Ausstellungen
Ausstellungen
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Christian Rohlfs / Hans Poelzig /
Maurice Utrillo / Franz Winninger
Ernst Oppler / Otto Nebel / Ma-
scha Beyer-Schill.
Nachdem das Kronprinzenpalais be-
reits den 70. Geburtstag des Jüngsten unter
den Alten und Ältesten der Jungen zum An-
laß einer Würdigung genommen hatte,
feiert es jetzt den fünfundsiebzigjährigen
Christian Rohlfs durch eine Versichtba-
rung seines Schaffens, die es in seinem ge-
samten Umfang, in aller technischen Man-
nigfaltigkeit, durch alle Schichten der Ent-
wicklung hin erweist. Man sieht nicht al-
lein die späten Temperagemälde, sondern
auch Ölbilder der Weimarer Jahrzehnte
und jener ersten Hagener Zeit, in der van
Goghs Einfluß bestimmend ist; zu den
Aquarellen treten die (meist übermalten)
Holzschnitte; ein Raum bietet Handzeich-
nungen, ein kleines Kabinett Stickereien;
hier wirkt der Blumenmaler geschlossen
auf den Betrachter, dort sind biblische Fi-
guren vereint, die 1924 entstandene, rasch
zerflatterte Variantenfolge über das Thema
Erfurter Dom ist in besonderem Raume
wieder zusammengestellt. Man muß die
sorgfältige und umfassende Repräsentation
gerade in dieser an gültigen Darbietungen
nicht sehr reichen Zeit dankbar begrüßen,
wennschon zu sagen bleibt, daß sie nicht
die denkbar stärkste Wahl getroffen hat
und auch bei grundsätzlichem Verzicht auf
öffentlichen Besitz den Eindruck der Breite,
des Sichwiederholens hätte vermeiden kön-
nen, ohne etwa die Anzahl der Objekte zu
vermindern. Rohlfs verträgt die extensivste
Aufzeigung; aber seine Neigung, zu experi-
mentieren, und eine gewisse Generosität
des Schaffens, die unmittelbar mit seiner
unverblühten Frische und Sinnenfülle zu-
sammenhängt, ergeben eine Ungleichwer-
tigkeit der Produktion, die zu kritischester
Auslese nötigt, sollen nicht, wie es hier ge-
schieht, definitive Gestaltungen die in aller
verführerischen Beschwingtheit doch nicht
ganz stichhaltigen überholen. Davon aber
abgesehen wie von der Schwäche der Über-
gangszeit 1900—1910, bleibt doch abermals
Grund über Grund, benommen und durch-
rauscht sich dem Flüstern, der Lust, dem
enthusiasmierenden Rhythmus dieser Kunst
hinzugeben, dem quellenden Duft der herr-
lich aufgebrochenen Blumen, dem Gesang
der Türme, der Hieroglyphe biblischer Ge-
stalten. Und wenn immer wieder versucht
wird, dem Alterswerk die innere Berech-
tigung abzusprechen, weil es in den fein-
grauen frühen Bildern nicht im mindesten
vorgedeutet sei, so muß desto nachdrück-
licher auf die keineswegs alltägliche Quali-
tät dieser nur dem ersten Blick unschein-
baren Landschaften aus dem Webicht, auf
den nahezu abstrakten Charakter etwa jenes
„Steinbruchs“ von 1889 gewiesen werden.
