Elemente in den Verordnungen der Irrenärzte suchen. Wenn ich auch der
neuen überrealistischen Richtung sehr skeptisch gegenüberstehe, gehe ich doch
nicht so weit, das Talent von Andre Masson zu bestreiten, dessen Phan-
tasmagorien, trotz ihrer Krankhaftigkeit, vernünftige Formen aufweisen. Diemei-
sten überrealistischen Literaten sind nicht so lächerlich wie Andre L’hote,
der in der „Nouvelle Revue F'rangaise“ schreibt: Man kann sagen, daß Cezanne
durch das ständige Bemühen, sich in reinen Farben und Formen auszudrücken,
der Vater dieses malerischen Überrealismus ist, dem die Zukunft gehört.“
Glücklicherweise gibt es in Paris immer angenehme Überraschungen. Die
Moden wechseln, jeder Augenblick gebiert neue Schöpfungen und wieviele
Aufforderungen ergehen nicht an die Vernunft!
Wir haben einen wahrhaft schönen Sommer verlebt, einen wirklich außer-
ordentlichen Jahresschluß. Dabei denke ich aber nicht an die Kunstgewerbe-
ausstellung. Ich bin manchmal hingegangen, um guten Wiener Kaffee oder
guten französischen Wein zu trinken, um abends das Feuerwerk zu bewun-
dern; dann bin ich wohl auch vor einigen Möbeln von Sue und Mare stehen
geblieben, vor zahlreichen Formen, die die verschiedensten Kunstgewerbler
dem Kubismus entlehnt hatten. Da habe ich mir gesagt: Endlich hat der Kubis-
mus sein logisches Ziel erreicht. Wie ich es vorausgesagt hatte, kehrt er im
sehr ausdrucksvollen Ornament zum Leben zurück; er wird ganz vom moder-
nen dekorativen Stil absorbiert. Ich habe auch das sehr logische Dekor von
Fernand Leger bewundert und andere kubistische Maler wie Picasso,
Braque mit ihren Schülern und Anhängern vermißt. Hier wären sie mit ihren
Bildern besser am Platze gewesen als bei den Kunsthändlern, deren Aufgabe
es ist, Staffeleibilder zu verkaufen und nicht Skizzen zu dekorativen Zwecken
wie Lackarbeiten, Wirkereien und Tapeten. Raoul Dufy hat wahre Wunder
für den Schneider Poiret vollbracht. Er hat ungeheuer große Leinwandstücke
bemalt, verteufelt geistreich und mächtig dekorativ. Pariser Landschaften,
Rennbahnen, Stilleben, alles ist in sehr lustigen Farben gehalten und dabei hat
er das Nützliche mit dem Angenehmen geschickt verbunden. Diese Bilder
sollen die Wände tapetenartig bedecken, wie die alten Malereien von Jouy, die
mythologische Szenen amüsant erzählten, z. B. die Geschichte von Telemach
oder die Fabeln von La Fontaine. Sie lassen sich leicht transportieren und
eignen sich zur Vervielfältigung durch den Druck. Aber sie kommen fix und
fertig zum Gebrauch aus dem Atelier von Raoul Dufy und sind sogar waschbar.
Außer diesen Bemühungen von Dufy und den sehr glücklichen Übertragun-
gen von Werken Dufresne’s in Tapisserien, hätte ich gern Bilder von Picasso
in Lack und solche von Braque als Wirkteppiche gesehen. —
Es wird mir immer ganz ungemütlich, wenn ich die Bilder dieser Maler zu-
sammen mit den Staffeleibildern ausgestellt sehe. In der Ausstellung „50 Jahr e
französischer Malerei“ im Pavillon Marsan sah man den erhabenen
Corot neben dem kräftigen Courbet; die Meisterwerke von Manet, Renoir,
Cezanne, Van Gogh überstrahlten die Nichtigkeiten eines J. E. Blanche oder
anderer offizieller und halboffizieller Maler. In dieser Umgebung erschienen
die Bilder von Picasso und Braque sehr reizvoll. Aber ihre Kunst ist
wirklich von ganz anderer Art. Das Stilleben von Picasso müßte in Lack aus-
geführt werden, das von Braque wäre gut als Wanddekoration zu verwenden,
oder besser noch als Tapisserie von Beauvais, auf einem wohl geformten Lehn-
sessel. Ein Bild von Braque ist von zu großer Augenblickswirkung. Nachdem
er gelernt hat, die abstrakten Formen zu handhaben, dem Rhythmus der
Fläche zu gebieten, kann man seine Kompositionen heute leichter ablesen,
sie schmeicheln sich auf angenehme Art ein. Wieviel Mutwillen liegt in dieser
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neuen überrealistischen Richtung sehr skeptisch gegenüberstehe, gehe ich doch
nicht so weit, das Talent von Andre Masson zu bestreiten, dessen Phan-
tasmagorien, trotz ihrer Krankhaftigkeit, vernünftige Formen aufweisen. Diemei-
sten überrealistischen Literaten sind nicht so lächerlich wie Andre L’hote,
der in der „Nouvelle Revue F'rangaise“ schreibt: Man kann sagen, daß Cezanne
durch das ständige Bemühen, sich in reinen Farben und Formen auszudrücken,
der Vater dieses malerischen Überrealismus ist, dem die Zukunft gehört.“
Glücklicherweise gibt es in Paris immer angenehme Überraschungen. Die
Moden wechseln, jeder Augenblick gebiert neue Schöpfungen und wieviele
Aufforderungen ergehen nicht an die Vernunft!
