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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Weiser, Armand: Der Ursachbegriff in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0390

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Ein unstillbares Erklärungsbedürfnis läßt den
Menschen immer wieder nach dem Warum?
fragen und er glaubt, dem Zufall durch die
Waffen der Zwangsläufigkeit auf den Leib zu
rücken. Aber alle Gesetze sind nur Bilder.

Auch der Künstler will über das Zufällige
der Erscheinung hinweg zum Wesentlichen ge-
langen. Es ist durchaus nicht wahr, daß er nicht
nach Gründen frägt. Erleiden und empfangen-
des Schauen allein macht noch keinen Künstler.
Das sinnliche Erkenntnisvermögen bedarf des
Urteils, auch für die zartesten inneren Gesichte.
Wenn der Künstler bemüht ist, wahr und richtig
zu schaffen und glaubt, das Wesentliche, ja die
Wirklichkeit selbst zu fassen, so fühlt er in den
Tatsachenbestand lediglich eine ihm passende
Gesetzmäßigkeit ein und entdeckt Naturnot-
wendigkeiten, je nach den Weiten und Grenzen
seiner persönlichen Erkenntnis. Bei aller Schärfe
der Beobachtung und Versenkung in den Gegen-
standkann er über die subjektive und darum nur

zufällige Wahrheit nicht hinaus. Immer neue Fra-
gen nach dem Warum, Woher und Wohin erhal-
ten immer neue, andere und wieder unbeständige
Antworten. Die tiefste Ursache und Ordnung,
die des Künstlers Aufmerksamkeit entdeckt,
bleibt doch nur ein Bild seiner persönlichen
Einstellung zur Welt, das Bild eines kleinen
Teiles vom Erkenntnisvermögen seiner Zeit.
Denn die fortschreitende Entwicklung unseres
Denkens verlangt und findet immer neue Ur-
sachen und Notwendigkeiten in den gegebenen
Wirkungen. Ein anderer Künstler bedeutet eine
andere Aufmerksamkeit und diese zeitigt wieder
andere Ursachen. Die künstlerische Ursächlich-
keit ist demnach eine persönlichste Art des
Zurechtfindens im Chaos der Wirklichkeit. Als
das Ergebnis aus zufälligen Zusammenhängen
zufällliger Kräfte ist sie ebenso unendlich wie
ungefähr. Selbst die stärkste künstlerische In-
dividualität bleibt, um mit Novalis zu reden,
nichts als persönlicher Zufall, dr. armand weiser.
 
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