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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 10.1918

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Heft 23/24
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Biermann, Georg: Das Postulat der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.24428#0397

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DAS POSTULAT DER KUNST

turellen Bedeutung einen Fonds zur Verfügung [teilen, aus dem zu fchöpfen ;— je
nach den befonderen Gelegenheiten — alle Mufeen gleichmäßig berechtigt wären.
Über die Art der Organifation wäre vielerlei zu fagen. Wer die Dinge richtig über-
fchaut und Erfahrungen auf dem Gebiete des Kunftmarktes zur Genüge befitjt, wird
unfchwer den richtigen Weg fchon finden.

Den öffentlichen Sammlungen moderner Kunft wären grundfäßlich Neuerungen
dringend zu empfehlen. Bisher hat der vorsichtig abwägende Sinn unferer Direktoren
meift immer nur folche Werke der Erwerbung für wert erachtet, die gewiffermaßen
hiftorifch abgeftempelt find. Diefen Luxus, hochbewertete Bilder zu erwerben, wird
man [ich in der Zukunft nur noch ausnahmsweife geftatten können. Die Gefinnung
der kommenden Zeit ift durchaus auf Aktivität eingeftellt. Ihre vornehmften Doku-
mente im Künftlerifchen werden — hiftorifch gefehen — immer wertvoll und damit
an [ich fchon museal wichtig fein.

Unfere Jugend — foweit fie entwicklungsfähig und ftark ift poftuliert das
Recht auf Anteilnahme auch am musealen Aufbau, und durchaus mit Recht; denn
wenn fchon die Mufeen lebendige Bildungsträger unferer Zeit fein follen, dann ift es
ihre Pflicht, auch dem Volke diejenigen künftlerifchen Kräfte muftergültig vorzuführen,
die in der Zeit geboren, Ausdruck ihrer geiftigen Gefinnung find. Ein Inftitut wie die
Nationalgalerie in Ehren, die die Hüterin befter deutfcher Kunft in der lebten Ver-
gangenheit ift. Solange Wilhelm II. von Hohenzollern diefer Sammlung gewiffer-
maßen als Generaldirektor vorftand, wäre es felbft einem fehr mutigen Leiter unmög-
lich gewefen, die Pforten der Galerie der jungen Kunft zu öffnen. Sie mag darum
fo — wie fie geworden ift — in der Folge beftehen bleiben und weiterhin ihr Pro-
gramm abzurunden verfudien, das etwa mit dem Ausklang des Impreffionismus feinen
Abfchluß erreicht. Daneben aber follte die junge deutfche Republik eine Galerie be-
gründen — eine Galerie der deutfchen Freiheit —, die das Lebendige fammelt und
der Jugend, die diefer Förderung dringend bedarf, einen Kunfttempel einrichtet, der
zielficher und mit feinftem Verftehen organifiert, einmal nafh hundert und mehr
Jahren vielleicht das bedeutfamfte Monument diefer Tage ift. Hielte diefe neue Samm-
lung nur einigermaßen mit der Zeit felbft Schritt, fo würde fie eines Tages die leben-
digfte Gefchichte des deutfchen Geiftes fein. Denkt man aber gar daran, daß für den
Preis eines einzigen Bildes, den bisher die Nationalgalerie im Durchfchnitt verausgabte,
unter Umftänden Dujjende von Werken unferer jungen Künftler zu erwerben find,
dann darf man ohne weiteres fagen, daß hier der Kunftpflege des Reiches wirklich
keine übermäßigen Opfer zugemutet werden.

Abgefehen aber von dem rein Künftlerifchen, das einer folchen Galerie eignete, darf
man das wirtfchaftliche Moment nicht außer acht laffen. Gibt man erft einmal unferer
jungen Kunft unter dem Schul} der deutfchen Republik die Möglichkeit öffentlicher
Repräfentation, dann wird ße auch international gefeftigt und konfolidiert. Der Kunft-
markt nimmt fie börfenmäßig auf; die Fremden, die in ruhigen Zeiten doch wieder
nach Deutfchland kommen, werden in Achtung vor den Leiftungen verharren und auch
der Kunfthandel, der unbedingt als Glied unferes wirtfchaftlichen Lebens geftärkt werden
muß, wird daraus Vorteile ziehen. Mag fein, daß fich zunächft der überkommene mufeale
Gedanke gegen die Begründung einer folchen Sammlung aus Reichsmitteln auflehnt
und es für genügend erachtet, wenn — wie dies in den letjten Jahren ja erfreulicher-
weife fchon der Fall war — wahrhaft modern gefmnte Mufeumsleiter, die ihren An-
kaufskommiffionen gegenüber die nötige Autorität befißen, gelegentlich auch Werke

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