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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

DOI issue:
Heft 15/16
DOI article:
Lüthgen, Eugen: Die Sammlung Leo Kirch in Cöln, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0257

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DIE SAMMLUNG LEO KIRCH IN CÖLN

Die Kunft, bedeutende Charakterköpfe voll
lebhafter Empfindung als Ausfluß einer großen
Perfönlichkeit zu geftalten, hat manche der
Nürnberger Meifter ausgezeichnet. Das Herbe
und Strenge, das häufig einem Anflug des
Starren und Mürrifchen weichen muß, ift vom
frühen 15. Jahrhundert bis in die Spätzeit der
Meifterwerke eines Albrecht Dürer der nürnberg-
ifchen Kunft eigentümlich. Wie fich hier eine
auf das Große und Starke des Ausdrucks ge-
richtete Überlieferung während eines Jahrhun-
derts bewahrt hat, fo kann die ganze Nürn-
berger Schule darin ein fchönes Maß vonFeftig-
keit und Sicherheit der Formgebung ihr eigen
nennen, daß alle Künftler Nürnbergs mit be-
merkenswertem Gleichmut überlieferte Formen
als ihre eigenen aus der Vergangenheit in die
Gegenwart und Zukunft übernehmen, um mit
den vertrauten Ausdrucksmittein Perfönliches und
Neues zu fagen. Die Neigung, um jeden Preis
neue Darftellungswerte zu fchaffen, ift der Nürn-
berger Schule völlig fremd.

Aus diefem Geifte heraus ift der kleine Chrifto-
phorus der Sammlung Kirch als eine Weiter-
bildung des Sdilüffelfelder Chriftophorus zu ver-
gehen. Hier wie dort die gleiche Zerklüftung
der Gewandflächen durch fcheinbar überreiche,
kreuz und quer verlaufende kleine Faltenftege.

Nur daß, da das ausgehende 15. Jahrhundert
mehr Wert auf den malerifchen Gefamteindruck
legte, alle Stege gleitender und in ihren längs-
feitigen Übergängen weicher und fließender ge-
worden find. Aber trotj des Holzes empfindet
man immer noch die Steinbehandlung des ur-
fprünglichen Vorbildes. Äbb_ 20.

Was an Größe und wuchtender Kraft aus
dem majeftätifchen Steinbildwerke in diefe kleine

holzgefchnißte Figur übernommen werden konnte, das ift in völlig perfönlicher und
durchaus fchöpferifcher Weife gefchehen. Vor allem das Gewaltige des Ausdrucks
diefes fchönen Kopfes, das Mühevolle des Dahinfehreitens, das Drückende der Laft
des fich fchwer durch das Waffer kämpfenden Mannes ift in überzeugender Sinn-
fälligkeit feftgehalten. Gerade das, daß das Wunder, das hier gefchieht, mit möglichft
finnfälligen Mitteln höchft eindrucksvoll geftaltet ift, entfpricht der verftandesklaren
Nürnberger Art, die fich fo feiten im Übermaß oder in der lyrifchen Weichheit eines
Gefühles verliert. So fißt denn auch das Kind gerade auf dem Nacken des Chrifto-
phorus. Es ift dabei alles getan, um den Gegenfaß zwifchen dem fcheinbar leichten
Chriftuskind und dem übermäßig großen, breiten und ftarken Körper des Chriftophorus

Madonna aus der Gegend von
Dortmund.

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