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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 19/20
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Grautoff, Otto: Die letzten französischen Massnahmen zum Schutz der Kunstdenkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0342

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FRANZÖSISCHE MASSNAHMEN ZUM SCHUTZ DER KUNSTDENKMALER

Eifenrollen gefpannt und nach Südfrankreich gefandt worden. Die Fresken von Puvis
de Chavannes in der Sorbonne find ebenfalls entfernt worden. Die zwanzig allego-
rifdien Gemälde in der Bibliothek und die fedis Deckenmalereien im Thronfaal von
Delacroix im Palais Bourbon find abtransportiert worden. Die Marseillaise von Rüde
am Are de Triomphe, der Sockel der Vendöme-Säule und des Julidenkmals find mit
Sandfäcken verkleidet worden, während die Gruppe des Tanzes von Carpeaux und
die Statuen von Cogsevox in Sandfteinfarkophagen verpackt worden find, die ihrer-
feits wiederum durch Holzverkleidungen gefchüfet wurden. Auch die Privatfammlungen
werden geräumt und fortgefchafft. Die Direktion des Beaux Arts teilte den Privat-
befife in drei Kategorien: fehr dringend, dringend, zurtickzuftellen.

In banger Beforgnis fragt man fich, was aus dem Rodin-Mufeum wird. Der Denker
vor dem Pantheon ift in dem Kellergewölbe des Pantheon in Sicherheit gebracht. Das
Mufeum aber im Palais Biron ift allen Gefahren ausgefefet. Am meiften aber ift wohl um
das Atelier Rodins auf dem Gipfel des Hügels von Meudon, hoch über dem lieblichen Tale
der Blumen zu fürchten. Dort fteht unter dem Oberlicht feines Ateliers das eine, das
einzige Exemplar des Balzacdenkmals aus Gips. Es darf, es kann nicht fein, daß
diefes Denkmal eines Jahrhunderts in Trümmer zerfällt! Es wird kaum möglich fein,
daß diefe Riefenftatue aus Gips während der Befchießung der Deutfchen von Meudon
herunter und forttransportiert werden kann. Noch weniger wird es fich durchführen
laffen, daß in diefen Monaten der Verwirrung ein Bronzeguß hergeftellt wird. Man
wird den . himmlifchen Mächten den Schüfe des Werkes anvertrauen müffen, da nicht
zu erwarten fteht, daß ein fchnelles Kriegsende alle diefe Gefahren befeitigt. Wenn
man den Umfang ,und die Bedeutung diefer Gefahren überfchlägt, fo begreift man
nicht, daß die Einficht in die Sinnlofigkeit diefes Kampfes in Frankreich nicht allge-
meiner wird, daß das franzöfifche Volk feinen hartnäckigen Kriegsführern nicht die
Waffen aus der Hand fchlägt, um dem Sterben der Menfchen und dem Zertrümmern
der Denkmäler endlich ein Ende zu machen.

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