Von wundervoller Wirkung ist die Damaszierung, schwarz auf rotem Grunde,
während der Rand das Blattmotiv braungelb auf braunem Grunde zeigt. Über-
haupt ist die ganze Technik von der größten Vollendung; die Hebungen und
Senkungen im Gesicht, am Hals sind mit äußerster Feinheit herausgeholt, das
Pelzwerk an der Gewandung des Heiligen, seine Locken, die Behaarung am
Arm des Bauern mit ganz feinen Strichelchen herausradiert. Und an einen
Radierer wird man bei der ganzen Darstellung natürlich sofort erinnert: an
den Hausbuchmeister. Freilich eine unmittelbare Beziehung zu seinem Stich
mit der gleichen Darstellung (L. 38) ist kaum festzustellen, wenn auch die all-
gemeine Anordnung übereinstimmt. Beide Male reitet der Heilige nach drei-
viertel links vorwärts, wo rechts der Bettler knietL Auch beim Kostüm be-
gegnet beide Male die so charakteristische halblange weite Flose über dem
Schnabelschuh, die ja oft genug im Hausbuch vorkommt; aber in dem Stich
liegt die ganze sonstige, gar nicht besonders reiche Kleidung fest an, während
auf der Scheibe ein weiter Prachtrock gegeben wird; wie die Drehung des
Körpers aus der Seitenansicht in volle Vorderansicht zu denken ist, bleibt frei-
lich unklar. Die Handlung selbst ist auf der Scheibe sehr viel lahmer als auf
dem Stich; der rechte Arm des Heiligen mit dem Schwert ist weit herunter-
genommen, der linke Arm mit dem Mantel ganz gesenkt. Die Funktion des
Bettlers ist anders; auf der Scheibe ist er nicht ein Heischender, sondern ein
Empfangender; die Hände fassen beide das Stück Mantel, das der Heilige
eben, abschneiden will; dabei fällt die Krücke natürlich unter der Schulter vor,
und ihre diagonale Stellung bringt in die Komposition eine größere Weichheit.
Gesicht und Ausdruck sind aber mächtiger gefaßt, als im Stich und kon-
trastiert gegen den Bauern. Dieser füllt die leere Fläche, die durch die Sen-
kung des Mantels entsteht. Überhaupt ist alles möglichst in der Fläche aus-
gebreitet — eine Eigentümlichkeit, die der mittelrheinischen Kunst seit langem
anhaftet. Der geistig-seelische Habitus des Heiligen ist gegenüber dem frisch
zupackenden Stich des Hausbuchmeisters ganz abweichend; schwere Augen-
deckel unter sehr hohen Brauen senken sich über die großen, nach schräg
unten gerichteten Augen; unter dem breiten Gesicht mit kleinem Mund wölbt
sich ein kleines, spitzes Kinn. So entsteht ein Gesichtsausdruck, der etwas
Preziöses an sich hat, als ob sich sein Träger ständig beleidigt fühle. Am
nächsten Zusammengehen möchte dieser Typus mit dem doppelseitig bemal-
ten Altarflügel des Frankfurter Historischen Museums (ausgestellt im Städel-
schen Institut), den man der unmittelbaren Schule des Hausbuchmeisters
selbst zuschreibt: wo die hl. Margareta und Eulalia, noch mehr der hl. Nicolaus
von Bari und der hl. Georg zu vergleichen wären. Die schweren Augen-
deckel, der schräg unter den Lidern hervorkommende Blick finden sich hier
wie dort1 2.
An den Hausbuchmeister selbst wird bei unserer Scheibe freilich nicht zu
denken sein; aber Verwandtes findet sich auch sonst am Mittelrhein und
1 Ganz anders ist noch spät die gleiche Darstellung in einem Mainzer Druck (Direk-
torium Misse, bei Joh. Schöffer 1508). Da erscheint der Heilige reitend in vollem Profil
rechts; vorn kniet ein Bettler, links hinter dem Pferd ein zweiter. Und ganz ähnlich
andererseits in dem zeitlich unserer Scheibe nahestehenden Ratsfenster von Ulm (von
1480) erscheint rechts’unten der h. Martin von links nach rechts reitend und das Schwert
in die Höhe haltend. 'Rechts vonf* kniet der Bettler. S. Frankl: Der Ulmer Glasmaler
Hans Wild, Jahrbuch d. Preuß. Kunstsammlungen 1912, S. 45. Abb. 7. — Daß Beziehun-
gen zwischen Wild und dem Hausbuchmeister bestehen, ist wohl zweifellos.
2 Aus der Mopiskapefie des Dominikanerklosters. Weizsäcker, Die Kunstschätze aus
dem ehemal. Dominikanerkloster zu Frankfurt a. M., München 1923, Taf. XIII und S. 100,
Abb. 15 u. iS.
