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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 21/22
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Feulner, Adolf: Das Bergungsmuseum in Valenciennes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0370

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DAS BERGUNGSMUSEUM IN VALENCIENNES

das hier mit einer relativen Vollftändigkeit zufammengeftellt ift, von feinem Frühwerk, der
myftifchen Kelter in Lille, das nach den Stifterwappen um 1506 anzufetjen ift (Äbb. 2),
obwohl die Architektur die Zeit nach 1515 nahelegt, dem fpäteren Triptychon aus
Marchiemees (um 1515), dem umfangreichen Polyptychon von Anchie (um 1516—20)
und dem Spätwerk, den Flügeln des Altares der unbefleckten Empfängnis aus Douai
(um 1521—26). Es fehlen nur wenige Hauptwerke. Die Werke der Frühzeit und
Spätzeit zeigen erftaunliche Gleichartigkeit. Der Bevorzugung eines größeren Bild-
formates in den Spätwerken entfpricht kein innerer Wandel im Stil der Figuren, die
immer etwas Kleinliches, Niedliches behalten; fie find unfcharf in der Modellierung. Die
Bewegungen pnd gewandt gezeichnet, aber die Beftimmtheit des Ausdrucks fehlt. Die
Farben find matt. Die Bilder find überladen mit kunftgewerblichem Kleinkram, die
Architekturen mit modifchem, aus Stichen oder kunftgewerklichen Vorlagen über-
nommenen Renaiffancedetail, das mit der überlieferten Spätgotik eine eigentümlich
barocke Mifchung eingeht. Mit feinen größeren Zeitgenoffen, mit Maffys, darf man
Bellegambe nicht vergleichen; er war kein Genie, fondern ein gefchickter, begabter
Handwerker, ein intereffanter Meifter der Übergangszeit. Ein einheimifcher Maler
war auch Jan Provoft aus Mons, dem hier eine doppelfeitig bemalte Tafel zu-
gefchrieben wird, die aus der Abtei Flines ftammt. Dargeftellt ift auf der Vorderfeite
Maria, die Gnadenmutter, auf einem gotifchen Thron, die mit ihrem Mantel Mönche,
und Nonnen des Zifterzienferordens deckt. Auf der Rückfeite das Jüngfte Gericht (Äbb. 3)
Im Vordergrund fteht St. Elifabeth und empfiehlt der Gnade des Weltenrichters die
Stifterin, dame yzabel de malefiance, die 1506 Courfiere der Abtei Flines war. Für
die Datierung des Bildes ift damit ein beftimmtes Datum gewonnen. Gegenüber den
fpäteren Werken Provofts zeigt die Valencienner Tafel ftiliftifche Unterfdiiede, die aber
nicht fo bedeutend find, daß fie nicht durch den Unterfchied der Jahre erklärt werden
könnten. Der Zeit um 1520 gehört an eine gute Tafel Madonna mit Kind und dem
hl. Jofeph von einer Renaiffanceloggia; im Hintergrund eine phantaftifche Stadtanficht
und davor eine Fontäne mit eigentümlicher, überladener, fpätgotifcher Architektur (Abb. 4).
Die gleiche Architektur kommt noch öfters vor, auf der kleinen, Coninxloo fignierten

Genealogie der Madonna in Brüffel,
dann auf dem Turiner Malvagna-
Triptychon des Jan Goffaert und
auf einer Kopie diefes Triptychons
von Ifenbrandt in der ehemaligen
Sammlung Kaufmann (Berlin). An
Ifenbrandt erinnert auch die fort-
fchrittliche Behandlung der Farbe
die nach einheitlicherWirkung fucht
und deshalb wurde auch hier der
Name Ifenbrandt vorgefchlagen.
An Bellegambe, den Friedländer
vermutet, ift nicht zu denken, da
ein Vergleich mit den daneben auf-
gehängten Werkenzu großeUnter-
fchiede zeigt. Ganz renaiffance-
mäßig ift die Architektur auf einem
Abb: 6. Jordaens, Die Kühe (Studie). Ex-votobild aus der früheren Kirche

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