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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 24 (2. Septemberheft 1916)
DOI article:
Schumann, Wolfgang: Geschichtliche Romane
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Rebensburg, Heinrich: Alte Dorfschönheit und moderne Technik: Brief an einen Ingenieur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0283

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schichte spielt in der späteren Reaktionszeit, bevor Prinz Wilhelm ans Ruder
kam, in der Zeit der kirchlichen Unduldsamkeit, der Beamtenherrschaft, der
beginnenden sozialen Machtkämpfe. Hippel macht vieles von den ösfent-
lichen Zuständen dieser Periode mit Geschick lebendig; zwar verweilt auch
er lange bei persönlichen und familialen Ereignissen, aber auch diese sind
soziologisch gut gesehen. Ein gewisser Aberschwang im Gedanklichen, ein
mit Pathos auftretender politischer und sozialer Wille schäumt gelegentlich
über die Grenzen der Dichtung, macht sie aber gewiß nicht weniger sym-»
pathisch. Aber den heimatlichen Bezirk hinaus, für den das spannende,
teilweise hinreißend geschriebene Buch ein Ereignis bedeuten könnte, wird
es als Zeugnis leidenschaftlicher Teilnahme an den innersten Beweggrün»
den unsres sittlichen Daseins, als Schilderung einer soziologisch bedeut-
samen Zeit- und Kulturkrise sich einen Kreis von Freunden bald erwerben.

Diese Bücher bezeugen, was unsre Gegenwartliteratur nicht bezeugt:
politische Wachsamkeit, Teilnahme am politischen Leben. Vielleicht kom-
men wir auf diesem Wege zu einem politischen Roman; das wäre nicht die
schlechteste Frucht der immer wachsenden Bewegung zum Geschichtlichen
hin, die im Schrifttum der Gegenwart nun schon einen der wichtigsten
Züge bildet. Wolfgang Schumann

W. v. Molo, Schiller-Roman, ^ Bde.: Ums Menschentum — Im
Litanenkampf — Freiheit — Den Sternen zu (Schuster L Löffler, Berlin),
Bd. ( und 2 geb. je 5.50 M., Bd. 3 und q geb. je 5 M. M. Brod,
Tycho Brahes Weg zu Gott (K. Wolff, Leipzig), geb. 5 M.. W. Schäfer,
Lebenstag eines Menschenfreundes (G. Müller, München), geb. 5.50 M.
I. Havemann, Schönheit (G. K. Sarasin, Leipzig), geb. 6 M. M.
Dreyer, Der deutsche Morgen (Staackmann, Leipzig), geb. 6 M. H. von
Hippel, Der unbekannte Gott (Vita, Charlottenburg), 5.50 M.

Alte Dorfsch'önheit und moderne Technik

Brief an einen Ingenieur

^^hr Brief war mir bisher der wertvollste Ertrag meines Dorfbuches*,
^^weil Sie aus einem lebhaften Verständnis für die Sache mir ein ganz
^Faußergewöhnliches Vertrauen entgegenbringen. Was mir aber Ihr
Schreiben besonders wertvoll macht, das ist das heilsame Examen, das Sie
über mich verhängen.

Ihnen gegenüber muß ich mich selbst durch das aufrichtige Geständnis
beschämen, daß ich im Grunde diese Art von ästhetischen Ehrenrettungen
grauer Vorzeiten für vollständig überslüssig halte. Ganz ohne Zweifel
ist im Himmel der kleinste vorwärts gerichtete Prophet größer als der größte
rückwärts gerichtete; und hienieden scheint mir jede ästhetische Vorarbeit
für die Zukunft notwendiger und ersprießlicher als alle Andacht vor
Ausgrabungen. In unsrer Gegenwart sind ja doch wir die Lebendigen
und nicht unsere Urahnen; und es gilt die Zukunft für unsere Enkel!
Aber unsere Enkel werden sicherlich mehr von unserm Geiste zu zehren
genötigt sein, als wir noch vom Geist längst verblichener Vorfahren zehren:
darum soll dies Zeitalter des Interregnums zwischen den Traditionen sich
mehr um zu gründende Traditionen für unsere Enkel kümmern als
um zu schützende Traditionen der Großväter.

^ Gerneint ist Rebenburgs Buch ^Das schöne deutsche Dorf. i. Band: Süd-«
deutschland". Verlag von Piper L Co., München. i-80 Mk.

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