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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 16
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0862

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RUNDSCHAU

Sammlungen
ESSEN
Aus dem vom Folkwang-Museums-Ver-
ein veranstalteten Wettbewerb um den Bau
des Folkwang-Museums ist Professor Ed-
mund Koerner, der Schöpfer der vor kur-
zem eröffneten Essener Börse, als Sieger
hervorgegangen. Bei seinem Entwurf, der
von den Essener Stadtverordneten zur Aus-
führung bestimmt worden ist, bleiben die
beiden benachbart an der Bismarckstraße
liegenden Golds chmidthäuser erhalten, zwei
stattliche, durch einen Gartenstreifen ge-
trennte Villenanlag en der Jahrhundertwende,
die der Stadt zur öffentlichen Kunstpflege
gestiftet worden sind. Das Hans-Gold-
schmidt-Haus, seit 1920 Heim des Essener
Museums, wird die Folgwangsammlungen
der alten, auch exotischen Kunst aufneh-
men, während das Karl-Goldschmidt-Haus
als Kupferstichkabinett mit Räumen für
graphische Ausstellungen eingerichtet wird.
Zwischen den Häusern durchgehend er-
öffnet der Architekt hinter ihnen einen
Ehrenhof, den der vorwiegend eingeschos-
sige Neubau hufeisenförmig umschließt.
Hier, auf dem sehr ausgedehnten Gelände
der Goldschmidtschen Gärten, wird der Teil
der Osthausschen Sammlungen seine Hei-
mat finden, der mit dem Namen Folkwang
vor allem verknüpft ist, die moderne Galerie.
Der Museumseingang befindet sich hinter
dem Hans-Goldschmidt-Haus im Hofe, so
daß der Eintretende die Wahl hat, ob er
zur Linken, zurückgehend, das Reich der
alten Kunst auf suchen will oder, nach rechts
sich wendend, die Welt der neuen Dinge.
An der Eingangshalle liegt noch ein geräu-
miger Vortragssaal, und von ihr betritt man
auch die für die wechselnden Ausstel-
lungen vorgesehenen Räume. Das Kupfer-
stichkabinett, im Karl-Goldschmidt-Haus
außerhalb des Museumsrundganges ganz
für sich liegend, ist sowohl vom Neubau
als auch von der Bismarckstraße durch
einen besonderen Eingang zu erreichen. So
kommt Koerners Entwurf allen Ansprü-
chen des Museumsbetriebes in klarer und
zweckmäßiger Auseinanderlegung seiner
verschiedenen Teile entgegen.
Die wenigen Erwerbungen, die in der
langen, unfreiwilligen Ruhepause der Fran-
zosenzeit gemacht werden konnten, gelten
in der Hauptsache der Gemäldegalerie
Folkwangs. Hervorzuheben wären als
Beispiele des 17. Jahrhunderts eine „Ita-
lienische Landschaft“ von A. Pynacker und
eine ,,Dorfschule“ von Adriaen v. Ostade.
Etwa 1430 ist anzusetzen das wundervolle

Holzstandbild einer „Schönen Madonna“
böhmischer Herkunft, gestiftet von Frau
Claire-Hugo Stinnes. Aus dem 19. Jahrhun-
dert wurden erworben ein „Blick ins weite
Land“ von Gustav Carus, eine römische
Landschaft „Santa Maria Maggiore“ von
J. A. Koch, eine „Rhönlandschaft“ von
J. W. Schirmer, ein „Taunustal“ von Hans
Thoma aus 1883. Das 20. Jahrhundert ver-
treten Erich Heckel mit dem Bilde „Ein-
radfahrer“, Emil Nolde mit der ersten Fas-
sung des rechten Flügels der „Maria Egyp-
tiaca“, Oscar Kokoschka mit der großen
„Eiblandschaft“ aus 1923, E. L. Kirchner
mit dem vielbewunderten Hauptstück der
heurigen Düsseldorfer Bilderschau „Mo-
derne Boheme“, Max Beckman mit dem
Bildnis seiner Gattin aus 1924. In der fran-
zösischen Abteilung kam zu den beiden
Landschaften Andre Derains noch eine
„Ansicht von Cagnes“ des Pariser Meisters.
Nach dem Willen der Stifter sollte ein
systematischer Ausbau zunächst überhaupt
der Gemäldegalerie Folkwangs Vorbehal-
ten sein. Auf diesem Wege ließ sich ja auch
am leichtesten die Verschmelzung der Ha-
gener Schöpfung mit dem Kunstmuseum
der Stadt Essen durchführen, das als Bil-
dersammlung auf der Grundlage des 19. und
20. Jahrhundert um igio begründet wor-
den war. Allein es ist nicht zu verkeimen,
daß diesem Plan von allen Seiten ein schar-
fer Wettbewerb droht. Wenn man die
übrigen Museen des Ruhrkohlengebiets
bisher auf streng ortsgeschichtlicher Basis
erwachsen sah, so scheinen sie dieser wei-
sen Beschränkung mehr und mehr über-
drüssig zu werden, ihr Ehrgeiz geht allent-
halben, in Gelsenkirchen, in Mülheim, in
Bochum, im Vestischen Land, nach der Ge-
mäldegalerie. Selbst das so streng umris-
sene, so fest auf die Kultur und Kunst der
Provinz Westfalen gegründete Museum für
Kunst und Gewerbe in Dortmund scheint
im Begriff, seinen stolzen Charakter als
Landesrouseum zugunsten einer Bilder-
sammlung allgemeineren Gepräges aufzu-
geben. Freilich wird an ihm auch schon
deutlich, welche Gefahren solcher Front-
wechsel in sich birgt. So traf man in sei-
nen Raumen seit Jahren ein großes Fi-
gurenbild von Ludwig Knaus, das den viel-
genannten Großunternehmer der Grün-
derjahre, Henry Strousberg, darstellt, der
in Dortmund das bekannte Eisenwerk
„Union“ ins Leben gerufen hat. Ein Bild,
als Malerei bedenklich, das aber, an einen
wichtigen Abschnitt der Lokalgeschichte
gemahnend, im Heimatmuseum der Stadt
durchaus am Platze war. Seit kurzem hängt

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