DIE DEUTSCHE KUNST IN DER ZUKUNFT
unferes Äusftellungswefens, das Bild unferer in
den lebten Jahrzehnten immens gewachfenen
Städte belegt die hier angeführten Dinge all-
gemeiner Art. Ein Volk aber, das groß und
ftark daftehen foll, wird immer eines wirklich
gefchulten Handwerks und nur weniger Führer
im Künftlerifdien bedürfen; ein großes Volk
aber, das künftiidi ein Kunftproletariat züchtet
und dabei der Überlieferungen feines handwerk-
lichen Könnens vergißt, das die Berufenen nicht
unter ftaatliche Obhut nimmt und ßch dafür der
Mittelmäßigkeit verfchreibt, diefes Volk darf für
fich weder den Ruf einer Kulturnation fordern,
noch auch den Ehrgeiz haben, anderen Völkern
erzieherifdi voranzugehen. Daß wir die Miß-
ftände erkannten, als es zu fpät war, daß u. a.
der Werkbundgedanke Rettung und Befferung
bringen follte, daß im kleinen gerade im lebten
Jahrzehnt einer wirklich fruchtbaren künftleri-
fdien Erneuerung fehr viel Gutes geleiftet wor-
den ift, foll nicht verkannt werden. Im großen
aber hätte doch nur eine von oben her durch-
greifende Organifation das Grundübel anzufaffen
und in fein Gegenteil zu kehren vermocht —
und die hat verjagt oder gefehlt. Ein fchlechter
Troft, daß es bei anderen Völkern gewiß nicht
beffer beftellt gewefen ift, und eine alltägliche
Weisheit, daß nur die höhere Leiftung zur An-
erkennung zwingt.
Soll der deutfdie künftlerifche Geiß in der
Zukunft wieder fruchtbar werden, wie er es im
dunklen Mittelalter war (jener herrlichen Epoche
des Lichts, das die Völker der Erde im Geifte
und in der Kunft zufammengeführt, wie es ein
Teil unferes Traumes von der deutfchen Zukunft
ift), dann dürfen wir auch in einer fozial und
ftaatlich fo gänzlich anders gearteten Zeit die
Lehren der Gefchichte nicht vergeffen. Wir
brauchen das deutfche Handwerk in feiner beften
Kraft auf der Höhe des Mittelalterlichen und
brauchen den Künftler, der ßch feiner bedient,
dem Staat und den Gemeinden die großen Auf-
gaben bildender und angewandter Kunft anver-
trauen — brauchen bei einem völkifch fo unter-
fchiedlichen Stamme wie dem unfrigen die Äch-
tung und das Recht der Überlieferung, dann
werden wir durch Können international werden
und alle Manöver der Börfe und der Jobber
werden nicht verfangen gegenüber einer ziel-
bewußt geleiteten Erneuerung, die die Beften
des Handwerks und des künftlerifdien Schaffens
zu gemeinfamer Tat zufammenführt. Im Zeit-
alter des ausgeprägteften akademifchen Kunß-
betriebes fei das Wort ausgefprochen: Ihr Väter,
die ihr Söhne habt, die Talent zeigen, gebt fie
einem Meifter in die Lehre. Und ihr Städte
und Dörfer, ftellt eure Meifter vor Aufgaben, die
des Handwerks würdig ßnd. Gebt dem Meißel
und der Kelle ihr altes, durch unnüßes Formen-
ftudium und Reisbrettzeichnen verloren gegange-
nes Recht zurück, errichtet Werkftätten, die nur
für euch arbeiten, in denen der Meifter die
Jugend im Handwerk erzieht, und ihr werdet
von felbft eines Tages die Künftler haben, die
euch keine noch fo gut geleitete Akademie zu
erfeßen vermag. Das Rezept ift einfach, aber
feine Verwirklichung fdiwer. — Wenn man dies
ausfpricht, empfindet man von felbft die taufend
Einwände, die von rechts und links herüber-
fchallen. Die Aufgabe ift auch nicht von heute
auf morgen zu löfen und ficher nicht fo fchneil
ausgeführt, als das Rezept verfchrieben war.
