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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 15/16
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Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Leo Kirch in Cöln, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0254

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DIE SAMMLUNG LEO KIRCH IN CÖLN

heit und Einheit des Ausdruckes, die den Schrein als ein in [ich ruhendes, abgefchloffe-
nes Kunftwerk in Erfcheinung treten läßt.

Was bei diefen vier Gewalten troß ihres verfchieden gearteten Charakters am be-
merkenswerteren auffällt, ift die weiche Anmut der Empfindung, die faft an die Grenze
des Süßen ftreift. Sie wird in den plaftifchen Formen erzwungen durch die bis zur
äußerften Möglichkeit gefteigerte S-förmige Linie, die die Bewegung aller mädchenhaft
zarten Körper durchbebt. Hier in diefer bewußt erftrebten Anmut der Form mag eine
Wirkung der italienifchen Empfindungsweife zu beobachten fein, die ja zweifellos [o-
wohl in der Tiroler wie der falzburgifchen wie der oberrheinifchen Plaftik nachweisbar
ift. Wie das italienifche Kunftempfinden mehr die fchöne Form als Selbftzweck auf-
faßt, oft ohne ftärkere Rückpchtnahme auf die Tiefe des Ausdrucks oder den inneren
Gehalt, fo laffen auch manche Werke der oberdeutfchen Grenzgebiete diefen feinen,
leifen Nachklang italienifcher Art nicht vermiffen. Und wenn auch an erftrebter Tiefe

des feelifchen Lebens folche Arbeiten
hinter anderen deutfchen Werken zu-
rückftehen mögen, fo find pe demgegen-
über ausgezeichnet durch eine befondere
Stärke der finnlichen Erlebnismöglich-
keiten, die auf der äußeren Schönheit
der Formen beruht. Deshalb kann es
nicht überrafchen, daß in den vier Hei-
ligen des Schreines diefe pe zur Ein-
heit zufammenfaffende Bewegung fo
finnlich und ficher zugleich empfunden
ift. Es ift eine Bewegung, die das An-
mutige und Zierliche, ja das Gezierte
liebt, und in der ein wunderlicher und
preziöfer Geftus natürlich erfcheint. Die
zierliche Neigung des Kopfes ift, aus
welcher Bewegung des Körpers pe auch
immer hervorgegangen fein mag, leicht
und locker gegeben, fo daß man fühlt,
wie der feine Kopf fich auf dem fchlan-
ken Hälfe hin und her wenden kann.
Und diefe Bewegungsmöglichkeit geht
von hier aus über in die graziöfe Hal-
tung der Hände, gleitet in die großen,
beherrfchenden Faltenzüge und gibt da-
durch jeder einzelnen Geftalt ein eige-
nes perfönliches Leben. Immer ift es
eine faft gefühlsfelige Emppndfamkeit,
die in dem träumerifchen Sichverfenken
und Sichverlieren des Gefühles in dem
pnnenden Ausdruck der Köpfe ihre Krö-
nung pndet. Das ift die gleiche Art
der Empfindung, die fich in der eigent-
Abb. 18. Hl. Chriftophorus. Sdiwäbifch. lieh oberrheinifchen Schule, in der thro-

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