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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Bertelsson, Alexander: Kunst und Können
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0049

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Kunst und Können

sein Leben lang keine zwei Worte reden können,
aber von dem Tage an, als das heilige Feuer in
ihm zu brennen begann, habe er mit Engelszun-
gen reden können. Lehrreich ist auch das Be-
kenntnis Van Goghs, nicht von dem Tage an
gemalt zu haben, als er die Pinsel in die Hand
nahm, sondern erst von dem Tage an, als die
Erscheinungen seines Geistes ihn dazu zwangen.

Nein — Kunst kommt gewiß nicht von Kön-
nen und Können ist noch keine Kunst! Die
Kunstform ist nur Sprache für das, was ein er-
lauchtes menschliches Bewußtsein hervorbringt.
Unwesentlich wie kunstvoll jemand diese Spra-
che beherrscht, wesentlich nur was jemand mit
Hilfe dieser Sprache zu sagen hat. Aber, weil
die meisten nichts zu sagen haben, behaupten
sie, es wäre wichtig, wie man das sagte. Wenn
sie doch in aller Bescheidenheit auf das Damas-
kus eines Paulus oder Van Goghs warteten.

Die Kunst beginnt und das wahre Kunstwerk
entsteht erst dort, wo der Irrtum der mit dem
Namen Kunst getrieben, als Irrtum erkannt wird,
wo an die Stelle des als Irrtum erkannten Glau-
bens, Kunstschaffen wäre erlernbar, Kunst-
fertigkeit wäre bedeutsam, die Erkenntnis tritt,
daß bedeutsames Kunstschaffen nur möglich ist,
vermöge besonderer Qualitäten des mensch-
lichen Geistes, und ferner wo der Wille hinzu-
tritt, weder die Dinge noch die Kunst außer-
halb des eigenen Ichs zu suchen. Dann erst
wird es sich zeigen, ob man geborener Künstler
ist oder nicht, denn nur der geborene Künstler
hat ein besonderes Verhältnis zur Welt. Das
Kunstwerk ist nur zufälliges Produkt der Tätig-
keit eines Künstlers, auch spricht es niemals
gleichmäßig deutlich und klar alles das aus, was
der Künstler zu sagen hat. Deshalb führt auch
die Beurteilung des Einzelwerkes zu nichts,
weil es ja garnicht auf dieses zufällige, immer
fragmentarische Produkt ankommt, sondern auf
das besondere Verhältnis des Künstlers zur
Welt und auf die Bedeutung, den Wert der von
ihm gewonnenen Einblicke, Anschauungen, Er-
lebnisse und Erkenntnisse.

Das handwerkliche Können ist nur ein Ne-
benreich der Kunst — ein Reich des Wissens,
der Schranken und Möglichkeiten, — aber es
fuhrt noch lange nicht in das Hauptreich, das
Allerheiligste. Dieses Reich zu betreten ist nur
dem Genie vergönnt.............. A- B-

Die Kunst ist etwas anderes als die Wissen-
schaft. Solange wir nicht alle mit photo-
graphischen Linsen und Trockenplatten herum-
gehen, statt mit Augen, werden wir uns dafür
interessieren, was Künstleruns von derNaturund
ihrem eigenen Gemüt erzählen. Walter crane.

MAURICE BARR AU D

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