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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 17.1925

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Heft 19
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Göbel, Heinrich: Die Bildteppichmanufaktur von Felletin
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https://doi.org/10.11588/diglit.42040#0961

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Steuerverordnungen. Der Erlaß vom Mai 1581 1 nennt Felletin an letzter
Stelle: „Tapisserie ou tapis dudit Feletin, d’Auvergne et de Lorraine et autres
semblable cinquante livres (au dit cent)Unklar ist die Bezeichnung „d’Au-
vergne“, die ohne Rücksicht auf die geographische Abgrenzung im 16. und
17. Jahrhundert wahllos Aubusson, Felletin und Bellegarde zugeteilt wird. Im
letzten Drittel des 16. Säkulums scheint ein erneutes Aufblühen der Bildwir-
kerei eingesetzt zu haben. Die Annahme gründet sich auf die stärker in den Ur-
kunden vertretenen Meisternamen, wobei allerdings zugegeben werden muß,
daß gewisse Zufälligkeiten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen kön-
nen. In den achtziger Jahren scheint Anthoine Divernesse den Bildteppich-
handel Felletins im wesentlichen beherrscht zu haben. Der Meister arbeitet
vielfach gemeinsam mit Fachgenossen von Aubusson, eine Tatsache, die
sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte noch des öfteren feststellen läßt,
die sich durch verwandtschaftliche und geschäftliche Beziehungen unschwer
erklärt, die sich ungleich stärker ausprägt, wie etwa die Beziehungen zwischen
den Ateliers von Tournai und Oudenaarde. Verschiedene Familien, wie z. B.
die Tixier, besitzen Ateliers in beiden Städten, es kommt nicht allzu selten
vor, daß die Felletiner Filiale die Aubussoner Marke benutzt, eine Quelle stän-
diger Streitigkeiten, die im 17. Jahrhundert zu wenig erfreulichen Erlassen
führt. Am 27. Juni 1586 schließt Meister Anthoine, gemeinsam mit Leonard
Garreau aus Aubusson, einen Vertrag mit dem Statthalter der Marche, Georges
de Villequier, vicomte de la Guierche, auf Lieferung einer aus acht Behängen
zusa.mmengestellten, nicht näher erläuterten Folge (75 Quadratellen)2. Die
Bezahlung erfolgt unter dem 20. Juli 1587 in Höhe von 262I/2 Sonnentalern (zu
5 Livres 4sols). Der verhältnismäßig hohe Quadratellenpreis von rund 18 Livres
läßt unschwer auf eine Serie von Bedeutung schließen; wahrscheinlich han-
delte es sich um eine feiner durchgeführte Personenreihe. Im Juli 1586 steht
Jehanne Moron, „veufve de feu honorable homme Jehan Claveau laine“, mit
dem Magistrat von Tours in Verbindung. Es handelt sich um die Ausstattung
der Räumlichkeiten des Statthalters Mgr. des Arpentiz. Die einheimischen
Ateliers der altberühmten Wirkerstadt fallen aus; die Witwe erhält den Zu-
schlag auf zwölf Wandteppiche „fa^on de Filtin“; die Vergütung beläuft sich
auf 100 ecus. Zu Ende des 16. Säkulums ist Leonard Deyrolle (1588, 1595) —
die Nachkommen der Familie Deyrolle spielen noch im 19. Jahrhundert in
den Gobelins eine bedeutsame Rolle — in Felletin tätig. Abgesehen von ma-
geren Zahlen ist über die Tätigkeit des Anthoine Durand, dit Couronne (1595),
des Jehan de La Valeix (1583), des Jaques Mosnier — der Meister unterhält
1587 in Nimes eine Filiale —, des Ahnherrn der bekannten Wirkerfamilie
Sallandrouze (1582) nichts näheres bekannt.
Zu Beginn des 17. Säkulums geht die führende Rolle auf Leonard de LaMa-
zure über. Der Wirker liefert 1619, in Gemeinschaft mit zwei Fachgenossen
aus Aubusson (Simon Marsillac und Joseph Levefe), an Dame Marie Hurault,
Witwe des Seigneur de la Boullaye zu Fontenay (Vendee), die Geschichte der
Esther (fünf Behänge) zum Quadratellenpreise von 16 livres 10 sols3. 1629
legt Meister Leonard die berühmte Schäferfolge „Gombaut und Macee“ aufs
Gezeug; als Käufer erscheint der Steuereinnehmer Salleton in Perigueux. Die
von gallischem Witz durchsprühte Folge findet solchen Anklang, daß be-
1 Pierre Guenois, Conference des ordonnances, 1616, S. 720.
C. Perathon, Les tapisseries de Felletin in: Soc. des Beaux-Arts des departements
1892, t XVI, S. 214—238.
Louis Lacrocq, Chronique des tapisseries anciennes d’Aubusson et de Felletin en
1912 et 1913 in: Bulletin de la soc. arch. et hist, du Limousin, Bd. LXV, 1916,8.74/75.

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