Wir haben einen wahrhaft schönen Sommer verlebt, einen wirklich außer-
ordentlichen Jahresschluß. Dabei denke ich aber nicht an die Kunstgewerbe-
ausstellung. Ich bin manchmal hingegangen, um guten Wiener Kaffee oder
guten französischen Wein zu trinken, um abends das Feuerwerk zu bewun-
dern; dann bin ich wohl auch vor einigen Möbeln von Sue und Mare stehen
geblieben, vor zahlreichen Formen, die die verschiedensten Kunstgewerbler
dem Kubismus entlehnt hatten. Da habe ich mir gesagt: Endlich hat der Kubis-
mus sein logisches Ziel erreicht. Wie ich es vorausgesagt hatte, kehrt er im
sehr ausdrucksvollen Ornament zum Leben zurück; er wird ganz vom moder-
nen dekorativen Stil absorbiert. Ich habe auch das sehr logische Dekor von
Fernand Leger bewundert und andere kubistische Maler wie Picasso,
Braque mit ihren Schülern und Anhängern vermißt. Hier wären sie mit ihren
Bildern besser am Platze gewesen als bei den Kunsthändlern, deren Aufgabe
es ist, Staffeleibilder zu verkaufen und nicht Skizzen zu dekorativen Zwecken
wie Lackarbeiten, Wirkereien und Tapeten. Raoul Dufy hat wahre Wunder
für den Schneider Poiret vollbracht. Er hat ungeheuer große Leinwandstücke
bemalt, verteufelt geistreich und mächtig dekorativ. Pariser Landschaften,
Rennbahnen, Stilleben, alles ist in sehr lustigen Farben gehalten und dabei hat
er das Nützliche mit dem Angenehmen geschickt verbunden. Diese Bilder
sollen die Wände tapetenartig bedecken, wie die alten Malereien von Jouy, die
mythologische Szenen amüsant erzählten, z. B. die Geschichte von Telemach
oder die Fabeln von La Fontaine. Sie lassen sich leicht transportieren und
eignen sich zur Vervielfältigung durch den Druck. Aber sie kommen fix und
fertig zum Gebrauch aus dem Atelier von Raoul Dufy und sind sogar waschbar.
Außer diesen Bemühungen von Dufy und den sehr glücklichen Übertragun-
gen von Werken Dufresne’s in Tapisserien, hätte ich gern Bilder von Picasso
in Lack und solche von Braque als Wirkteppiche gesehen. —
Es wird mir immer ganz ungemütlich, wenn ich die Bilder dieser Maler zu-
sammen mit den Staffeleibildern ausgestellt sehe. In der Ausstellung „50 Jahr e
französischer Malerei“ im Pavillon Marsan sah man den erhabenen
Corot neben dem kräftigen Courbet; die Meisterwerke von Manet, Renoir,
Cezanne, Van Gogh überstrahlten die Nichtigkeiten eines J. E. Blanche oder
anderer offizieller und halboffizieller Maler. In dieser Umgebung erschienen
die Bilder von Picasso und Braque sehr reizvoll. Aber ihre Kunst ist
wirklich von ganz anderer Art. Das Stilleben von Picasso müßte in Lack aus-
geführt werden, das von Braque wäre gut als Wanddekoration zu verwenden,
oder besser noch als Tapisserie von Beauvais, auf einem wohl geformten Lehn-
sessel. Ein Bild von Braque ist von zu großer Augenblickswirkung. Nachdem
er gelernt hat, die abstrakten Formen zu handhaben, dem Rhythmus der
Fläche zu gebieten, kann man seine Kompositionen heute leichter ablesen,
sie schmeicheln sich auf angenehme Art ein. Wieviel Mutwillen liegt in dieser
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