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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 17
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0907

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Verschi edenes

riß klein. Nach der Lage der unter Schutt
und Asche begrabenen Säulen zu schlie-
ßen, hat eine Feuersbrunst oder eins der
vielen in dieser Gegend so verheerend ge-
wesenen Erdbeben auch diese alte Kult-
stätte zerstört.
Der kleine anmutige Villenort am Mar-
marameer, Cadiköj, war einst das berühmte
Calcedon, wo das vierte ökumenische Kon-
zil im Jahre 451 tagte, und zwar entweder
in der Kirche selbst oder in einem der an-
liegenden Klostergebäude. Jedenfalls hatte
man die Stelle bisher zwar nennen aber
nicht finden können. Der Ort ist seit vor-
geschichtlichen Zeiten bewohnt gewesen,
aus der Eisenzeit hat man Handwerkszeu-
ge gefunden und die Kirche der hl. Euphe-
mia stand auf den Ruinen des Apollotem-
pels.
Wenn die Museumsleitung hier rechtzei-
tig eingreift und gründlich arbeitet, was
nach ihren bisherigen Erfolgen als sicher
anzunehmen ist, dann wird Konstantinopel
um eine bedeutende Ruine reicher sein.
' I.E.
EIN MITHRAEUM IN KERASSUND
Bei einem kurzen Aufenthalt in Kerassund
an der Nordküste Anatoliens machten mich
italienische Franziskaner auf ein Heiligtum
aufmerksam, das wahrscheinlich als einMi-
thraeum anzusprechen ist. Ein in das Meer
vorspringender Fels trägt die Reste einer
mittelalterlichen Burg. An dieser Stätte be-
fand sich die Akropolis der antiken Sied-
lung, die von Sinope aus gegründet worden
ist. Die eigentliche Stadt Kerassund liegt an
zwei Buchten, zwischen denen sich vom
Burgfelsen ausgehend ein Rücken erhebt.
D er heutige Hafen befindet sich an der west-
lichen Bucht; es handelt sich um eine für
die Verhältnisse an der Schwarzen-Meer-
Küste Anatoliens ziemlich gut geschützte
Reede. Hinter der Stadt, einem wichtigen
Ausfuhrplatz für Haselnüsse, erheben sich
bewaldete Berge.
Auf halber Höhe der die östliche Bucht
umrahmenden Züge -— in dieser Bucht be-
findet sich die von Pausanias beschriebene
Insel mit einem heute völlig verschwundenen
Arestempel — liegt nun die Ruine eines klei-
nen Höhlenheiligtums, wie sie in Anatolien
auch in christlicher Zeit noch häufig vorkom-
men. Man hat das Heiligtum von Kerassund
vielfach für eine von Christen angelegte grie-
chische Höhlenkirche gehalten. Bei nähe-
rer Prüfung ist es aber wahrscheinlich, daß
es sich eher um eine Kultstelle des Mithras
handelt. Das in den Stein gehauene Heilig-
tum ist genau nach Osten orientiert. Den
Abschluß bildet eine gewölbte halbkreisför-
mige Apsis, an den Wänden finden sich die

üblichen Nischen, Rinnen für den Abfluß
des Blutes der Opfertiere sind vorhanden
und vor der Höhle befindet sich ein halb-
kreisartiger Vorplatz. Daß das Mithraeum
später als christliche Kirche verwendet wor-
den ist, erklärt die Annahme, es handele sich
von jeher um eine christliche Kultstätte.
Ob auf das Vorhandensein eines Mithras-
heiligtums in Kerassund bereits hingewiesen
worden ist, vermag ich nicht mit Bestimmt-
heit zu sagen. FürTrapezunt enthält, soweit
ich mich erinnere, die neueste Auflage von
F.Cumonts Mysterien des Mithra (übersetzt
von Gehrich, die Neuauflage besorgt von
K. Latte) den Hinweis, daß dort Spuren des
Mithrakults zu finden sind. Die erwähnten
Franziskanerväter sind der Ansicht, daß sich
Reste zweier Mithrasheiligtümer auf dem
heutigen griechischen Friedhof zu Trapezunt
erhalten haben. Der kurze Aufenthalt, den
die Kerassund und Trapezunt anlaufenden
Schiffe in diesen Häfen nehmen, gestattet
leider keine nähere Untersuchung. Auf ge-
wissen Münzen von Trapezus erscheint Mi-
thras-Men zu Pferde. Der bei den ponti-
schen Königen vielfach vorkommende Na-
me Mithradates, von denen Mithradates VI.
Eupator der bekannte Gegner der Römer war,
läßt weiter auf die Verehrung des arischen
Mitra in diesen Gebieten schließen, in denen
die persische Gottheit durch die Berührung
mit den Kulten der alten kleinasiatischen
Bevölkerung offenbar viele fremde Elemen-
te annahm.
Bei der Gelegenheit sei iein in die Komne-
nenzeit gehörendes Wandgemälde einer grie-
chischen Kirche des 14. Jahrhunderts in
Trapezunt erwähnt, auf das mich die ge-
nannten gelehrten Franziskaner gleichfalls
hinzuweisen die Güte hatten. Es handelt sich
um eine Darstellung der Kirche, die von
den Aposteln Peter und Paul gestützt wird.
Darüber befindet sich die Inschrift: et
TteTQog xai sv TavTq ttj Treter] olxodop/r[ao[iMi, exxXi]-
aiav sp/ry. Dieses Gemälde, das leider bei den
Wirren der letzten Jahre der Vernichtung
anheimgefallen ist, besitzt, da es sich in
einem orthodoxen Lande in einer orthodo-
xenKirche befand, Interessein dogmatischer
Hinsicht, und zwar um so größeres, als die
Entstehung des Trap ezunter Kais err eichs der
Komnenen, deren Stammburg bei dem heu-
tigen Kastamuni lag, wie die des Kaiser-
tums der Palaeologen von Nicaea zurück-
zuführen ist auf die Festsetzung der Latei-
ner in Konstantinopel, nach deren Vertrei-
bung sich Trapezunt selbständig erhielt. In
Berührung mit der lateinischen "Welt kam
Trapezunt besonders durch die den Handel
im Schwarzen Meer treibenden Genuesen.
0. G. von Wesendonk.

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