Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0359
DOI Heft:
Heft 21/22
DOI Artikel:Uhde-Bernays, Hermann: Die Entwicklung der Impressionistischen Kunst in Deutschland
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0359
DIE ENTWICKLUNG DER IMPRESSIONISTISCHEN KUNST IN DEUTSCHLAND
Äbb. 8. Zimmermann, Damenbildnis. Äbb. 9. Leibi, Herrenbildnis.
Mit Genehmigung der Photogr. Gefellfchaft, Berlin.
Zur gleichen Zeit, als Schleich und Spitjweg 1851 längere Zeit in Paris weilten,
haben dort, zumeift im Atelier Coutures, zahlreiche andere junge Deutfche ftudiert,
welchen die Namen Delacroix und fchon auch Courbet vertraut wurden: neben Anfelm
Feuerbach Ludwig Knaus, Ludwig von Hagn, Friedrich Hausmann, namentlich Wilhelm
Lindenfchmit und Viktor Müller, dem nach mehreren Jahren feine Frankfurter Freunde
Scholderer und Schreyer folgten. Feuerbach erfcheint in einer der Bedeutung des Im-
prefponismus geweihten Ausftellung mit Recht nur als Gaft. Den Erinnerungen feiner
Parifer Lehrzeit entftammen die fchwermütig-düftere „Vifion des heiligen Antonius“
und ein bisher unbekannter, ganz franzöfifch nachgefühlter „Mädchenkopf“, welcher
durch die nahe Verwandtfchaft mit der „Poepe“, dem erften in Italien vollendeten
Bilde, charakteriftifche Beziehungen gewinnt. Entfcheidender treten Lindenfchmit und
Victor Müller auf. Diefer wandelt mit überrafchenden Studien als der ebenbürtige
deutfche Partner des Eugene Delacroix durch eine mit reicher Phantafie zur idealifti-
fchen Bühne umgefchaffene Wirklichkeit. Die Pammende Subftanz eines Gemäldes
wie des „Empfanges“ von Lindenfchmit aus dem Jahre 1855 ruft bereits Eduard
Manets Namen zum Vergleich. Auch Hagn und Hausmann erweifen fich als Zu-
gehörige der franzöfifchen Kunft, Hagn als Anhänger Meiffoniers, Hausmann als Land-
fchafter dem breiten Vortrag Theodor Rouffeaus zugewandt. Bei Schreyers „Eingang
zum zoologifchen Garten in Frankfurt“ mag unbedenklich der frühe Renoir herbei-
geholt werden, um die grünfilberne Leichtigkeit der atmofphärifchen Behandlung zu
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Äbb. 8. Zimmermann, Damenbildnis. Äbb. 9. Leibi, Herrenbildnis.
Mit Genehmigung der Photogr. Gefellfchaft, Berlin.
Zur gleichen Zeit, als Schleich und Spitjweg 1851 längere Zeit in Paris weilten,
haben dort, zumeift im Atelier Coutures, zahlreiche andere junge Deutfche ftudiert,
welchen die Namen Delacroix und fchon auch Courbet vertraut wurden: neben Anfelm
Feuerbach Ludwig Knaus, Ludwig von Hagn, Friedrich Hausmann, namentlich Wilhelm
Lindenfchmit und Viktor Müller, dem nach mehreren Jahren feine Frankfurter Freunde
Scholderer und Schreyer folgten. Feuerbach erfcheint in einer der Bedeutung des Im-
prefponismus geweihten Ausftellung mit Recht nur als Gaft. Den Erinnerungen feiner
Parifer Lehrzeit entftammen die fchwermütig-düftere „Vifion des heiligen Antonius“
und ein bisher unbekannter, ganz franzöfifch nachgefühlter „Mädchenkopf“, welcher
durch die nahe Verwandtfchaft mit der „Poepe“, dem erften in Italien vollendeten
Bilde, charakteriftifche Beziehungen gewinnt. Entfcheidender treten Lindenfchmit und
Victor Müller auf. Diefer wandelt mit überrafchenden Studien als der ebenbürtige
deutfche Partner des Eugene Delacroix durch eine mit reicher Phantafie zur idealifti-
fchen Bühne umgefchaffene Wirklichkeit. Die Pammende Subftanz eines Gemäldes
wie des „Empfanges“ von Lindenfchmit aus dem Jahre 1855 ruft bereits Eduard
Manets Namen zum Vergleich. Auch Hagn und Hausmann erweifen fich als Zu-
gehörige der franzöfifchen Kunft, Hagn als Anhänger Meiffoniers, Hausmann als Land-
fchafter dem breiten Vortrag Theodor Rouffeaus zugewandt. Bei Schreyers „Eingang
zum zoologifchen Garten in Frankfurt“ mag unbedenklich der frühe Renoir herbei-
geholt werden, um die grünfilberne Leichtigkeit der atmofphärifchen Behandlung zu
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