Gerade da bedürfte es der klugen Führung, der
ftaatlichen OrganifStion, daß wir nicht von einem
Experiment ins andere fallen oder den Teufel —
durch Beizebub austreiben. Auch der Weg des
Übergangs müßte gefucht und gefunden werden;
denn alle Theorie verfängt nicht gegenüber den
Forderungen des realen Lebens, und Kunft und
Handwerk haben in einem Zeitalter, wo die
Mafdiine regiert, von Grund aus umzulernen.
Indes, ebenfowenig wie eine Mafchine Häufer
bauen oder Bilder malen kann, ebenfowenig
wird man Möbel, Gefäße und alle jene Ge-
brauchs- und Luxusgegenftände, die der Ver-
edelung unferes Dafeins dienen, durch mafchi-
nell hergeftellte Einheitsmufter auf die Dauer
erfeßen können, wenn es fich um Repräfentation
des einzelnen oder einer Gefamtheit handelt.
Nie darf die Kunft oder das durch künftlerifches
Empfinden geläuterte Handwerk der Mafchine
untertan werden, fondern die Mafchine bleibe
untertan dem Geifte, der diefe Dinge vorantreibt,
fei lediglich Mittel zur Steigerung der Produk-
tivität im Künftlerifdien, das diefes neuen Bun-
desgenoffen nicht mehr entraten kann. —
Und der Künftler? Seine Stellung in der nahen
Vergangenheit ift durch mehr als eine Äußerung
diefes leßten Äbfchnittes bereits deutlich ge-
kennzeichnet. Der Künftler von Ruf und Erfolg
war feiten gleichbedeutend mit dem Künftler
von Begabung und Können. Der zur Mittel-
mäßigkeit erzogene deutfche Kunftfreund (die
Ausnahmen unter unferen vorbildlichen deutfchen
Sammlern zählen nicht mit) liebte die Kunft, die
ihm bequem war, die er nach eigenem Wohl-
gefallen auf den Jahrmärkten der Aufteilungen
zur Zierde feines Heimes wie in einem Groß-
bafar ausfuchen konnte. Diefe Äusftellungen,
die der größte Krebsfchaden unferes bisherigen
Kunftbetriebes gewefen find, in ihrer Überfülle
des Gleichgültigen und Belanglofen, ohne Maß-
ftab von Kritik und Kenntnis durch eine Inter-
effengemeinfehaft des Mittelmäßigen aufgebaut,
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unferes Äusftellungswefens, das Bild unferer in
den lebten Jahrzehnten immens gewachfenen
Städte belegt die hier angeführten Dinge all-
gemeiner Art. Ein Volk aber, das groß und
ftark daftehen foll, wird immer eines wirklich
gefchulten Handwerks und nur weniger Führer
im Künftlerifdien bedürfen; ein großes Volk
aber, das künftiidi ein Kunftproletariat züchtet
und dabei der Überlieferungen feines handwerk-
lichen Könnens vergißt, das die Berufenen nicht
unter ftaatliche Obhut nimmt und ßch dafür der
Mittelmäßigkeit verfchreibt, diefes Volk darf für
fich weder den Ruf einer Kulturnation fordern,
noch auch den Ehrgeiz haben, anderen Völkern
erzieherifdi voranzugehen. Daß wir die Miß-
ftände erkannten, als es zu fpät war, daß u. a.
der Werkbundgedanke Rettung und Befferung
bringen follte, daß im kleinen gerade im lebten
Jahrzehnt einer wirklich fruchtbaren künftleri-
fdien Erneuerung fehr viel Gutes geleiftet wor-
den ift, foll nicht verkannt werden. Im großen
aber hätte doch nur eine von oben her durch-
greifende Organifation das Grundübel anzufaffen
und in fein Gegenteil zu kehren vermocht —
und die hat verjagt oder gefehlt. Ein fchlechter
Troft, daß es bei anderen Völkern gewiß nicht
beffer beftellt gewefen ift, und eine alltägliche
Weisheit, daß nur die höhere Leiftung zur An-
erkennung zwingt.