Tatsächlich eint sich das Werk in bruchlo-
sem Zusammenhang wie hinsichtlich des
künstlerischen Grades, so rasch Rohlfs im-
mer wieder auf Anregungen reagiert und
demgemäß sich gewandelt hat, zunächst
mitunter in etwas stilisierender Weise,
letztlich jedoch zugunsten einer wahren
Stilgewalt, die kaum bahnbrechend und
führend, aber ragend und bekräftigend ist,
eine leuchtende Erfüllung. —
Das Architekturmuseum der Tech-
nischen Hochschule zu Charlotten-
burg, das bislang ein reichlich verborge-
nes Dasein gefristet hat, will es unterneh-
men, in regelmäßigen Ausstellungen von
Rissen, Skizzen, Photographien, Modellen
usw. Baukünstler der Vergangenheit und
Gegenwart zur Darstellung zu bringen. Be-
denkt man, wie gering die öffentliche An-
teilnahme an der Architektur trotz deren
unläuglichem Aufschwung und für alle Ge-
genwartskunst bestimmend gewordenem
Einfluß geblieben ist, wie blaß vollends die
Vorstellungen von der künstlerischen In-
dividualität selbst entscheidender Architek-
ten auch bei Denen sind, die das Stilge-
samte einigermaßen erkennen, so wird man
den Plan nur freudig begrüßen können, in
der hoffenden Voraussetzung, daß er nicht
durch akademische Einflüsse in seiner Ak-
tivität gelähmt und vom Wesentlichen ab-
gelenktwerde. Der Beginn mit Hans Poel-
zig war ausgezeichnet und fast selbstver-
ständlich. Denn mag auch sein Bauen nicht
eben jene klare Sachlichkeit dokumentie-
ren, die Grundgehalt und Parole der Gegen-
wartsarchitektur ist, mag es einen groß-
sprecherischen Zug haben und die Gefahr
malerischer Extravaganz in sich schließen,
— so bezeugt es doch durch ein imposant
vielgestaltiges Werk hin allenthalben eine
starke und eigenwillige Persönlichkeit, de-
ren schöpferische Inbrunst das Schema
verschmäht, deren Phantasie vielleicht zum
Tändeln mit der Wucht neigt, jedenfalls
aber lebendig geblieben ist Wurf um Wurf.
So vieles Kulisse ist in dieser Architektur,
— Geist und Leidenschaft wirkt in allem.
Poelzigs Art drängt zu Film und Bühne,
und es war wertvoll, daß diesbezügliche
Skizzen der überhaupt sehr kompletten Dar-
bietung nicht fehlten. —
Das Urteil über Maurice Utrillo, deg->
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Ausstellungen
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Christian Rohlfs / Hans Poelzig /
Maurice Utrillo / Franz Winninger
Ernst Oppler / Otto Nebel / Ma-
scha Beyer-Schill.
Nachdem das Kronprinzenpalais be-
reits den 70. Geburtstag des Jüngsten unter
den Alten und Ältesten der Jungen zum An-
laß einer Würdigung genommen hatte,
feiert es jetzt den fünfundsiebzigjährigen
Christian Rohlfs durch eine Versichtba-
rung seines Schaffens, die es in seinem ge-
samten Umfang, in aller technischen Man-
nigfaltigkeit, durch alle Schichten der Ent-
wicklung hin erweist. Man sieht nicht al-
lein die späten Temperagemälde, sondern
auch Ölbilder der Weimarer Jahrzehnte
und jener ersten Hagener Zeit, in der van
Goghs Einfluß bestimmend ist; zu den
Aquarellen treten die (meist übermalten)
Holzschnitte; ein Raum bietet Handzeich-
nungen, ein kleines Kabinett Stickereien;
hier wirkt der Blumenmaler geschlossen
auf den Betrachter, dort sind biblische Fi-
guren vereint, die 1924 entstandene, rasch
zerflatterte Variantenfolge über das Thema
Erfurter Dom ist in besonderem Raume
wieder zusammengestellt. Man muß die
sorgfältige und umfassende Repräsentation
gerade in dieser an gültigen Darbietungen
nicht sehr reichen Zeit dankbar begrüßen,
wennschon zu sagen bleibt, daß sie nicht
die denkbar stärkste Wahl getroffen hat
und auch bei grundsätzlichem Verzicht auf
