine ent-
wicklungsgefchichtliche Bedeutung innerhalb der füd-
deutfchen Kunft verleiht.
Die Charakteriftik der Bewegung, das Selbftbewußt-
Stolze der Haltung, dazu die herbe Feftigkeit der
Einzelformen find in diefem König der Sammlung
Kirch in ähnlicher Weife bemerkbar, allerdings nicht
fo fortgefchritten und künftlerifch ausgereift, wie in
dem Freiburger Altar.
Das künftlerifch reiffte Werk diefes oberrheinifchen
Kreifes ift die Halbfigur des Apoftels Petrus von
Niklaus Gerhaerd von Leiden (Abb. 15). Die Halbfigur
diefes Apoftels ift in dem warmen Ton des alten
Nußbaumholzes von allerbefter Erhaltung. Da fie nicht
auf Polgchromie gearbeitet ift, bietet fie in der fchni^-
technifchen Behandlung das Höchfte, was der Gotik
des 15. Jahrhunderts gelingen konnte.
Der neue kompofitorifche Gedanke, die menfchliche
Geftalt als Büfte oder Halbfigur zu geben, ift an fich
der gotifchen Formauffaffung fremd, mit Ausnahme derjenigen Werke, die als Kopf-
reliquiare befonderen kirchlichen Zwecken dienten. Tn Süddeutfchland aber ift fchon
feit den fechziger Jahren des 15. Jahrhunderts die Halbfigur des öfteren in einem
größeren dekorativen Zufammenhange verwertet worden, zumeift in Verbindung mit
den Wangen oder der Rückwand des Chorgeftühls. ln den Fällen handelte es fich
ftets um eine bewußte Einordnung der Halbfigur in einen feftftehenden Rahmen, oder
aber es wurde die Halbfigur als Krönung und Abfchluß einer Brettwand benußt, wie
bei der Chorftuhlwange. So hat Jörg Sgrlin d. Ä. feine innig empfundenen Geftalten
am Dreifitj des Ulmer Münfters im Jahre 1468 vollendet. In den nächften Jahren
fchuf er die flachreliefmäßig behandelten Halbfiguren des Chorgeftühles des Ulmer
Münfters, und zwar in den Jahren 1469—1474, die faft an plaftifcher Eindringlichkeit
noch überboten werden durch die vollrund gefchnitjten Büften auf den Wangen
diefes Chorgeftühles. Ähnliche Arbeiten fertigte Heinrich Yfelin für das Weingartener
Chorgeftühl, das heute das Bayrifche National-Mufeum befitjt. Und der jüngere Syrlin
Äbb. 14. Einer der hl. drei Könige.
Oberrheinifch.
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betonte Gegenfäljlichkeit der Bewegungsvorgänge, die
durch das Schreitmotiv und die Bewegung der Arme
bedingt ift. Und diefe fich widerfprechende Bewegung
wird zur Einheit der [tärkften körperhaft plaftifchen
Wirkung dadurch, daß fich von unten nach oben die
Geftalt korkzieherartig emporzuwinden fcheint. Man
will in diefer Zeit, im Anfang des 16. Jahrhunderts,
jede Erinnerung an die reliefplaftifche Gebundenheit
der Form ausfchalten; man will unter allen Umftänden
den vollen Eindruck der eigentlichen Rundplaftik, die
von jedem Standpunkt des Befchauers eine bedeut-
fame und gefchloffene Wirkung ergeben foll.
Das ift die Auffaffung, die den Dreikönigen des
Dreikönigsaltares im Münfter zu Freiburg die ftarke
Wirkung fichert, die diefem Werke auch feine ent-
wicklungsgefchichtliche Bedeutung innerhalb der füd-
deutfchen Kunft verleiht.
Die Charakteriftik der Bewegung, das Selbftbewußt-
Stolze der Haltung, dazu die herbe Feftigkeit der
Einzelformen find in diefem König der Sammlung
Kirch in ähnlicher Weife bemerkbar, allerdings nicht
fo fortgefchritten und künftlerifch ausgereift, wie in
dem Freiburger Altar.
Das künftlerifch reiffte Werk diefes oberrheinifchen
Kreifes ift die Halbfigur des Apoftels Petrus von
Niklaus Gerhaerd von Leiden (Abb. 15). Die Halbfigur
diefes Apoftels ift in dem warmen Ton des alten
Nußbaumholzes von allerbefter Erhaltung. Da fie nicht
auf Polgchromie gearbeitet ift, bietet fie in der fchni^-
technifchen Behandlung das Höchfte, was der Gotik
des 15. Jahrhunderts gelingen konnte.
Der neue kompofitorifche Gedanke, die menfchliche
Geftalt als Büfte oder Halbfigur zu geben, ift an fich
der gotifchen Formauffaffung fremd, mit Ausnahme derjenigen Werke, die als Kopf-
reliquiare befonderen kirchlichen Zwecken dienten. Tn Süddeutfchland aber ift fchon
feit den fechziger Jahren des 15. Jahrhunderts die Halbfigur des öfteren in einem
größeren dekorativen Zufammenhange verwertet worden, zumeift in Verbindung mit
den Wangen oder der Rückwand des Chorgeftühls. ln den Fällen handelte es fich
ftets um eine bewußte Einordnung der Halbfigur in einen feftftehenden Rahmen, oder
aber es wurde die Halbfigur als Krönung und Abfchluß einer Brettwand benußt, wie
bei der Chorftuhlwange. So hat Jörg Sgrlin d. Ä. feine innig empfundenen Geftalten
am Dreifitj des Ulmer Münfters im Jahre 1468 vollendet. In den nächften Jahren
fchuf er die flachreliefmäßig behandelten Halbfiguren des Chorgeftühles des Ulmer
Münfters, und zwar in den Jahren 1469—1474, die faft an plaftifcher Eindringlichkeit
noch überboten werden durch die vollrund gefchnitjten Büften auf den Wangen
diefes Chorgeftühles. Ähnliche Arbeiten fertigte Heinrich Yfelin für das Weingartener
Chorgeftühl, das heute das Bayrifche National-Mufeum befitjt. Und der jüngere Syrlin
Äbb. 14. Einer der hl. drei Könige.
Oberrheinifch.
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