Soll der deutfdie künftlerifche Geiß in der
Zukunft wieder fruchtbar werden, wie er es im
dunklen Mittelalter war (jener herrlichen Epoche
des Lichts, das die Völker der Erde im Geifte
und in der Kunft zufammengeführt, wie es ein
Teil unferes Traumes von der deutfchen Zukunft
ift), dann dürfen wir auch in einer fozial und
ftaatlich fo gänzlich anders gearteten Zeit die
Lehren der Gefchichte nicht vergeffen. Wir
brauchen das deutfche Handwerk in feiner beften
Kraft auf der Höhe des Mittelalterlichen und
brauchen den Künftler, der ßch feiner bedient,
dem Staat und den Gemeinden die großen Auf-
gaben bildender und angewandter Kunft anver-
trauen — brauchen bei einem völkifch fo unter-
fchiedlichen Stamme wie dem unfrigen die Äch-
tung und das Recht der Überlieferung, dann
werden wir durch Können international werden
und alle Manöver der Börfe und der Jobber
werden nicht verfangen gegenüber einer ziel-
bewußt geleiteten Erneuerung, die die Beften
des Handwerks und des künftlerifdien Schaffens
zu gemeinfamer Tat zufammenführt. Im Zeit-
alter des ausgeprägteften akademifchen Kunß-
betriebes fei das Wort ausgefprochen: Ihr Väter,
die ihr Söhne habt, die Talent zeigen, gebt fie
einem Meifter in die Lehre. Und ihr Städte
und Dörfer, ftellt eure Meifter vor Aufgaben, die
des Handwerks würdig ßnd. Gebt dem Meißel
und der Kelle ihr altes, durch unnüßes Formen-
ftudium und Reisbrettzeichnen verloren gegange-
nes Recht zurück, errichtet Werkftätten, die nur
für euch arbeiten, in denen der Meifter die
Jugend im Handwerk erzieht, und ihr werdet
von felbft eines Tages die Künftler haben, die
euch keine noch fo gut geleitete Akademie zu
erfeßen vermag. Das Rezept ift einfach, aber
feine Verwirklichung fdiwer. — Wenn man dies
ausfpricht, empfindet man von felbft die taufend
Einwände, die von rechts und links herüber-
fchallen. Die Aufgabe ift auch nicht von heute
auf morgen zu löfen und ficher nicht fo fchneil
ausgeführt, als das Rezept verfchrieben war.
Gerade da bedürfte es der klugen Führung, der
ftaatlichen OrganifStion, daß wir nicht von einem
Experiment ins andere fallen oder den Teufel —
durch Beizebub austreiben. Auch der Weg des
Übergangs müßte gefucht und gefunden werden;
denn alle Theorie verfängt nicht gegenüber den
Forderungen des realen Lebens, und Kunft und
Handwerk haben in einem Zeitalter, wo die
Mafdiine regiert, von Grund aus umzulernen.
Indes, ebenfowenig wie eine Mafchine Häufer
bauen oder Bilder malen kann, ebenfowenig
wird man Möbel, Gefäße und alle jene Ge-
brauchs- und Luxusgegenftände, die der Ver-
edelung unferes Dafeins dienen, durch mafchi-
nell hergeftellte Einheitsmufter auf die Dauer
erfeßen können, wenn es fich um Repräfentation
des einzelnen oder einer Gefamtheit handelt.
Nie darf die Kunft oder das durch künftlerifches
Empfinden geläuterte Handwerk der Mafchine
untertan werden, fondern die Mafchine bleibe
untertan dem Geifte, der diefe Dinge vorantreibt,
fei lediglich Mittel zur Steigerung der Produk-
tivität im Künftlerifdien, das diefes neuen Bun-
desgenoffen nicht mehr entraten kann. —
Und der Künftler? Seine Stellung in der nahen
Vergangenheit ift durch mehr als eine Äußerung
diefes leßten Äbfchnittes bereits deutlich ge-
kennzeichnet. Der Künftler von Ruf und Erfolg
war feiten gleichbedeutend mit dem Künftler
von Begabung und Können. Der zur Mittel-
mäßigkeit erzogene deutfche Kunftfreund (die
Ausnahmen unter unferen vorbildlichen deutfchen
Sammlern zählen nicht mit) liebte die Kunft, die
ihm bequem war, die er nach eigenem Wohl-
gefallen auf den Jahrmärkten der Aufteilungen
zur Zierde feines Heimes wie in einem Groß-
bafar ausfuchen konnte. Diefe Äusftellungen,
die der größte Krebsfchaden unferes bisherigen
Kunftbetriebes gewefen find, in ihrer Überfülle
des Gleichgültigen und Belanglofen, ohne Maß-
ftab von Kritik und Kenntnis durch eine Inter-
effengemeinfehaft des Mittelmäßigen aufgebaut,
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