öffentlichen Besitz den Eindruck der Breite,
des Sichwiederholens hätte vermeiden kön-
nen, ohne etwa die Anzahl der Objekte zu
vermindern. Rohlfs verträgt die extensivste
Aufzeigung; aber seine Neigung, zu experi-
mentieren, und eine gewisse Generosität
des Schaffens, die unmittelbar mit seiner
unverblühten Frische und Sinnenfülle zu-
sammenhängt, ergeben eine Ungleichwer-
tigkeit der Produktion, die zu kritischester
Auslese nötigt, sollen nicht, wie es hier ge-
schieht, definitive Gestaltungen die in aller
verführerischen Beschwingtheit doch nicht
ganz stichhaltigen überholen. Davon aber
abgesehen wie von der Schwäche der Über-
gangszeit 1900—1910, bleibt doch abermals
Grund über Grund, benommen und durch-
rauscht sich dem Flüstern, der Lust, dem
enthusiasmierenden Rhythmus dieser Kunst
hinzugeben, dem quellenden Duft der herr-
lich aufgebrochenen Blumen, dem Gesang
der Türme, der Hieroglyphe biblischer Ge-
stalten. Und wenn immer wieder versucht
wird, dem Alterswerk die innere Berech-
tigung abzusprechen, weil es in den fein-
grauen frühen Bildern nicht im mindesten
vorgedeutet sei, so muß desto nachdrück-
licher auf die keineswegs alltägliche Quali-
tät dieser nur dem ersten Blick unschein-
baren Landschaften aus dem Webicht, auf
den nahezu abstrakten Charakter etwa jenes
„Steinbruchs“ von 1889 gewiesen werden.
Tatsächlich eint sich das Werk in bruchlo-
sem Zusammenhang wie hinsichtlich des
künstlerischen Grades, so rasch Rohlfs im-
mer wieder auf Anregungen reagiert und
demgemäß sich gewandelt hat, zunächst
mitunter in etwas stilisierender Weise,
letztlich jedoch zugunsten einer wahren
Stilgewalt, die kaum bahnbrechend und
führend, aber ragend und bekräftigend ist,
eine leuchtende Erfüllung. —
Das Architekturmuseum der Tech-
nischen Hochschule zu Charlotten-
burg, das bislang ein reichlich verborge-
nes Dasein gefristet hat, will es unterneh-
men, in regelmäßigen Ausstellungen von
Rissen, Skizzen, Photographien, Modellen
usw. Baukünstler der Vergangenheit und
Gegenwart zur Darstellung zu bringen. Be-
denkt man, wie gering die öffentliche An-
teilnahme an der Architektur trotz deren
unläuglichem Aufschwung und für alle Ge-
genwartskunst bestimmend gewordenem
Einfluß geblieben ist, wie blaß vollends die
Vorstellungen von der künstlerischen In-
dividualität selbst entscheidender Architek-
ten auch bei Denen sind, die das Stilge-
samte einigermaßen erkennen, so wird man
den Plan nur freudig begrüßen können, in
der hoffenden Voraussetzung, daß er nicht
durch akademische Einflüsse in seiner Ak-
tivität gelähmt und vom Wesentlichen ab-
gelenktwerde. Der Beginn mit Hans Poel-
zig war ausgezeichnet und fast selbstver-
ständlich. Denn mag auch sein Bauen nicht
eben jene klare Sachlichkeit dokumentie-
ren, die Grundgehalt und Parole der Gegen-
wartsarchitektur ist, mag es einen groß-
sprecherischen Zug haben und die Gefahr
malerischer Extravaganz in sich schließen,
— so bezeugt es doch durch ein imposant
vielgestaltiges Werk hin allenthalben eine
starke und eigenwillige Persönlichkeit, de-
ren schöpferische Inbrunst das Schema
verschmäht, deren Phantasie vielleicht zum
Tändeln mit der Wucht neigt, jedenfalls
aber lebendig geblieben ist Wurf um Wurf.
So vieles Kulisse ist in dieser Architektur,
— Geist und Leidenschaft wirkt in allem.
Poelzigs Art drängt zu Film und Bühne,
und es war wertvoll, daß diesbezügliche
Skizzen der überhaupt sehr kompletten Dar-
bietung nicht fehlten. —
Das Urteil über Maurice Utrillo, deg->
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