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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 3
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L'Hote, André: Georges Rouault
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0160

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nicht ablehne, was nicht mein Stil ist. Bei der Schilderung dieses eigenartigen
Malers, der sein Haupt wie einen Helm trägt, vergleiche ich ihn unwillkürlich
mit jenem Hieronymus Bosch, dessen Verve und Empfindungskraft man noch
nicht genug geschätzt hat. Wie diesen sehe ich ihn auf Traumwiesen seine
absonderlichen Herden von karikierten Geschöpfen weiden, damit die Jung-
frau und die zarten Heiligen ihre Spiele mit ihnen treiben können. Ich müßte
lügen, wenn ich behaupten wollte, daß ich unter dem Pinsel von Rouault
ebenso reine heiligen Gesichter entstehen sah, wie sie der große Flame ge-
schaffen hat. Aber ich kenne die Badenden (gegen 1910), die sich im Sonnen-
schein ergötzen, und ich träume von dem Glanz, der an einem Tage der Ent-
zückung die heiligen Gestalten unseres Malers umstrahlen wird. Auch kann
ich nicht ohne Rührung an jenen Abend bei dem Schöpfer der „Schuldigen
Richter“ denken, damals, als er — Ironie des Wortes — in der Gendarmengasse
zu Versailles wohnte. Als ich hinter ihm in das Kinderzimmer trat, sah ich
drei oder vier entzückende Geschöpfe mit blondlockigen Köpfen, zarter Haut
und blauen Augen in ihren Betten knien oder im Begriff einzuschlummern.
Nur Flügel fehlten ihnen. Warum könnte Georges Rouault nicht mit solchen
Modellen vor Augen zum mindesten Engel malen?
Übers. L. Pr.


W. Kandinsky. Frühling
 
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