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während der Rand das Blattmotiv braungelb auf braunem Grunde zeigt. Über-
haupt ist die ganze Technik von der größten Vollendung; die Hebungen und
Senkungen im Gesicht, am Hals sind mit äußerster Feinheit herausgeholt, das
Pelzwerk an der Gewandung des Heiligen, seine Locken, die Behaarung am
Arm des Bauern mit ganz feinen Strichelchen herausradiert. Und an einen
Radierer wird man bei der ganzen Darstellung natürlich sofort erinnert: an
den Hausbuchmeister. Freilich eine unmittelbare Beziehung zu seinem Stich
mit der gleichen Darstellung (L. 38) ist kaum festzustellen, wenn auch die all-
gemeine Anordnung übereinstimmt. Beide Male reitet der Heilige nach drei-
viertel links vorwärts, wo rechts der Bettler knietL Auch beim Kostüm be-
gegnet beide Male die so charakteristische halblange weite Flose über dem
Schnabelschuh, die ja oft genug im Hausbuch vorkommt; aber in dem Stich
liegt die ganze sonstige, gar nicht besonders reiche Kleidung fest an, während
auf der Scheibe ein weiter Prachtrock gegeben wird; wie die Drehung des
Körpers aus der Seitenansicht in volle Vorderansicht zu denken ist, bleibt frei-
lich unklar. Die Handlung selbst ist auf der Scheibe sehr viel lahmer als auf
dem Stich; der rechte Arm des Heiligen mit dem Schwert ist weit herunter-
genommen, der linke Arm mit dem Mantel ganz gesenkt. Die Funktion des
Bettlers ist anders; auf der Scheibe ist er nicht ein Heischender, sondern ein
Empfangender; die Hände fassen beide das Stück Mantel, das der Heilige
eben, abschneiden will; dabei fällt die Krücke natürlich unter der Schulter vor,
und ihre diagonale Stellung bringt in die Komposition eine größere Weichheit.
Gesicht und Ausdruck sind aber mächtiger gefaßt, als im Stich und kon-
trastiert gegen den Bauern. Dieser füllt die leere Fläche, die durch die Sen-
kung des Mantels entsteht. Überhaupt ist alles möglichst in der Fläche aus-
gebreitet — eine Eigentümlichkeit, die der mittelrheinischen Kunst seit langem
anhaftet. Der geistig-seelische Habitus des Heiligen ist gegenüber dem frisch
zupackenden Stich des Hausbuchmeisters ganz abweichend; schwere Augen-
deckel unter sehr hohen Brauen senken sich über die großen, nach schräg
unten gerichteten Augen; unter dem breiten Gesicht mit kleinem Mund wölbt
sich ein kleines, spitzes Kinn. So entsteht ein Gesichtsausdruck, der etwas
Preziöses an sich hat, als ob sich sein Träger ständig beleidigt fühle. Am
nächsten Zusammengehen möchte dieser Typus mit dem doppelseitig bemal-
ten Altarflügel des Frankfurter Historischen Museums (ausgestellt im Städel-
schen Institut), den man der unmittelbaren Schule des Hausbuchmeisters
selbst zuschreibt: wo die hl. Margareta und Eulalia, noch mehr der hl. Nicolaus
von Bari und der hl. Georg zu vergleichen wären. Die schweren Augen-
deckel, der schräg unter den Lidern hervorkommende Blick finden sich hier
wie dort1 2.
An den Hausbuchmeister selbst wird bei unserer Scheibe freilich nicht zu
denken sein; aber Verwandtes findet sich auch sonst am Mittelrhein und
1 Ganz anders ist noch spät die gleiche Darstellung in einem Mainzer Druck (Direk-
torium Misse, bei Joh. Schöffer 1508). Da erscheint der Heilige reitend in vollem Profil
rechts; vorn kniet ein Bettler, links hinter dem Pferd ein zweiter. Und ganz ähnlich
andererseits in dem zeitlich unserer Scheibe nahestehenden Ratsfenster von Ulm (von
1480) erscheint rechts’unten der h. Martin von links nach rechts reitend und das Schwert
in die Höhe haltend. 'Rechts vonf* kniet der Bettler. S. Frankl: Der Ulmer Glasmaler
Hans Wild, Jahrbuch d. Preuß. Kunstsammlungen 1912, S. 45. Abb. 7. — Daß Beziehun-
gen zwischen Wild und dem Hausbuchmeister bestehen, ist wohl zweifellos.
2 Aus der Mopiskapefie des Dominikanerklosters. Weizsäcker, Die Kunstschätze aus
dem ehemal. Dominikanerkloster zu Frankfurt a. M., München 1923, Taf. XIII und S. 100,
Abb. 15 u. iS.
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