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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Dreyfus, Albert: Aristide Maillol
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0313

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ARISTIDE
MAILLOL.
»FRAUEN-
FIGUR«

ARISTIDE MAILLOL

Maillol begann als Maler, er entwarf Kartons
zu Tapisserien, und erst verhältnismäßig
spät ergab er sich ganz der Bildhauerei.

Schon diese Abkehr vom leichteren zwei-
dimensionalen Spiel optischer Täuschungen zur
Plastik, zur palpabeln Kunst der effektiven
Raumumstellung besagt allerhand, aber der
Sonderfall Maillol wird erst dem ganzen Um-
fang nach klar, wenn man seine Besonnenheit,
die Reinheit seines Stils, der den strengsten
plastischen Gesetzen Genüge leistet, konfron-
tiert mit der Formzertrümmerung, der Aus-
drucksübersteigerung, den schnellen heftigen
Äußerungsmitteln seiner Zeitgenossen.

Die Beschäftigung mit der Malerei ist nicht
ohne Nutzen für ihn gewesen. Zeugnis dafür:
die Licht- und Schattenwirkung seiner Werke,
die Atmosphäre, die um sie ist, die an das
Dix-huitieme erinnernde Tonigkeit seiner Zeich-
nungen ; aber das Ziel seines Verwirklichungs-
dranges ist Statik: der Körper der jungen,
reifen, mit Kraft und Anmut begabten Frau —
das Thema, das er vorzugsweise, immer neu
variierend, abwandelt — muß ohne Einbuße

an innerer Spannung in ruhiger Fülle und Ge-
schlossenheit vor ihm erwachsen, beim Rund-
gang um das Werk müssen die Massen von
jedem Standpunkt aus im Gleichgewicht sein,
müssen Überschneidungen und Wölbungen ein
vollkommenes System plastischer Wirkungen
ergeben; erst dann ist das Ziel erreicht.

Maillols Beobachtungsgabe ist impressionist-
isch orientiert, aber der Grundzug seines Schaf-
fens ist Protest gegen das Ungefähre, das Im-
provisatorische, das Vorwalten des Zufälligen.
Es ist ihm stets, selbst in den eilig eine Gebärde
oder Haltung umreißenden Zeichnungen, um
Konstruktion zu tun. Das macht ihn keinem
Temperament verwandter als Cezanne, den
auch der Begriff „Impressionist" keineswegs
erschöpft. Das Monument, das Maillol für
ihn schuf, eine ruhende Frau, die einen Lor-
beerzweig emporreicht, ist ein Akt der Hul-
digung, aber auch ein plastischer Beweis für die
tiefe Wesensgemeinschaft der beiden.

Rodin, obwohl zwanzig Jahre älter als Maillol,
hat den auflösenden Kräften des zu Ende gehen-
den neunzehnten Jahrhunderts nicht im selben

XXX. Februar 1927. 4
 
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